Bundesverfassungsgericht:Rentner dürfen Hof behalten

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Landwirte, die in den Ruhestand gehen, müssen den Hof abgeben, wenn sie Rente beziehen wollen. Das ist verfassungswidrig.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Die Altersversorgung der Landwirte verstößt in einem wesentlichen Punkt gegen das Grundgesetz. Wer das Rentenalter erreicht hat, musste bisher den Hof abgeben, um Altersbezüge beanspruchen zu können. Diese Vorschrift verletzt nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts den Grundsatz der Gleichbehandlung. Und zwar deshalb, weil sie faktisch nur noch eine Minderheit der Landwirte betrifft und diese damit unzumutbar belastet.

Eingeführt worden war die Hofabgabepflicht im Jahr 1957. Ziel war es, den Bodenmarkt für Agrarflächen in Schwung zu halten und die Entwicklungschancen der Betriebe nicht abzuwürgen. Zudem galt es, einer Überalterung der Betriebe entgegenzuwirken. Tatsächlich hat eine Erhebung des Bundesarbeitsministeriums im Jahr 2013 ergeben, dass die Altersstruktur in Deutschland gut ist: Nur 6,5 Prozent der Betriebsleiter sind demnach älter als 65 Jahre - gegenüber 31 Prozent im EU-Vergleich. Zudem würden dadurch jährlich 172 000 Hektar Fläche auf den Markt gebracht. Nach den Worten des Bundesverfassungsgericht ist es durchaus legitim, die Übergabe der Höfe an jüngere Bauern mit einer Pflicht zur Abgabe zu beschleunigen. Auch die Offenheit des Bodenmarkts und die Verbesserung von Betriebsstrukturen seien Ziele, die der Gesetzgeber verfolgen dürfe.

Der Erste Senat des Gerichts beanstandet allerdings, dass die strikte Abgabepflicht in nicht wenigen Fällen zu unzumutbaren Ergebnissen führt. Denn die berufsständische Alterssicherung der Bauern deckt nur einen Teil ihres Rentenbedarfs ab. Sie sind also darauf angewiesen, ihren sonstigen Bedarf aus dem Verkauf oder der Verpachtung des Hofs abzudecken. Wenn aber der Bauer keinen Nachfolger findet - zwei Drittel der Betriebsleiter berichten hier inzwischen von Schwierigkeiten -, dann muss er entweder seinen Hof stilllegen, womit das Geld fürs Alter fehlt. Oder er behält den Hof und verzichtet damit auf die Rente, für die er, Stand 2017, pro Monat 241 Euro (West) beziehungsweise 216 Euro (Ost) eingezahlt hat. "In diesen Fällen wird die Pflicht zur Hofabgabe unzumutbar", schreibt das Gericht.

Verschärft hat sich die Situation überdies durch eine Anfang 2016 in Kraft getretene Gesetzesänderung. Dadurch wurde nämlich die Hofabgabe unter Ehegatten erleichtert, so dass der Mann den Hof auf die Frau übertragen konnte (oder umgekehrt), also faktisch weiterwirtschaften konnte, aber trotzdem seine Rente bekam. Folge: Damit ist nur noch gut ein Drittel der Landwirte von den Einschränkungen der Hofabgabepflicht betroffen, nämlich die Alleinstehenden und die Betriebsleiterpaare; vor der Gesetzesänderung waren es 61 Prozent. Es sei nicht zumutbar, dass nur eine Minderheit von Bauern gewichtige Eingriffe in ihr Eigentumsrecht hinnehmen müssten - im Dienste agrarpolitischer Ziele, die für die gesamte Landwirtschaft wichtig seien.

© SZ vom 10.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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