Bundesgerichtshof:Das Gleiche ist nicht dasselbe

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Jürgen Stellpflug, Geschäftsführer und Chefredakteur der Zeitschrift Öko-Test, muss ein EuGH-Urteil abwarten, bevor die BGH-Entscheidung kommt. (Foto: Uli Deck/dpa)

"Öko-Test" klagt vor dem BGH gegen zwei Versandhändler, die leicht abgewandelte Produkte mit dem Label der Zeitschrift bewerben.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Begonnen hat der Ärger vor etwa vier Jahren. Damals hätten vor allem die Discounter das Label "Öko-Test" für ihre Werbung entdeckt, erinnert sich Öko-Test-Chefredakteur Jürgen Stellpflug. Die wachsende Beliebtheit sei im Grunde eine gute Sache gewesen, aber mit unerwünschten Nebenwirkungen. Auch andere Versandhändler hätten zunehmend auf das vertrauenserweckende Siegel zugegriffen - nur eben ohne die dafür erforderliche Lizenz. Seither, so Stellpflug, führt Öko-Test ziemlich viele Prozesse. Ein besonders wichtiger fand an diesem Donnerstag vor dem Bundesgerichtshof statt. Und nach dem Gang der Verhandlung darf man vermuten, dass die Tester sich durchsetzen.

Öko-Test hatte gegen die Versandhändler Otto und Baur geklagt. Der Otto-Versand warb für eine Baby-Trinkflasche und einen Beißring mit dem Öko-Siegel, bei Baur ging es um einen Lattenrost und einen Fahrradhelm. All diese Produkte waren, leicht abgewandelt, von Öko-Test mit "gut" und "sehr gut" bewertet worden.

Juristisch geht es um die Frage, ob Otto und Baur mit ihrem unerlaubten Zugriff die seit 2012 eingetragene Unionsmarke "Öko-Test" verletzt haben. Ein wenig knifflig ist das schon, weil ja keiner der Versandhändler damit behauptet hatte, seine Produkte seien von Öko-Test hergestellt. Doch die einführenden Worte des BGH-Senatsvorsitzenden Thomas Koch klangen so, als sei für die Versandhändler in diesem Prozess nicht viel zu gewinnen. Koch verwies auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), wonach eine geschützte Marke nicht nur dann verletzt werden kann, wenn ein anderer Hersteller seine Produkte unter dieser Marke segeln lässt. Sondern auch dann, wenn er die Marke lediglich als "Verzierung" nutzt. So dürfte es hier liegen: Das "Öko-Test"-Siegel macht die eigenen Produkte attraktiver. Da aber gerade ein Parallelverfahren beim EuGH anhängig ist, verkündete der BGH am Donnerstag noch kein Urteil; er möchte das letzte Wort des obersten EU-Gerichts abwarten.

Interessanterweise steht im Hintergrund nicht etwa ein Konflikt um die Lizenzgebühr, weder für Öko-Test noch für die Versandhändler. Das Entgelt ist nämlich verschwindend gering, nach Auskunft der Öko-Test-Anwältin Nadine Dinig liegt es bei gerade mal 690 Euro pro Lizenz. Zum Vergleich: Stiftung Warentest nimmt für die Nutzung seines Siegels - je nach Art der Werbung - zwischen 12 000 und 30 000 Euro. Für Öko-Test geht es nach Stellpflugs Worten um ein viel wichtigeres Kapital: um Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Nur über eine Lizenz lasse sich der Einsatz des Labels kontrollieren. Für die Tester ist dabei entscheidend, dass ausschließlich das getestete Produkt mit dem Siegel beworben werden darf. Andere Waren, und seien sie dem Testprodukt noch so ähnlich, sind vom Öko-Siegel ausgeschlossen. Hier liegt der eigentliche Kern des Konflikts: Die Händler möchten möglichst viele Produkte mit dem werbewirksamen Siegel schmücken; in den BGH-Fällen handelte es sich jeweils um geringfügig verschiedene Varianten der getesteten Produkte.

Für Stellpflug ist klar, dass Öko-Test hier nicht wackeln darf. Das Vertrauen der Verbraucher sei auch durch kleinste Abweichungen zu erschüttern. Anwältin Dinig ergänzt: Weil es bei vielen Produkten auch um Schadstoffe gehe, könne sogar eine andere Farbe des ansonsten vergleichbaren Produkts den entscheidenden Unterschied ausmachen - weil Schadstoffe nun mal häufig in Farben enthalten seien. Wie wichtig die Kontrolle über die Nutzung der Marke gerade für die auf Vertrauen angewiesenen Tester ist, zeigt sich übrigens auch bei Stiftung Warentest. Die Organisation hat sein "Logo Lizenz"-System und dessen Überwachung seit 2013 an den Dienstleister RAL ausgelagert. Seither habe man die Sache ganz gut im Griff, sagt ein Sprecher. Man verschicke höchstens 250 Abmahnungen im Jahr.

© SZ vom 19.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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