Argentinien:Geierfonds nutzen Schäuble als Kronzeugen

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Ein Plakat in Buenos Aires, das die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner zeigt. (Foto: Marcos Brindicci/Reuters)

Aggressive US-Investoren attackieren Argentinen, nun präsentieren sie einen neuen Kronzeugen: Wolfgang Schäuble. Die Politiker in Buenos Aires sind deshalb entrüstet und bezeichnen die deutsche Regierung als "feindselig".

Von Claus Hulverscheidt, Berlin, und Nikolaus Piper, New York

Als bedeutendem Menschen ist es Wolfgang Schäuble schon wiederholt passiert, dass er mit seinem Namen oder seinem Konterfei für Dinge herhalten musste, die ihm selbst so nicht in den Sinn gekommen wären. Vor zweieinhalb Jahren etwa tauchte ein Plakat auf, das ihn als Werbefigur eines bekannten Autovermieters zeigte. Und auf einem Flyer der Lippstädter Grünen musste er in seiner Zeit als Bundesinnenminister als Gesicht des Überwachungsstaats herhalten.

Dass ihn jemand als Kronzeuge gegen ein befreundetes Land in Stellung bringt, das allerdings hat auch Schäuble noch nicht erlebt - bis zu diesem Mittwoch. Da fand sich in gleich mehreren internationalen Tageszeitungen das ganzseitige Inserat einer Gruppe amerikanischer Finanzinvestoren, das in großen Lettern mit einem Zitat des Bundesfinanzministers überschrieben ist: "Ein Muster an Unsolidität", heißt es dort über einem großflächigen Bild, das die argentinische Präsidentin Cristina Kirchner gestikulierend und mit einem Mikrofon in der Hand auf dem Balkon ihres Palasts in Buenos Aires zeigt.

"Argentinien lebt seit Jahrzehnten über seine Verhältnisse."

Schäubles Aussage stammt vom Tag der Offenen Tür der Bundesregierung Ende August, als ihn eine Bürgerin nach seiner Meinung zum Streit zwischen der Regierung Kirchner und ihren Gläubigern fragte. Während die Äußerung in den deutschen Medien kaum Beachtung fand, sorgten sie in Argentinien für Wirbel. Aus den Berichten der dortigen Zeitungen zitiert nun der Urheber der Anzeige, die American Task Force Argentina, kurz ATFA, die das Land wegen ausstehender Zins- und Tilgungszahlungen verklagt hat.

"Argentinien lebt seit Jahrzehnten über seine Verhältnisse, bedient seine Schulden nicht, und das ist auch der Grund, warum es vom internationalen Zahlungsverkehr weitgehend abgeschnitten ist", wird Schäuble in dem Inserat inhaltlich korrekt widergegeben. "Weise Worte von einem", schreiben die Autoren der Anzeige dazu, "der das Rechtsstaatsprinzip noch wertschätzt, das unser globales Finanzsystem immer gestützt hat." Dass das Vorgehen der Investoren rechtlich begründet ist, von Kapitalismuskritikern aber dennoch moralisch in Frage gestellt wird, erwähnt die ATFA nicht.

Der Streit geht auf den Staatsbankrott Argentiniens im Jahr 2001 zurück. Damals stimmten 93 Prozent der Anleihebesitzer zähneknirschend einem Teilschuldenerlass zu. Eine kleine Gruppe aggressiver US-Hedge-Fonds, die nach der Insolvenz zu einem Spottpreis Anleihen gekauft hatten, verklagte die Regierung Kirchner dagegen auf die Zahlung von 1,5 Milliarden Dollar an Zinsen. Nach dem Urteil eines New Yorker Richters darf Buenos Aires die aktuellen Gläubiger erst dann bedienen, wenn zuvor die Fonds ihr Geld bekommen haben. Das lehnt Kirchner ab, weshalb ihr Land, technisch gesehen, erneut pleite ist.

Man streitet vor Gerichts - und in der Öffentlichkeit

Der Kampf zwischen den Finanzinvestoren - von Kritikern "Geierfonds" genannt - und der Präsidentin findet nicht nur vor Gericht statt. Es geht auch um die öffentliche Meinung. Bereits vor zwei Jahren hatten die Fonds eine aggressive Anzeige in US-Zeitungen geschaltet, seit vergangenen Jahr schlägt die argentinische Regierung zurück und veröffentlicht ebenfalls Inserate, unter anderem in Deutschland.

Die ATFA ist eine etablierte, als effektiv geltende Lobby-Gruppe in Washington. Zu den Mitgliedern hört mit Elliott Associates einer der nicht-kooperativen Fonds, Betreiber ist der Investor Paul Singer. Die ATFA-Gründer stammen aus dem linksliberalen Milieu und haben häufig Verbindungen zu Bill und Hillary Clinton. Zum Führungspersonal gehören Robert Shapiro, unter Präsident Clinton Wirtschaftsstaatssekretär, und Nancy Soderberg, einst Vize-Botschafterin bei den UN.

Unter den Mitgliedern fallen zwei Gruppen auf: die Interessenvertreter lateinamerikanischer Einwanderer und Lobbyisten der Viehwirtschaft. Dazu kommen etliche Hedge- und Private-Equity-Fonds sowie einige Vermögensverwalter. Zwei Interessen scheinen die Mitglieder zusammenzuhalten: Die einen haben direkt oder indirekt Geld an Argentinien verliehen, die anderen sind Konkurrenten der argentinischen Fleischindustrie.

Kirchners Kabinettschef Jorge Capitanich bezeichnete die Haltung der Bundesregierung gegenüber Argentinien am Mittwoch als "feindselig". Schäuble, der von der ATFA-Anzeige dem Vernehmen nach nichts wusste, wies das zurück. "Wir sind nicht Teil des Verfahrens und unterstützen auch keine der beiden Seiten", sagte ein Sprecher.

© SZ vom 25.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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