Autoindustrie:Ganz schön viel auf einmal

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Bosch ist der weltweit größte Autozulieferer - und damit abhängig von einer Branche, die gerade ziemlich leidet. Einige Probleme seiner Kunden nutzen Konzern-Chef Volkmar Denner aber auch.

Von Thomas Fromm

Dieser Überraschungscoup war Tesla-Chef Elon Musk gelungen: Der Mann von der amerikanischen Westküste tauchte in Berlin auf, ging zur Verleihung des "Goldenen Lenkrads", also dahin, wo auch die Vorstandschefs der großen deutschen Autokonzerne hinpilgern, und machte eine große Ankündigung: Der US-Elektroautobauer will seine erste europäische Autofabrik im Großraum Berlin bauen. Für die deutsche Konkurrenz mag das eine ziemlich direkte Kampfansage sein. Für Volkmar Denner, den Chef des Autozulieferers Bosch, ist das allerdings eine gute Nachricht. Tesla in Brandenburg, dies werde den Wettbewerb der Autogiganten zwar noch weiter anheizen, sagte er beim SZ-Wirtschaftsgipfel. Er sagte aber auch: "Für uns ist Tesla ein Kunde, und für uns ist das immer gut." Ob er schon erste Aufträge habe? Dazu wollte sich Denner nicht äußern. So oder so: Die Autowelt verändert sich gerade rasant, und ein Konzern wie Bosch mit seinen über 400 000 Mitarbeitern - davon 140 000 in Deutschland - muss sich mitverändern, wenn er auch die nächsten Jahre und Jahrzehnte überleben will. Dafür braucht er neue Kunden.

Kunden wie Tesla.

Der weltweit größte Zulieferer Bosch steht wie andere auch mitten im Zentrum der großen Umbrüche, die die Autoindustrie gerade voll erwischt haben. Zuerst die große Dieselbetrugsaffäre bei Volkswagen vor vier Jahren, nun die allmähliche Abkehr vom Verbrennungsmotor hin zu alternativen Antrieben wie Elektromotoren, der Trend hin zum automatisierten Fahren, dazu nun noch die Frage, wie tief es konjunkturell runtergeht. Wer den großen Autokonzernen zuliefert, gehört zu den Ersten, die sich auf diese Veränderungen einstellen müssen. "Es überlagern sich mehrere Effekte gleichzeitig", sagt Denner. Es werden weniger Autos verkauft, gerade in Europa. Und weniger Stückzahlen, das bedeutet auch: weniger Beschäftigung.

Allein am Standort Schwäbisch Gmünd sollen in den nächsten Jahren 1000 Stellen gestrichen werden. Zwar sollen betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden, aber der Trend bei Bosch, Continental und vielen anderen ist klar: Es wird künftig weniger Arbeitsplätze in den Fabriken geben, vor allem da, wo an Dieselmotoren gearbeitet wird. Die dramatischen Veränderungen sollen durch Abfindungsprogramme, Vorruhestandsregelungen und den Abbau von Zeitarbeitskräften abgefedert werden.

Bosch-Chef Volkmar Denner (Foto: Stephan Rumpf)

Andererseits zieht Bosch aber auch neue Geschäftsbereiche hoch. Ein in Tübingen geplantes Entwicklungszentrum für künstliche Intelligenz (KI) soll erweitert werden, entstehen sollen hier Büros, Labore und Wohneinheiten für Wissenschaftler und Studenten. Einige Hundert KI-Forscher sollen hier irgendwann arbeiten. Bosch werde in den nächsten Jahren massiv auf künstliche Intelligenz setzen, sagte Denner jetzt in Berlin. "Das können Sie heute schon in unseren Fabriken besichtigen."

Tesla plant groß im Großraum Berlin, Volkswagen will in den nächsten Jahren verstärkt an Elektroautos arbeiten, in Zwickau geht die Serienproduktion des vollelektrischen ID.3 vom Band. Allerdings fragt man sich bei Bosch auch, ob eine radikale Elektrostrategie automatisch aufgeht. "Bei aller Betonung des Umweltschutzes dürfen wir das Thema bezahlbare Mobilität nicht vergessen", sagt Bosch-Chef Denner. "Wir dürfen die Leute nicht verlieren." Elektrofahrzeuge seien heute eben noch "deutlich teurer". Und dürften es auf absehbare Zeit wohl auch bleiben.

Nicht zufällig warnen Manager wie Denner davor, alles auf eine Karte - reine Elektroautos - zu setzen. Zwar hat Bosch bereits Milliardenaufträge aus dem Bereich der Elektromobilität an Land gezogen, aber noch verdient man eben einen großen Teil seines Geldes mit der Technologie für Verbrennungsmotoren. Der Wandel findet statt, aber Unternehmen brauchen die Zeit, diesen Wandel in ihren Fabriken mitmachen zu können. Und dann ist da die Frage nach der CO₂-Bilanz der unterschiedlichen Motoren. Elektroautos sind eben nur dann wirklich neutral, wenn der Strom aus erneuerbaren Energien kommt und nicht aus fossilen Brennstoffen gewonnen wird.

Bleibt die Frage nach der Zukunft einer ganzen Branche. Deutschland, das Land der großen Autokonzerne; Europa, der Kontinent mit alten Traditionsmarken wie Fiat, Peugeot oder auch Renault - wohin steuert die Branche? Wird es einige von ihnen in den nächsten Jahren aus der Spur hauen? "Momentan gibt es eher einen Boom neuer Hersteller", sagt Denner. Natürlich stammen die vor allem aus dem asiatischen Raum. Denner glaubt allerdings, dass "viele davon nicht überleben" werden. Allerdings bedeute dies auch: Je mehr Anbieter am Markt, desto besser. "Sicher ist: Bosch wird mehr Kunden haben", glaubt Denner. "Da mache ich mir wenig Sorgen."

© SZ vom 14.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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