Wie schwelgte AWD im November 2008: Professor Doktor Doktor honoris causa Bert Rürup würde als Chefökonom kommen, teilten die Hannoveraner aufgeregt mit. Sein Wissen und seine Erfahrung würden nun dem Unternehmen und den Kunden zur Verfügung gestellt.
Die Weisen wüssten AWD eben zu schätzen, wortspielte das Unternehmen in Anlehnung an die jahrelange Mitgliedschaft Rürups im Sachverständigenrat fröhlich.
Dumm nur: AWD weiß den Weisen nicht zu schätzen. Pünktlich zum neuen Jahr wird darum die Beziehung zu Rürup neu geordnet. Der frühere Regierungsberater sei zu teuer geworden, heißt es in Unternehmenskreisen.
"Arbeitsverhältnis auf neuer Basis"
Rürup bleibt dem Unternehmen erhalten - allerdings werde das "Arbeitsverhältnis auf eine neue Basis" gestellt, sagt ein AWD-Sprecher. Rürup werde weiterhin für "Analysen, Vorträge sowie strategische Weiterentwicklung und Einschätzung von Produkten" zuständig sein, doch die Bezahlung dafür würde neu geregelt.
Das bedeute aber nicht, dass Rürup die gleiche Arbeit für weniger Geld mache oder freier Mitarbeiter werde, versicherte der Sprecher. Rürup könne jetzt vielmehr auch Engagements außerhalb des Unternehmens annehmen - ein Zugeständnis an Rürup. Immerhin gelten die neuen Konditionen als "im Einvernehmen festgelegt".
Das Unternehmen AWD, das seine Finanzberater darauf trimmt, sich die Kundschaft im privaten Umfeld zu suchen, hat seit jeher mit Imageproblemen zu kämpfen. Um diesen zu entfliehen, versucht AWD immer wieder vom Glanz anderer zu profitieren. Es holte sich den einstigen Regierungssprecher Béla Anda als Kommunikationschef und Unternehmensgründer Carsten Maschmeyer bandelte privat, aber publikumswirksam, mit Veronica Ferres an. Der größte Coup jedoch war zweifellos die Verpflichtung von Rürup.
Rürup, der zusammen mit Walter Riester Namensgeber für die staatlich geförderte Altersvorge geworden ist, durfte sich darum seit Jahresbeginn "Chefökonom AWD" nennen. Somit zählte er zu dem Kreise jener Menschen, die durch unverfängliche Konjunkturprognosen und behutsame wirtschaftspolitische Vorschläge Renommee zu gewinnen versuchen. Rürup musste das allerdings nicht mehr. Er konnte nur noch Reputation verlieren.
Und das tat er. Seine Abschiedsvorlesung zum Thema "Vom Elend der wissenschaftlichen Politikberatung" an der Technischen Universität Darmstadt ging in einem gellenden Pfeifkonzert unter. Für den Wechsel zu einem Strukturvertrieb als "Strucki" geschmäht, wollte ihm einfach keiner abnehmen, dass er - wie behauptet - "nach 40 Jahren in Universitäten und Wissenschaft" nur "noch einmal etwas Neues beginnen" wollte. Dass AWD Rürup mit viel Geld gelockt hatte, war zu offensichtlich.
Jetzt ist klar: Es war zu viel Geld. Rürup hält AWD trotzdem die Treue. Vorerst. Aber hatte er nicht erst Anfang Oktober eine seiner Kolumnen so betitelt: "Nur ein Narr ändert seine Meinung nie"?