Bayer-Offerte:Monsanto - Symbol des Bösen, trotzdem begehrt

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Bayer hat Interesse an Monsanto. Aufnahme einer Umweltaktivistin in Cottbus (Archivbild). (Foto: picture alliance / dpa)
  • Der deutsche Chemiekonzern Bayer will den US-Saatgutspezialisten Monsanto übernehmen.
  • Monsanto ist umstritten, ein Zusammenschluss könnte für Bayer auf dem umkämpften Markt aber große Vorteile haben.

Analyse von Varinia Bernau, Düsseldorf

Als sich Marijn Dekkers, der scheidende Konzernchef von Bayer, und Werner Baumann, der neue, kürzlich auf der Bayer-Hauptversammlung ihren Aktionären stellten, da kam auch diese Frage: Warum ist eigentlich bei all den Übernahmen und Zusammenschlüssen in der Branche Bayer nie dabei? Die beiden Manager gaben sich zurückhaltend. Nun, knapp drei Wochen später, zeigt sich: Bayer wagt sich sogar an eine Übernahme, die die gesamte Branche ins Staunen versetzt.

Der Leverkusener Traditionskonzern will den US-Saatgutkonzern Monsanto kaufen. "Vertreter von Bayer haben vor Kurzem Mitglieder der Geschäftsführung von Monsanto getroffen, um vertraulich über eine einvernehmliche Übernahme von Monsanto zu sprechen", teilte Bayer am Donnerstag mit. Durch den Kauf würde Bayer zum weltweit größten Saatguthersteller aufsteigen und auch die Schweizer Syngenta vom Spitzenplatz unter den Pflanzenschutzanbietern ablösen.

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Es wäre nach der 17 Milliarden Euro schweren Übernahme des Arzneimittelherstellers Schering im Jahr 2006 die mit Abstand größte Akquisition in der Firmengeschichte. Übernimmt sich das Leverkusener Unternehmen dabei womöglich? Ulrich Huwald von Warburg Research nennt den Deal zumindest "strategisch sinnvoll".

Das Geschäft mit Pflanzenschutz und Saatgut ist nicht zuletzt wegen der intensiven Forschung ein teures und wird deshalb seit langem von wenigen großen Konzernen bestimmt. Zuletzt gab es weitere Zusammenschlüsse: Der chinesische Staatskonzern ChemChina legte 43 Milliarden Dollar für den Schweizer Pflanzenschutz- und Saatgut-Produzenten Syngenta auf den Tisch, zudem kündigten die beiden US-Chemiekonzerne Du Pont und Dow Chemical an, ihr Agrarchemiegeschäft in einem eigenständigen Unternehmen zusammenzulegen.

Dass Bayer irgendwann als "kleines schwarzes Entlein dastehe", sei da durchaus eine Gefahr, sagt Analyst Huwald. Um dem vorzubeugen, ist Monsanto kein schlechter Partner: Der Konzern ist stark in Nordamerika, wo Bayer schwächelt. Mit seinem Know-how bei chemischen Produkten für die Landwirtschaft wie Insektiziden oder Pestiziden erlöse Bayer wiederum Monsanto aus der Abhängigkeit vom Saatgut, sagt Huwald.

Allerdings würde sich Bayer mit Monsanto auch ein Unternehmen einverleiben, das ein so schlechtes Image hat wie kaum ein anderes in der Branche: Monsanto steht immer wieder wegen seiner aggressiven Geschäftspraktiken und seiner gentechnisch veränderten Produkte in der Kritik. Die Amerikaner sind zudem der Entwickler des umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat, das im Verdacht steht, krebserregend zu sein.

Monsanto gilt unter Umweltschützern als Symbol des Bösen schlechthin. Denn der Konzern hat etwa mit gentechnisch veränderten Lebensmitteln etwas vorangetrieben, das in Europa nicht nur umstritten, sondern teils gar nicht erlaubt ist. "Europa hat da wegen seiner strengen Gesetzgebung den Anschluss verpasst. Man könnte also auch sagen, dass Bayer sich nun das nötige Know-how einkauft, um wieder aufzuholen", sagt Analyst Huwald. Branchenbeobachter sind überzeugt, dass sich die wachsende Weltbevölkerung ohnehin nicht mehr allein mit einer konventionellen Landwirtschaft ernähren lässt. Darauf basiert letztlich das Geschäft von Chemie- und Agrarkonzernen. "Diese Branche denkt global", betont Huwald.

Allerdings: Der Kauf von Monsanto dürfte teuer werden. An der Börse ist Monsanto derzeit etwa 42 Milliarden Dollar wert. "Und darauf kommt sicherlich noch eine Prämie, damit auch die Aktionäre von Monsanto zufrieden sind", sagt Huwald. Die große Frage ist also: Wie will Bayer das bezahlen? Zwar lässt sich Geld derzeit wegen des niedrigen Zinsniveaus günstig leihen. Doch Bayer hat schon heute einen so hohen Schuldenberg wie kein anderer Konzern in der Branche.

Gut möglich also, dass man sich in Leverkusen von anderen Bereichen trennt. Das Geschäft mit der Tiergesundheit, also etwa mit Flohhalsbändern oder Mitteln, die das Immunsystem von Herdentieren stärken, bezeichnete Konzernchef Baumann kürzlich zwar als "hochattraktiv, wenn dies auch eine relativ kleine Industrie ist". Aber er sagte auch: Sollten Bayer Übernahmen in dem Bereich "letztendlich nicht gelingen, müssen wir uns immer wieder die Frage stellen: Sind diese Geschäfte bei uns gut aufgehoben, oder können sich diese Geschäfte in einem anderen Umfeld besser entwickeln?" Und diese Frage, betonte Baumann, werde er auch bei allen anderen Geschäften stellen.

Denkbar ist auch, dass sich der Konzern über eine Kapitalerhöhung das nötige Geld bei den eigenen Aktionären holt. Auch deshalb brach die Aktie zu Handelsbeginn, wenige Stunden, nachdem Bayer die Gespräche mit Monsanto bestätigt hatte, um mehr als sieben Prozent auf 89,41 Euro ein. Das Papier war damit der größte Verlierer im Dax. "Da sind noch viele Unbekannte in dieser Gleichung", kommentiert Analyst Huwald den Kurssturz.

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