Boeing gegen Airbus:Wirbel um Fall 316 und Fall 353

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Die Welthandelsorganisation WTO legt ihre Entscheidung zu den Boeing-Subventionen vor. Doch klar ist: Eine Lösung des Streits werden nur Verhandlungen bringen. Immerhin geht es um ein kollektives Trauma.

Jens Flottau

Fachkreise, und diese bestehen bei diesem Thema seit längerem vor allem aus Anwälten, behelfen sich mittlerweile einfach mit zwei Zahlenkombinationen. Sie zitieren dann aus dem Fall 316 oder weisen darauf hin, dass im Fall 353 leider nur eine vorläufige und dazu nicht öffentliche Entscheidung vorliege, dass sich aber sowohl 316 als auch 353 einem endgültigen Urteil annäherten. Hinter den beiden Zahlen verbirgt sich der derzeit spektakulärste Handelskonflikt zwischen den USA und der Europäischen Union. 316 - das ist das Verfahren vor der Welthandelsorganisation WTO um angeblich illegale Subventionen für den Flugzeugbauer Airbus, eine Tochter von EADS. 353 ist der europäische Gegenschlag, der angeblich illegale Beihilfen für Boeing zum Inhalt hat. Gestritten wird um hohe zweistellige Milliardensummen.

Der 787 Dreamliner von Boeing wird staatlich subventioniert. (Foto: dpa)

Am Montag hat die WTO einen weiteren Schritt in dem langjährigen Verfahren hinter sich gebracht. Sie hat der Europäischen Kommission und der amerikanischen Regierung den endgültigen Bericht zur Klage gegen Boeing übergeben. Was darin steht, wird erst in einigen Monaten zu überprüfen sein. Denn bevor das Werk nicht ordnungsgemäß in die Amtssprachen der WTO übersetzt wurde, bleibt es unter Verschluss. In einer vorläufigen Entscheidung hatte die Organisation im September 2010 festgehalten, dass Boeing tatsächlich illegale Subventionen erhalten hat. Es wäre eine große Überraschung, wenn sich die endgültige Fassung inhaltlich stark davon unterscheiden würde.

Damit ändert sich aber erst einmal - gar nichts. Denn sowohl die Europäische Kommission als auch die USA können Einspruch einlegen gegen die Entscheidung. So ist das zumindest im Airbus-Fall 316 geschehen, der zeitlich ein gutes halbes Jahr Vorsprung hat gegenüber dem Boeing-Verfahren und sich derzeit in der letzten Berufung befindet. Die WTO hatte auch Teile der Staatshilfen für Airbus beanstandet.

Dass beide Flugzeughersteller von ihren Herkunftsländern subventioniert worden sind, steht außer Zweifel. Die beiden Unternehmen tun deswegen alles dafür, den Eindruck zu erwecken, der jeweils andere sei viel schlimmer. "Sowohl in der Art als auch in der Menge verblassen die Beanstandungen gegen Boeing dramatisch im Vergleich zu den Airbus-Subventionen", heißt es beim US-Konzern. "Jetzt ist gerichtsfest festgestellt, dass Boeing Milliarden und Abermilliarden an illegalen Subventionen erhalten hat", so Airbus im September 2010.

Der Konflikt geht zurück auf eine Art kollektives Trauma des Boeing-Managements: den für die Amerikaner unerwarteten Erfolg von Airbus. Über Jahrzehnte haben die erfolgsverwöhnten Marktführer bei jeder Gelegenheit die These verbreitet, dass dieser Aufstieg von Airbus nahezu ausschließlich staatlichen Hilfen zu verdanken sei. Dass Airbus sehr gute Flugzeuge baute, vergaßen sie in ihrer Argumentation genauso wie den Umstand, dass auch Boeing erheblich von Steuermitteln profitierte. Die Boeing-Spitze, allen voran der ehemalige Chef Harry Stonecipher, glaubte, mit einer WTO-Klage den Konkurrenten schwächen zu können. 2005 kündigten die USA daher auf Betreiben Boeings ein Abkommen mit der EU, das bis dahin den Rahmen für öffentliche Förderung im Flugzeugbau gesetzt hatte: Bis zu 33 Prozent der Investitionssumme konnte demnach durch staatliche Darlehen und Bürgschaften abgedeckt werden.

Die WTO ist erkennbar überfordert, den Streit zu schlichten. Stattdessen müssten die USA und die EU versuchen, den Konflikt in Verhandlungen zu klären, sagen Experten. Das ist aber schon deswegen schwierig, weil sich die Art der staatlichen Förderung auf beiden Seiten stark unterscheidet. Airbus profitiert vor allem von den Startkrediten bei neuen Programmen, Boeing von Steuervergünstigungen und staatlichen Forschungsmitteln. Und so lange eine Seite glaubt, aus dem jeweils aktuellen Zwischenstand bei der WTO einen Vorteil ziehen zu können, dürfte sowieso wenig passieren. Realistisch sind Verhandlungen deswegen vermutlich erst 2012, wenn auch eine mögliche Berufung im Fall 353 entschieden ist.

Doch ist es zweifelhaft, wie viel eine Einigung auf Dauer bringen würde. Denn sieben Jahre nach dem Beginn des Verfahrens hat sich die Welt der Luftfahrtindustrie einschneidend verändert. China und Russland bauen neue Konkurrenten auf. Diese sind nicht nur staatlich gefördert, sondern weitgehend staatlich finanziert. Eine sinnvolle Regelung müsste auch die neuen Anbieter einschließen, doch die dürften sich nicht freiwillig einschränken lassen.

© SZ vom 01.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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