Austrian Airlines:Lufthansa kauft Sanierungsfall

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Der Deal steht fest, die Verträge sind unterzeichnet: Doch um die Krisen-Fluglinie Austrian Airlines zu integrieren, braucht die Lufthansa einen langen Atem.

Jens Flottau

Nach dem Lufthansa-Aufsichtsrat hat nun auch die österreichische Staatsholding ÖIAG dem Verkauf von Austrian Airlines zugestimmt. ÖIAG-Chef Peter Michaelis und der Lufthansa-Vorstandsvorsitzende Wolfgang Mayrhuber unterzeichneten am Freitagnachmittag den Kaufvertrag für den 41,5-Prozent-Anteil. Die ÖIAG erhält dafür von der Lufthansa zunächst 366.000 Euro. Der Preis kann aber auf bis zu 162 Millionen Euro steigen. Bevor Lufthansa die elftgrößte europäische Airline integrieren kann, muss noch die Europäische Kommission zustimmen.

Lufthansa und Austrian Airlines: Deutschlands größte Fluglinie kauft sich einen Sanierungsfall. (Foto: Foto: AP)

Michaelis sagte, er rechne damit, dass die Transaktion bis Mai 2009 abgeschlossen werden könne. Dies beinhalte auch das Angebot an die Kleinaktionäre in Höhe von 215 Millionen Euro. Über eine Stiftung, in der die ÖIAG zwei von fünf Vorständen mit Vetorechten stellen darf, soll sichergestellt sein, dass die Interessen des Standortes Wien gewahrt bleiben. Austrian bekommt von der Staatsholding einen Kredit von 200 Millionen Euro, mit dem sie die Zeit bis zum Einstieg der Lufthansa überbrücken soll. Laut Austrian-Chef Alfred Ötsch ist "die Liquiditätssituation eng."

Viel Geld, viel Aufmerksamkeit

Mayrhuber bezeichnete den Kauf von Austrian als "sehr logischen strategischen Schritt", durch den sich die Lufthansa den Markt Österreich und Osteuropa sichern wolle. Die neue Tochtergesellschaft werde eine eigene Marke und ein separates Management behalten. Die Sanierung von Austrian "wird nicht einfach, insbesondere im jetzigen wirtschaftlichen Umfeld", räumte Mayrhuber ein. Der Lufthansa-Chef erwartet durch den Einstieg jährliche Einsparungen von 40 Millionen Euro und zusätzliche Umsätze von 30 Millionen Euro. Er betonte, dass die Lufthansa bei Austrian weitgehend Streckennetz und Mitarbeiterzahl erhalten wolle, dies könne aber derzeit niemand garantieren. Er forderte aber eine deutlich bessere Produktivität ein.

Mit Austrian übernimmt die Lufthansa erstmals ein wirtschaftlich schwer angeschlagenes Unternehmen. Die als Vorbild für die Integration angeführte Swiss war schon teilweise saniert, als die Lufthansa bei ihr vor drei Jahren einstieg. Austrian aber wird ihren neuen Eigentümer zunächst viel Geld und Aufmerksamkeit kosten, bevor sich das Engagement in einigen Jahren lohnen könnten.

Der Kaufpreis für Austrian könnte inklusive Streubesitz auf bis zu 377 Millionen Euro steigen. Zusätzlich muss sie rund 500 Millionen Euro an Altschulden und 400 Millionen Euro an Pensionsverpflichtungen übernehmen. Zwar hat Austrian gerade erst hohe Wertberichtigungen auf die Flotte vorgenommen. Jedoch warnt Jürgen Pieper, Analyst beim Bankhaus Metzler, er sei "nicht sicher, ob damit alle Risiken offengelegt sind." Austrian habe in der Vergangenheit nicht gerade konservativ bilanziert.

Mehr Ziele als Flugzeuge

Austrian steht eine harte Sanierungszeit bevor, denn, so Pieper, "der wirtschaftliche Wert der Austrian ist negativ." Ein Branchenexperte glaubt, die Airline sei "um ein Drittel zu groß. Das Streckennetz muss dramatisch restrukturiert werden." Austrian sei die einzige europäische Airline, die mehr Ziele als Flugzeuge habe. Vor allem im Osteuropaverkehr müsse Austrian bald Ziele zugunsten der Lufthansa räumen, die Passagiere über Frankfurt und München auf ihre Langstreckenmaschinen umsteigen lassen wolle. In Wien würden nur einige Asien- und Nordamerikastrecken erhalten bleiben. Gegen Austrian spreche auch die "extrem schlechte Kostenposition." Auf jedes verkaufte Ticket entfielen Verwaltungskosten von 15 Euro, bei Lufthansa seien es weniger als die Hälfte.

Pieper und Unicredit-Analyst Uwe Weinreich glauben, dass Austrian frühestens 2011 wieder schwarze Zahlen schreiben kann. "Ich rechne 2009 mit hohen Verlusten und auch 2010 noch mit roten Zahlen", so Pieper. Weinreich glaubt, dass Austrian rund 20 Prozent der aktuellen Kapazität abbauen muss, gleichzeitig müsse die Airline aber dringend in eine modernere Flotte investieren.

Auf der Kurz- und Mittelstrecke müssten die alternden Fokker 100 ersetzt werden, auf der Langstrecke die Boeing 767. "Eigentlich müssten alle Langstrecken in Wien gestrichen werden", so Weinreich, denn alle brächten bislang Verluste. Ein Insider bezeichnet es als "große Illusion", dass die besseren Vertriebskanäle der Lufthansa die Langstreckenjets füllen werden. Schließlich werde die Lufthansa den Verkehr so steuern, dass zunächst die eigenen Flugzeuge in Frankfurt und München ausgelastet sind.

© SZ vom 06.12.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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