Eines muss man den Kanadiern lassen: In ihrem Land haben selbst Währungsturbulenzen Unterhaltungswert. Kanada ist zwar ein kaltes Land, aber die neuen Banknoten sind eine heiße Sache. Sie sind aus australischem Plastik, sprich Polymer, und sollen mindestens doppelt so dauerhaft sein wie Papiernoten. Und fälschungssicher. Zum Beweis wurden sie gekocht, gefroren und in Waschmaschinen mit Kaffeepulver, Murmeln, Schrauben und synthetischem Schweiß getestet.
Die Noten hielten all dem stand. Aber dann meldete sich eine Bankangestellte in der westkanadischen Stadt Kelowna: Sie habe von Fällen gehört, in denen Scheine in einem Auto an der Sonne zusammengeschmolzen seien. Das lässt sich leider nicht verifizieren, denn der Bericht der kanadischen Zentralbank zu diesem Thema ist vertraulich. Sehr öffentlich dagegen ist der Kampf von Mona Billard aus Cambridge in der Provinz Ontario. Es dauerte sechs Monate, bevor sie für geschmolzene Banknoten einen Scheck der Zentralbank Bank of Canada bekam.
Ihr Sohn Nicholas hatte acht neue Hunderternoten in einer Blechdose verstaut, das Weihnachtsgeld von seinem Arbeitgeber. Die Dose versteckte er in der Nähe des Heizkörpers. Als Mona Billard das Geld auf der Bank einzahlen wollte, entdeckte sie zu ihrem Entsetzen verschrumpelte, nutzlose Scheine. Die Bank of Canada ersetzt solche Banknoten erst nach einer eingehenden Prüfung durch ein Labor in der Hauptstadt Ottawa. Zentralbank-Sprecherin Julie Girard beharrt jedoch darauf, dass die neue Währung Temperaturen von bis zu 140 Grad Celsius überstehen kann. Sie weist darauf hin, dass warme Länder wie Australien und Singapur schon seit Jahren Polymer-Scheine im Umlauf haben.
Angesichts der Tatsache, dass bereits über 400 Millionen neue Banknoten in Kanada zirkulieren, hat die Sache mit den geschmolzenen Noten eher Seltenheitswert. Seit der Markteinführung vor zwei Jahren wurden bislang nur in 232 Fällen Polymer-Banknoten mit Schäden zurückgegeben, verglichen mit den jährlich 3000 Fällen von beschädigten Papiernoten. Aber das macht den Kanadiern das neue Plastikgeld nicht sympathischer. Peter Stenberg aus Vancouver, Literaturprofessor im Ruhestand, hätte beinahe 20 Dollar verloren. "Die Noten kleben aneinander, sodass man sie nicht richtig zählen kann", sagt er. Weil die Verkäuferin ehrlich war, erhielt er eine Note zurück. Es soll auch vorkommen, dass man einen Schein mehr bekommt, wenn man Geld aus dem Automaten bezieht. Nur beklagt sich dann niemand.
Doch nicht nur die Qualität der Geldscheine stößt immer wieder mal auf Kritik. Wenig Glück hatte die Bank of Canada auch mit dem Ahornblatt auf der Hunderternote, das auch die kanadische Flagge ziert. Wie ein kanadischer Biologieprofessor herausfand, ist es nicht das Blatt einer kanadischen Ahornbaum-Gattung, sondern des ausländischen, eingeführten Spitzahorns. Julian Starr von der Universität von Ottawa meint, das sei traurig: "Es ist fast kanadisch, dass wir nicht mal unsere Symbole richtig hinkriegen." Aber Notenbanksprecherin Girard sagt, das sei Absicht: Das stilisierte Ahornblatt auf dem Schein gebe es gar nicht. Hätte man eine existierende Ahorn-Gattung gewählt, "hätte man nicht alle Kanadier miteingeschlossen."
Das mögen die Kanadier vielleicht noch schlucken, aber eine Frau auf der Banknote löste eine noch heftigere Kontroverse aus. Nein, für einmal nicht die britische Königin, die immer noch offizielles Staatsoberhaupt in Kanada ist. Ursprünglich war auf der Hunderternote eine Frau mit asiatischen Gesichtszügen abgebildet, die sich über ein Mikroskop beugt. Noch auf dem Entwurf wurde sie durch eine westliche Frau ersetzt, nachdem sich befragte Gruppen kritisch geäußert hatten. Einige fanden, so berichtete das kanadische Fernsehen CBC, es verstärke das Klischee, dass Asiaten in Wissenschaft und Technologie besonders gut seien. Andere wollten nicht nur Asiaten als einzige Ethnie auf der Banknote haben.
Aber die Kanadier werden sich schließlich mit all diesen vermeintlichen Ärgernissen abfinden, wie sie sich stets mit auf den ersten Blick schwierigen Situationen abfinden. Vor Kurzem haben sie auch akzeptiert, dass die kanadische Penny-Münze abgeschafft wurde. Und sie werden sich irgendwann freuen, dass ihr Land manchmal so warm ist, dass nicht nur Herzen schmelzen, sondern ab und zu auch Banknoten. Möglicherweise, und unter mysteriösen Umständen.