Billigflieger Ryanair:Investitionen in der Krise

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Ryanair-Chef Michael O'Leary greift tief in die Tasche. Bis zu 400 neue Maschinen will der Unternehmer kaufen - und das, obwohl sich die Branche derzeit in einer Krise befindet.

Jens Flottau

Die irische Billigfluggesellschaft Ryanair bereitet trotz eines Gewinneinbruchs im abgelaufenen Quartal einen Großauftrag für den Kauf neuer Flugzeuge vor. Ryanair hat Gespräche mit Airbus und Boeing über einen Auftrag für bis zu 400 neue Maschinen aufgenommen, sagte Ryanair-Chef Michael O'Leary der Süddeutschen Zeitung.

Ryanair-Chef O'Leary: Investitionen in der Krise. (Foto: Foto: dpa)

Ryanair will mit der neuen Bestellung das Wachstum mittelfristig sicherstellen. Die neuen Flugzeuge könnten vom Jahr 2013 an ausgeliefert werden. Allerdings dürfte sich eine Entscheidung noch eine Weile hinziehen. Europas größte Billigfluggesellschaft ist dafür bekannt, wegen der dann besseren Verhandlungsposition bei den Herstellern nur in wirtschaftlichen Krisenzeiten einzukaufen.

Der Lieferant steht noch nicht fest. "Es ist für uns auch machbar, den Auftrag an Airbus zu vergeben", erklärte O'Leary, der sich bislang immer für Boeing entschieden hat. Bei einer Flotte von momentan 120 Maschinen seien zwei verschiedene Hersteller kein Problem. Der Zeitpunkt für einen Großauftrag sei auch deswegen günstig, "weil man derzeit wegen des niedrigen Dollarkurses enorm profitiert", sagte O'Leary. "Neue Flugzeuge sind um die Hälfte billiger als noch vor einigen Jahren."

Geschäftsreisende auf Schnäppchenjagd

Ryanair gab in der vergangenen Woche einen Gewinneinbruch um 85 Prozent für das abgelaufene Quartal bekannt, unter anderem weil das Unternehmen sich nicht genügend gegen die hohen Treibstoffpreise abgesichert hatte. Dennoch hält O'Leary grundsätzlich an seinem Wachstumskurs fest und geht damit ein hohes Risiko ein. Denn der Ryanair-Chef spekuliert darauf, dass der Ölpreis bald deutlich zurückgehen wird: "Der Preis wird wieder unter 100 Dollar sinken, weil die Nachfrage zurückgeht. Es gibt keine Ölknappheit." Nach seiner Einschätzung ist Ryanair "derzeit auf starkes Wachstum angewiesen". Nur wenn die Airline auf ihre Wachstumspläne verweise, könne sie bei Flughäfen und Flugzeugherstellern gute Konditionen verhandeln. Dazu fehle sonst bei den Verhandlungspartnern der Anreiz.

Das Ende der Billigflieger sieht O'Leary noch lange nicht gekommen. Im Gegenteil, sollte die Wirtschaft wirklich bald in einen tiefen Abschwung rutschen, würde Ryanair seiner Ansicht nach sogar profitieren. Kostenbewusste Geschäftsreisende würden in solchen Zeiten von den etablierten Fluglinien wechseln, um die Reisekosten zu drücken.

O'Leary sieht aber keine Notwendigkeit, von den kleineren Flughäfen, die das Unternehmen zurzeit bevorzugt anfliegt, auf größere zu wechseln, um so für Firmenkunden attraktiver zu werden: "Wer eine Wohnung im Zentrum Frankfurts hat, wird sowieso nicht direkt am Flughafen dort vorbeifahren, um nach Hahn zu kommen. Wir sind attraktiv für die Geschäftsleute aus Mainz oder Koblenz."

20 Flugzeuge vorübergehend stillgelegt

Sollte der Ölpreis nicht, wie von ihm vorausgesagt, unter die 100-Dollar-Marke sinken, prognostiziert O'Leary dramatische Folgen für die Branche: In Europa würden dann nur noch drei bis fünf Fluggesellschaften überleben - "darunter Ryanair und vielleicht Easyjet". Bei Ryanair müssten die Flugpreise um 20 bis 40 Prozent steigen. Dresdner-Kleinwort-Analysten haben in einer Studie berechnet, dass Ryanair die Preise um 30 Prozent anheben müsste, wenn der Ölpreis bei 125 Dollar notiert. "Das stimmt wahrscheinlich", sagte O'Leary.

Ryanair treffen die hohen Preise beim Öl besonders hart, weil das Unternehmen lange keine Preissicherungsgeschäfte betrieben hat. "Wir haben den Markt falsch eingeschätzt. Ich habe jedes Mal die falsche Ansage gemacht", erklärte O'Leary. Mittlerweile ist Ryanair in die Sicherung eingestiegen, um Planungssicherheit für das eigene Geschäft zu bekommen. Für das laufende Jahr prognostiziert der Ryanair-Chef eine schwarze Null. "Ein kleiner Gewinn in diesem Jahr wäre für uns ein phänomenales Ergebnis." Dafür darf der Ölpreis im Durchschnitt aber nicht über 130 Dollar steigen. Zudem ist Ryanair für das vierte Quartal noch gar nicht abgesichert.

Um die nachfrageschwache Zeit im kommenden Winter zu überbrücken, wird Ryanair im Durchschnitt 20 Flugzeuge vorübergehend stilllegen. In den vergangenen zwei Jahren hat die Airline 25 Maschinen verkauft, obwohl sie wegen des mittlerweile schwachen Dollar dabei in einigen Fällen sogar einen kleinen Buchverlust gemacht hat. Weil aber neue Maschinen wiederum wegen des niedrigen Dollarkurses so viel billiger zu haben sind, nimmt O'Leary dies in Kauf. Solche Geschäfte sollen künftig aber die Ausnahme bleiben: "Wir sind ja kein Flugzeughändler, sondern eine Airline."

© SZ vom 06.08.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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