Bankier Metzler:"Es gibt keinen Guru, der immer alles richtig macht"

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Der Privatbankier Friedrich von Metzler über das Dilemma der Ratingagenturen - und warum Banken ihre Renditeziele nach unten korrigieren müssen.

E. Dostert u. M. Hesse

Den hauseigenen Rauchtee schenkt Friedrich von Metzler selbst ein. So aufgeräumt und vergnügt wie ihn erlebt man derzeit wenige Bankchefs. Metzler weiß, dass die Werte, für die sein Haus steht, derzeit wieder hoch im Kurs sind. Doch Triumphgeheul verkneift er sich.

Friedrich von Metzler braucht die Finanzkrise nicht zu fürchten: Das Bankhaus Metzler steht hoch im Kurs. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr von Metzler, wie viel Geld brauchen Sie aus dem staatlichen Stabilisierungsfonds für die Banken?

Metzler: Wir brauchen natürlich kein Geld und sind sehr liquide. Wir haben weder für die Bank noch für unsere Kunden strukturierte Finanzprodukte wie CDO oder CDS und nicht einmal Zertifikate gekauft. Schon im Frühjahr 2005 hat die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich gewarnt, dass sich eine gigantische spekulative Blase bildet. In ihrem Jahresbericht stand, dass CDS und CDO im Volumen von 3,5 Trillionen Dollar in der Welt zirkulieren.

SZ: Würden Sie sich schämen, sich am Rettungspaket zu beteiligen?

Metzler: Ich finde es richtig, dass ein Rettungspaket geschnürt wurde. Das hat die Bundesregierung hervorragend gemacht. Sie hat damit erreicht, dass in Deutschland keine große Bank in Schwierigkeiten kommen wird und das Vertrauen untereinander wieder hergestellt wird.

SZ: Aber wäre es nicht wichtig, dass mehr Banken das Paket nutzen? Sonst wird die Hilfe doch zum Stigma für die Banken, die sie in Anspruch nehmen.

Metzler: Das muss jede Bank natürlich für sich entscheiden; die Börse hat am Montag sowohl die Commerzbank als auch die Deutsche Bank mit ordentlichen Kursgewinnen belohnt - ein gutes Signal für beide Häuser, die ja doch einen unterschiedlichen Weg beschreiten. Wir brauchen die staatliche Hilfe zum Glück nicht.

SZ: Warum?

Metzler: Unser Geschäft ist die Wertpapierberatung, die Vermögensverwaltung sowie die Beratung bei Fusionen, Übernahmen, Finanzierungsfragen und Privatisierungen. Strukturierte Produkte und das volkswirtschaftlich wichtige Kreditvergabegeschäft passen nicht zu uns.

SZ: Warum nicht?

Metzler: Das passt nicht zu unserer Struktur; wir verfügen nicht über hohe Volumina an Spareinlagen, also können wir auch nicht das Geschäft von Sparkassen, Volksbanken oder Großbanken machen. Nur wer über ausreichend langfristige Spareinlagen verfügt, kann auch längerfristige Kredite geben.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wieso die Banken die Signale so lange überhört haben.

SZ: Sie haben die Warnungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich schon 2005 vernommen. Weshalb haben andere Banken die Signale so lange ignoriert?

Metzler: Wir sind eine Spezialbank. Für andere Banken, die alle Produkte anbieten müssen, ist es viel schwerer, sich dem Druck der Märkte zu entziehen. Aber auch wir haben diesen Druck gespürt. Eine Zeit lang hatten wir Mühe, einigen unserer institutionellen Kunden zu erklären, warum unsere Wertentwicklung in den Portfolios hinter jener der Konkurrenz liegt. Dann haben wir immer gesagt: Höhere Rendite bedeutet höheres Risiko. Heute wissen sie, was wir gemeint haben.

SZ: Da muss es Sie doch gewaltig ärgern, dass Zocker das Image einer ganzen Branche zerstört haben.

Metzler: Es macht mich sehr betroffen, dass das Ansehen von Bankern so gelitten hat. Aber der Schaden ging weitgehend von der angelsächsischen Welt aus. Viele deutsche Institute haben die Warnsignale durchaus vernommen. Deshalb sind hier die ganz großen Einschläge - von der Hypo Real Estate einmal abgesehen - bei den privaten Banken ausgeblieben.

SZ: Aber haben nicht auch hier die Aufsichtsbehörden versagt?

Metzler: Wir haben sehr gute Behörden. Aber man verlangt zu viel von ihnen, wenn man erwartet, dass sie eine solche Krise verhindern können. Die Behörden sind dazu da, Missstände aufzuarbeiten und zu sanktionieren. Wie soll denn eine Behörde erkennen, was viele Marktteilnehmer nicht erkannt haben?

