Automobilindustrie:Beten für Volvo

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Schweden in Aufruhr: Die US-Automobilkrise bedroht nun auch die Traditionsmarken Saab und Volvo - dabei gehören die zur Identität wie Mittsommer und Fleischbällchen.

Gunnar Herrmann

Vor dem Gottesdienst legen die Gläubigen in der Kirche von Torslanda die Fürbitten in eine Büchse am Eingang. Derzeit steht darauf oft der Name einer Automarke: "Volvo". Der Autohersteller ist der wichtigste Arbeitgeber des westschwedischen Ortes. Am ersten Advent wird die Gemeinde besonders intensiv gebetet haben. Denn derzeit könnte sich entscheiden, ob in Schweden künftig überhaupt noch Autos gebaut werden.

Schweden bangt um die bis dato sicheren Arbeitsplätze. (Foto: Foto: AP)

Am Donnerstag werden Ford und General Motors (GM) - die Mutterkonzerne der schwedischen Firmen Saab und Volvo - in Washington ein Sanierungsprogramm präsentieren. Die angeschlagene Branche will Geld vom Kongress. Das wird sie nur bekommen, wenn sie spart und verspricht, dass keine US-Steuergelder ins Ausland fließen. Es wird erwartet, dass die Amerikaner sich von ihren skandinavischen Töchtern trennen wollen, falls sich keine andere Rettung findet: Die beiden US-Firmen haben auch Stockholm um Subventionen gebeten.

Entscheidung über deutsche Arbeitsplätze

Volvo-Eigentümer Ford betreibt in Deutschland ebenfalls Fabriken, zum GM-Konzern gehört neben Saab auch Opel. Es geht in Washington also auch um deutsche Arbeitsplätze. Für Schweden geht es jedoch um mehr: Die Krise droht, die gesamte Autobranche des Landes auszulöschen. Dabei gehören Saab und Volvo zur schwedischen Identität wie Mittsommer und Fleischbällchen, sie haben eine lange Tradition.

In der Fabrik Torslanda etwa lief schon die geschwungene Karosserie des legendäre Volvo-Modells Amazon vom Band. Noch heute zählen Volvo und Saab in ihrer Heimat zu den populärsten Automarken. Im Ausland werden die schweren Schweden mit ihrem dicken Blech und den wuchtigen Stoßstangen jedoch vornehmlich von Individualisten gekauft.

Immer mehr Ähnlichkeit Opel-Modellen

Ende der neunziger Jahre wurden beide Unternehmen von amerikanischen Konzernen geschluckt. Seitdem ähneln die Saab-Modelle immer stärker denen der deutschen GM-Tochter Opel, der neue Saab 9-5 soll nächstes Jahr sogar in Rüsselsheim gebaut werden. Volvo konnte sich dagegen im Ford-Imperium mehr Eigenständigkeit bewahren. Viele Schweden träumen davon, dass der Traditionsbetrieb eines Tages zurückgekauft wird: Der Staat solle Volvo übernehmen und zum eigenständigen Unternehmen aufpäppeln.

Branchenexperten meinen aber, Volvo sei zu klein, um allein zu überleben. Das Ford-Management versichert außerdem, es wolle die schwedische Tochter gar nicht veräußern. Derzeit dürften sich ohnehin kaum Käufer finden. Es sieht also so aus, als hätte Schwedens Autoindustrie keine Chance ohne die US-Mutterfirmen.

Dennoch traf die Bitte von GM und Ford um finanzielle Unterstützung in Stockholm zunächst auf Ablehnung. Die Regierung warf der Industrie vor, sie habe die Krise selbst verschuldet und zu lange auf benzinschluckende Modelle gesetzt, die nun keiner kaufen wolle. Saab und Volvo brachten jüngst vor allem durstige Geländewagen und Kombis, aber kaum Kleinwagen auf die Straße. "Viele Autofirmen stellen die falsche Art Autos her", konstatierte Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt. "Wenn einer meint, der Staat solle das richten, dann meine ich, dass er sich irrt."

Aber der Druck auf die Regierung wächst. Denn Fürbitten werden nicht ausreichen, um die Fabriken zu retten. Wenn schon in Washington und Berlin Subventionen für die Branche fließen, wird Schweden wohl mitziehen müssen. Falls es eine Autonation bleiben möchte.

© SZ vom 02.12.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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