Autoindustrie:In Treue fest

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VW-Werbung beim Fußball: Das Wolfsburger Unternehmen ist ein wichtiger Sportsponsor, hier beim Bundesligaspiel Bremen gegen Bayern. (Foto: David Hecker/dpa)

Die Nachfrage nach Diesel-Fahrzeugen in Deutschland steigt, trotz des Abgasskandals bei VW. Derzeit gebe es "keine Verunsicherung am Markt", heißt es. Doch wie lange noch?

Von Max Hägler und Thomas Öchsner, Stuttgart/Berlin

Ein wenig scheint das Verhältnis zwischen den Deutschen zu den Autos so zu sein wie das der Bayern zur CSU: Die einen wählen die anderen, allen Skandalen zum Trotz. Jedenfalls deutet derzeit noch wenig darauf hin, dass die Menschen etwa Angst haben vor Stickoxiden oder gefälschten Verbrauchsangeben. Im Gegenteil: Die Auftragslage bei Dieselautos ist stabil, es gibt sogar mehr Order. Selbst bei Volkswagen, bei dem Konzern also, der diesen Motor in Verruf gebracht haben, durch die millionenfachen Abgasmanipulationen.

Nach Informationen aus Konzernkreisen spürt der VW-Konzern auch in Europa beim Bestelleingang noch keine Auswirkungen des Skandals. In Deutschland wachse seit dem Bekanntwerden der Manipulationen vor rund einem Monat sogar die Zahl der in den Authäusern bestellten Diesel-Wagen. Jedoch sei das Bild europaweit uneinheitlich. So seien die Diesel-Bestellungen in Großbritannien abgesackt, was VW als direkte Folge der Affäre wertet. Unter dem Strich schlage der Skandal aber bislang nicht aufs Geschäft durch.

Die Meldungen decken sich mit denen beim Autobauer Daimler. "Wir sehen keine Verunsicherung im Markt", hatte Daimler-Finanzchef Bodo Uebber vor wenigen Tagen berichtet und deutlich gemacht, dass er auch in nächster Zeit keine Auswirkungen erwarte: "Die Kundenwünsche liegen klar beim Diesel." Diesel, Benzin oder Hybridantriebe werden nach SZ-Informationen im genau demselben Verhältnis verkauft wie vor der Krise. In Stuttgart ist man deshalb gelassen.

Die Kollegen in Wolfsburg von Volkswagen sind zwar froh über den kurzen Lichtblick, aber insgesamt negativer: "Die Bestelleingänge sind eine Momentaufnahme." Ob die ungebrochene Lust am Diesel weiter Bestand haben werde, das könne derzeit niemand verlässlich sagen. Was wohl auch daran liegt, dass die Dimension des Betrugs erst vor wenigen Wochen deutlich geworden ist: Im Oktober wurde klar, dass VW-Ingenieure auch mehr als acht Millionen Motoren in Europa manipuliert haben. Erst langsam wird absehbar, dass die Lösung ein aufwendiges Unterfangen ist: Die 2,0-Liter-Motoren können zwar innerhalb von zehn Minuten per Software-Update "sauber gemacht" werden. Um die Probleme mit den kleineren Versionen zu beheben, also denen mit 1,6 Liter und 1,2 Liter Hubraum, müssen die Mechaniker aber im Motor schrauben, da braucht es auch neue Teile.

Das alles ist anspruchsvoll: es gilt, etwa 10 000 unterschiedliche Fahrzeugkonfigurationen zu berücksichtigen: Die Autos - ob VW, Audi, Skoda oder Seat - sind unterschiedlich schwer, es gibt drei unterschiedliche Getriebe, es gibt verschiedene Klimaanlagen. Auf alles muss die Motorsteuerung jeweils neu abgestimmt werden. "Hier spüren wir, was das komplexe Baukastensystem des Konzerns für Folgen haben kann, wenn etwas schiefläuft", sagen sie in Wolfsburg. Aus dem sogenannten Baukasten, also ähnlichen Teilen wie eben dem Motor EA 189, bedienen sich alle Konzerntöchter. Das spart Geld, aber vervielfacht nun das Ausmaß beim Richten.

Dass VW das richten wird, war in der Branche klar. Dennoch folgte Mitte Oktober der schlagzeilenträchtige Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes, der wohl noch wenig Niederschlag in der Bestellstatistik gefunden hat: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte sich die allgemeine Empörung zunutze gemacht, obwohl er bislang nicht als Umweltschützer bekannt gewesen war. In Wolfsburg fragen sie sich, was er nun auf seiner USA-Reise macht. Wird er versuchen, auch ein wenig um Vertrauen für die deutsche Autobranche zu werben?

Verkehrsminister Dobrindt ist in den USA und wirbt um Vertrauen

Am Dienstag ist Dobrindt in Washington mit seinem US-Kollegen Anthony Foxx zusammengetroffen und warb zumindest für die eigene Arbeit: "Ich habe der US-Regierung angeboten, sie regelmäßig auf den neuesten Stand zu bringen", sagte Dobrindt hernach. Zudem habe er US-Beamte nach Deutschland eingeladen, die Prüfungstechnik "zu betrachten." Auf seinem Terminplan stehen noch Gespräche mit Vertretern der Umweltbehörde Epa, der Behörde also, bei der vor einigen Wochen VW-Ingenieure aus Deutschland kleinlaut erstmals die Abgasmanipulationen gestanden haben. Im November wird der neue VW-Konzernchef Matthias Müller selbst in die USA reisen: denn anders als spekuliert wird, will sich der VW-Konzern nicht aus dem US-Markt zurückziehen, will dort im Gegenteil um Vertrauen kämpfen. Doch seine erste große Geschäftsreise führt ihn in dieser Woche erst einmal mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach China. Ein Zeichen an den wichtigen Automarkt soll das sein. Aber Müller dürfte die Reise auch nutzen, um die Kanzlerin auf den Stand zu bringen, wie es bei VW insgesamt steht, etwa dass die Lastwagensparte (MAN und Scania)

auch in Schwierigkeiten ist, vor allem durch Absatzeinbrüche in Südamerika. Insgesamt laufen die Exportgeschäfte der Deutschen, die Merkel durch ihre Reise ankurbeln will, sehr ordentlich, wie Anton Börner, Präsident des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) am Dienstag erklärte. Er sieht durch den VW-Skandal "keinen nachhaltigen Schaden für den guten Ruf deutscher Produkte". Im Jahr 2015 dürften die Ausfuhren um bis zu sechs Prozent auf knapp 1,2 Billionen Euro zulegen; deutlich über 200 Milliarden Euro davon werden Kraftwagen und Kraftwagenteile sein. Die Importe wiederum sollen auf 947 Milliarden Euro steigen. Natürlich gingen die Vorgänge um VW nicht spurlos an den Kunden vorbei, sagt Börner. Die deutsche Wirtschaft bestehe aber "glücklicherweise nicht nur aus einem großen Autokonzern, sondern aus einer Vielzahl überwiegend mittelständischer Unternehmen, die davon nicht betroffen sind". Allerdings lasse sich ein Imageschaden für den Standort Deutschland "nur mit einer restlosen Aufklärung" vermeiden.

© SZ vom 28.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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