Auftragseinbruch bei Infineon:Sparen auf Kosten der Mitarbeiter

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Der Halbleiter-Hersteller Infineon bekommt den Abschwung zu spüren. Kosten senken und sparen heißt das Ziel. Nun hat der Vorstand eine E-Mail an alle Mitarbeiter weltweit versendet. Der Inhalt: Eine geplante Gehaltserhöhung wird um ein halbes Jahr verschoben. Die Arbeitnehmer sind besorgt.

Björn Finke

Bereits Ende Juli hatte Infineon bekannt gegeben, die Investitionen von 900 Millionen Euro 2012 auf 500 Millionen Euro 2013 zurückzufahren und die Zahl der Mitarbeiter nicht mehr steigern zu wollen. (Foto: dpa)

Sicher haben sich der neue wie auch der alte Chef ein besseres Umfeld für ihren Start gewünscht: Als Peter Bauer im Sommer 2008 die Führung bei Infineon übernahm, spitzte sich die Finanzkrise gerade zu, der Münchner Halbleiterhersteller wäre ein Jahr darauf in der Weltwirtschaftskrise fast in die Pleite gerutscht.

Am Montag hat ihn nun Reinhard Ploss als Vorstandsvorsitzender des Dax-Konzerns abgelöst. Und der neue Firmenchef fängt ebenfalls in schwierigen Zeiten an. Die Konjunktur kühlt sich ab, Aufträge brechen weg, das Management rechnet mit weniger Umsatz und Gewinn.

Daher ist die erste Aufgabe des 56-Jährigen: sparen. Das bedeutet unschöne Diskussionen mit Arbeitnehmervertretern und unerfreuliche Mitteilungen an die Belegschaft. So auch an diesem Freitag. Da schickte der Vorstand nach Informationen der Süddeutschen Zeitung eine E-Mail an alle Mitarbeiter weltweit. Der Inhalt: Eine für Oktober geplante Gehaltserhöhung bei den übertariflich bezahlten Kollegen wird um ein halbes Jahr verschoben. Zum Sparvolumen der Aktion wollte der Konzern auf Anfrage nichts sagen.

Hintergrund der ganzen Übung: Ploss hat von seinem Vorgänger, der wegen einer Osteoporose-Erkrankung ausscheiden musste, ein ehrgeiziges Ziel geerbt. Über einen Konjunkturzyklus hinweg soll Europas zweitgrößter Chiphersteller im Schnitt 15 Prozent Marge machen, von jedem Euro Umsatz sollen also 15 Cent als Betriebsgewinn hängen bleiben.

Mehr im Boom, weniger im Abschwung. Ein hehres Ansinnen, doch Beobachter halten dies für kaum noch zu schaffen. "Sehr unrealistisch" sei dies, sagt Analyst Harald Schnitzer von der DZ-Bank. "Unwahrscheinlich", ergänzen Kollegen der Deutschen Bank.

Zwar erzielte das Unternehmen mit seinen weltweit 26.600 Beschäftigten, davon 8300 in Deutschland, im jüngsten Boom 20 Prozent Marge, aber nun stehen äußerst magere Monate an. Für das laufende Quartal - das erste im neuen Infineon-Geschäftsjahr - rechnet Ploss nur mit fünf bis sieben Prozent Marge. Zu wenig, deswegen "wird der Vorstand Maßnahmen definieren, um über das erste Quartal hinaus die Profitabilität zu verbessern", wie der Konzern vor anderthalb Wochen in schönstem Management-Deutsch androhte. Vulgo: Es wird gespart. Details verkündet Ploss Mitte November.

Bereits Ende Juli hatte Infineon bekannt gegeben, die Investitionen von 900 Millionen Euro 2012 auf 500 Millionen Euro 2013 zurückzufahren und die Zahl der Mitarbeiter nicht mehr steigern zu wollen. Für den Fall, dass die Konjunktur weiter an Schwung verliert, hatte Ploss schon einmal als nächsten Schritt einen Einstellungsstopp ins Spiel gebracht. Und seit der Maßnahmen-definieren-Mitteilung von Ende September ist klar, dass sich das Umfeld tatsächlich verschlechtert hat.

Im Werk in Warstein arbeiten außerdem seit Monatsbeginn etwa 530 Beschäftigte kurz, die Fabrik in der Bier-Metropole stellt Chips her, die in Motoren von Elektroloks oder in Windkraftanlagen benötigt werden. Doch wird immer weniger benötigt, weil Subventionen für grünen Strom gekappt wurden und die Windbranche daher in der Krise steckt. Gute 40 Prozent des Umsatzes erzielt Infineon aber in einem anderen Bereich: Das Unternehmen ist weltweit zweitgrößter Produzent von Chips für Autos.

In der Wirtschaftskrise 2009, als die Autohersteller ihre Fahrzeuge kaum mehr loswurden, brach hier Infineons Umsatz um ein Drittel im Vergleich zum Vorjahr ein. Von einer derartigen Vollbremsung ist die Autobranche zwar jetzt weit entfernt, doch die Anbieter drosseln zumindest ihre Fertigung. Folglich rechnen Analysten damit, dass auch Infineons wichtige Autosparte 2013 weniger erlöst.

Die Firma selbst hat bislang nur mitgeteilt, dass der Gesamtumsatz im laufenden Quartal bis zu zehn Prozent unter dem Wert vom Sommer liegen wird. Für diesen Abschwung ist der Konzern allerdings besser gerüstet als für vergangene Krisen; anders als 2009 drohen keine hohen Verluste und Existenznöte.

Die Kasse ist mit 1,9 Milliarden Euro gut gefüllt, und die Kosten sind so niedrig, dass drei Milliarden Euro Umsatz reichen, um Gewinn zu machen - dies versprach der Vorstand zumindest auf der Hauptversammlung. Im Geschäftsjahr 2012, das im September endete, waren es wohl 3,9 Milliarden Euro Umsatz.

Die Bereitschaft der Beschäftigten, dem Margenziel zuliebe Opfer zu bringen, ist deswegen eng begrenzt: "Es kann nicht sein, die Marge auf Kosten der Mitarbeiter retten zu wollen", sagt der Gesamtbetriebsrats-Vorsitzende Alfred Eibl. Immerhin hat Vorstandschef Ploss einige Erfahrung beim Ringen mit der Gewerkschaft. Vor seinem Aufstieg war der Ingenieur unter anderem Arbeitsdirektor bei dem Konzern. Vielleicht hilft das ja.

© SZ vom 06.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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