SZ: Wozu so eine Behörde, wenn sie solche Katastrophen nicht verhindert? Aufräumen können auch Staatsanwälte.

Metzler: Die Aufsichtsbehörden brauchen sicher stärkere Sanktionsmöglichkeiten. Man kann nicht alles den Richtern überlassen. Vorstände, die ihr Institut ruinieren, müssen zur Verantwortung gezogen werden.

SZ: An welche Sanktionen denken Sie?

Metzler: Es kann nicht sein, dass Manager, die den Schaden angerichtet haben, mit Abfindungen von mehreren Millionen verabschiedet werden wie in der angelsächsischen Welt. Das versteht kein Mensch. Eine stärkere persönliche Haftung halte ich für sinnvoll.

SZ: Hätten Rating-Agenturen und Aufsichtsräte die Signale nicht wahrnehmen müssen?

Metzler: Die Rating-Agenturen stehen in einem permanenten Interessenkonflikt. Sie schreiben gegen Gebühren Gutachten über Produkte der Institute, die sie eigentlich bewerten sollen. Die Agenturen reagieren viel zu spät und potenzieren dadurch noch die negativen Effekte. Da muss sich etwas ändern, zum Beispiel dadurch, dass sie auch der Aufsicht unterliegen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Folgen die Finanzmarktkrise für den Mittelstand hat.

SZ: Das ist doch nicht allein die Ursache des Übels.

Metzler: Viele Menschen glauben, es gebe den Anlage-Guru, den Midas, der immer alles richtig macht. Doch den gibt es nicht. Daran ist beispielsweise der US-Versicherer AIG zugrunde gegangen. Eine Gruppe von Händlern in London hat durch unverantwortliche Spekulationen den Konzern mit seinem gesunden Versicherungsgeschäft ruiniert. Der Glaube an den Mann mit der goldenen Hand ist in der Finanzbranche vielleicht ausgeprägter als anderswo.

SZ: Müssen die Banken ihre Renditeziele nach unten anpassen?

Metzler: Ganz klar. Der Markt wird sich verändern, stärker durch ein anderes Anlegerverhalten als durch Regulierung. Die Renditeziele normalisieren sich.

SZ: Glauben Sie, dass diese Erkenntnis - hohe Rendite, hohes Risiko - von Dauer sein wird?

Metzler: An den Kapitalmärkten hat es immer Phasen der Solidität und der Spekulation gegeben. Die nächste Blase kommt bestimmt. Aber der Dämpfer fiel dieses Mal so kräftig aus, das werden die Marktteilnehmer so schnell nicht vergessen und sich einige Jahre vernünftig verhalten.

SZ: Was ist denn Ihr Renditeziel?

Metzler: Das schwankt mit dem Umfeld. Aber wir setzen unseren Mitarbeitern keine festen Renditeziele, die sie erreichen müssen. Die Mitarbeiter sollen nicht unter Druck kommen, Geschäft machen zu müssen, wenn dies nicht im Interesse des Kunden ist. Unser Ziel ist es allerdings, auch in schlechten Börsenzeiten profitabel zu sein.

SZ: Sie sagen, es soll kein Druck entstehen. Machen Sie denn auch die Boni für Ihre Mitarbeiter nicht an dem Erreichen bestimmter Renditeziele fest?

Metzler: Unsere Mitarbeiter sind nicht bonusgetrieben, sie werden an der langfristigen Kundenzufriedenheit gemessen. Am Ende des Jahres wird festgelegt, was ein Team als Bonus erhalten kann, und den verteilt dann das Team.

SZ: Können Sie von der Krise profitieren und Kunden gewinnen?

Metzler: Wir können immer Kunden gewinnen. Wir hoffen aber, dass die Kunden zu uns kommen, weil wir gut sind.

SZ: Welche Folgen hat die Finanzmarktkrise für den Mittelstand: Gibt es eine Kreditklemme?

Metzler: Ich glaube nicht. Was nicht mehr funktioniert, sind die teuren, kreditfinanzierten Übernahmen durch Finanzinvestoren. Der normale Mittelstand hat eine hohe Binnenfinanzierungskraft und bekommt die Kredite, die er braucht.

SZ: Sind Familienunternehmer die besseren Manager?

Metzler: Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Aber sie können leichter eine nachhaltige Politik verfolgen, das ist bei einem breiten Streubesitz schwieriger. Es gibt ausgezeichnete Familienunternehmen und ausgezeichnete, von fremden Managern geführte Firmen. Und immer auch das Gegenteil.

© SZ vom 06.11.2008/ld/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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