Brief an EU-Kommission:Bahn-Chef Grube beschwert sich über "höhere Gewalt"

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Flut, Sturm, Streik: Laut Europäischem Gerichtshof muss die Bahn auch für Verspätungen zahlen, für die sie keine Verantwortung trägt. Wenn der Konzern schon nicht das Wetter beeinflussen kann, versucht Bahn-Chef Grube es nun bei der EU-Kommission.

Als der Europäische Gerichtshof Ende September sein Urteil fällte, waren die Deutsche Bahn und ihre Kunden gleichermaßen überrascht. Der Entscheidung aus Luxemburg zufolge müssen Bahnunternehmen Fahrgäste für Verspätungen und Zugausfälle entschädigen, die durch "höhere Gewalt" verursacht wurden. Das gilt etwa für Unwetter, Hochwasser oder Streiks - also in Fällen, in denen eigentlich niemand Einfluss auf die Situation hat. Die Reaktion der Bahn war recht positiv: Das Urteil schaffe Klarheit in einer wichtigen Rechtsfrage, so die offizielle Haltung. Zunächst.

Denn ganz so glücklich ist man im Konzern dann wohl doch nicht mit der Regelung. Deshalb wendet sich Chef Rüdiger Grube nun an die EU-Kommission. Die hat zwar keinen Einfluss auf das Wetter, aber auf die Fahrgastverordnung in der Europäischen Union.

In einem Brief an Verkehrskommissar Siim Kallas bringt Grube seinen Unmut zum Ausdruck. Darin attackiert er zwar nicht die hervorgehobene Bedeutung des Verbraucherschutzes in dem Urteil. Ohnehin ist die Bahn nach eigener Aussage sehr kulant, was Verspätungen und Zugausfälle angeht. Bis Oktober habe es etwa eine Million Anträge auf Entschädigung gegeben, in 90 Prozent der Fälle habe das Unternehmen bezahlt.

Grube stört sich vielmehr an dem Wettbewerbsnachteil, der Bahnunternehmen durch das Urteil entsteht. Denn im Flug-, Bus- oder Schiffsverkehr gibt es eine solche Regelung nicht. Nur die Bahn muss bei "höherer Gewalt" haften. "Das ist ein untragbarer Zustand", heißt es in dem Brief, der der SZ vorliegt.

Grube führt darin zwei Beispiele an: die Flut, die Ende Mai Teile von Süd- und Ostdeutschland sowie Gebiete in den Nachbarländern überschwemmte, und einen schweren Sturm im Norden und Westen der Bundesrepublik Anfang November. Beide Ereignisse seien "komplett unkontrollierbar" gewesen, schreibt Grube, die Bahn sei aber gezwungen gewesen, eine große Anzahl von Fahrgästen zu entschädigen.

Der EU-Fahrgastverordnung zufolge können Reisende bei einer Verspätung von 60 bis 119 Minuten ein Viertel des Preises zurückverlangen - wenn der Zug mehr als zwei Stunden verspätet ist, besteht sogar Anspruch auf die Hälfte der Kosten.

Grube bezieht sich in dem Schreiben auf einen Bericht der EU-Kommission vom 14. August. Darin wurde eine mögliche "Klarstellung" in dem Fall angedeutet, die Ausnahmen von der Regelung beinhalten könnte. Der Bahn-Chef fordert Brüssel nun auf, diese Ankündigung so schnell wie möglich umzusetzen. So könne "weiterer Schaden für die Wettbewerbsfähigkeit der Eisenbahnen abgewendet werden", schreibt er.

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