Arcandor-Tochter Karstadt:Eine riskante Beziehung

Lesezeit: 3 min

Den Ruf hat Karstadt bei vielen Lieferanten längst ruiniert. Doch was machen die Lieferanten jetzt nach der Pleite?

Elisabeth Dostert

Solche Äußerungen gefallen seinem Vertriebschef gar nicht, der muss schließlich mit den Einkäufern von Karstadt reden. Aber Stephan Koziol, Chef des Geschenkeartikelherstellers Koziol, ist nicht mehr zu halten.

Arcandor geht in die Insolvenz, die Mitarbeiter bangen um ihre Jobs. (Foto: Foto: Reuters)

"Dass Politiker überhaupt darüber nachdenken, Arcandor oder einer anderen insolventen Firma einen Euro zu geben, ist für mich als Unternehmer unfassbar, eine glatte Ohrfeige", ereifert sich der Mittelständler aus dem Odenwald.

"Die Schieflage bei Karstadt ist doch keine Folge der Finanzkrise". Und dann erzählt er: "Die Einkäufer haben uns schon vor zwei Jahren gesagt: Wir sind bankrott und können nur noch dann einkaufen, wenn wir die Ware in Kommission erhalten".

"Es geht doch um die Sache"

Das heißt, die Rechnung wird erst beglichen, wenn die Ware wirklich verkauft wurde. "Wir liefern jährlich Waren für ein paar Zehntausend Euro an Karstadt", sagt Koziol. "Um die Dekoration unserer Regale und Verkaufsflächen kümmert sich Karstadt schon lange nicht mehr. Dafür ist doch gar kein Personal mehr da. Das müssen wir selbst machen", schimpft Koziol.

Koziol beschäftigt 170 Mitarbeiter und er spricht für viele Mittelständler, denn er ist auch Vorsitzender des Europäischen Verbandes Lifestyle. Ihm gehören rund 100 Konsumgüter-Hersteller an, Firmen wie Leonardo, Reisenthel oder Sigikid. Bei Karstadt sollten Koziol zufolge erst einmal die Eigentümer ran. "Wenn ich morgen zur Bank gehe, muss ich erst einmal nachweisen, dass meine Zahlen stimmen, sonst bekomme ich kein Geld und das ist auch gut so."

Für viele Lieferanten kommt die Schieflage von Karstadt nicht überraschend. Aber nur die wenigsten wollen sich dazu äußern. Sie bangen um ihr Geschäft. Koziol weiß, dass er mit solchen Worten die Kündigung riskiert. "Aber es geht doch um die Sache", sagt er.

Wie groß die Einkaufsmacht von Karstadt ist, lässt sich nur schwer schätzen. Das Einkaufsvolumen beläuft sich auf einige Milliarden Euro, es gibt mehrere hundert Lieferanten. Karstadt lässt sich Zeit mit den Antworten auf solche Fragen. "Solche haben wir bislang nicht beantwortet", entgegnet ein Sprecher.

Das Ansehen von Karstadt schwindet seit langem. Auf der Bonitätsskala der Auskunftei Creditreform rutschte die Arcandor-Tochter binnen weniger Tage um mehr als hundert Punkte auf 500 Ende vergangener Woche. Seit Dienstag liegt sie bei 600. Das ist - ähnlich wie im Schulnotensystem - der schlechteste Wert und bedeutet Insolvenz. "Die Zahlungsmoral von Karstadt ließ seit geraumer Zeit zu wünschen übrig", sagt ein Creditreform-Sprecher.

"Viele Lieferanten, wenn sie sich ihre Ware nicht gesichert, schauen jetzt erst einmal in die Röhre."

"Werden die Lieferung nun erst einmal einstellen"

Insolvenzverwalter und -gericht werden jetzt erst einmal prüfen, was noch an Masse, heißt verwertbarem Vermögen, für die Gläubiger und die Sanierung noch zu Verfügung steht. "Im schlimmsten Fall werden den Lieferanten am Ende nur noch zwei bis drei Prozent ihrer Forderungen beglichen", heißt es.

"Wir werden die Lieferung nun erst einmal einstellen, bis wir mit dem Insolvenzverwalter geredet haben", sagt ein Sprecher des westfälischen Damenmodehersteller Gerry Weber. In der zweiten Juni-Hälfte stünde die Auslieferung der Herbst/Winter-Kollektion an. Ein Teil der Ware ist bereits produziert. "Sollte uns der Insolvenzverwalter nicht schnell signalisieren, dass er die Ware abnimmt, werden wir, um unser Risiko zu mininieren, andere Absatzwege suchen müssen", so der Gerry-Weber-Sprecher.

"Bis vor zehn Tagen liefen die Geschäfte noch normal. Karstadt zahlte die Rechnungen pünktlich binnen zehn Tagen. Unsere Rechnungen sind weitgehend beglichen." Preisnachlässe gewähre Gerry Weber nicht. "Die bekommt von uns kein Kunde."

Neben Kaufhof sowie den zwar namensgleichen, aber rechtlich unabhängigen Firmen Peek & Cloppenburg aus Düsseldorf und Hamburg zählt Karstadt zu den vier größten Kunden von Gerry Weber. Im vergangenen Geschäftsjahr bestellte Karstadt Mode und Accessoires für 16 Millionen Euro in Halle. Insgesamt setzte die Gruppe 2007/2008 mit 2300 Mitarbeitern 570 Millionen Euro um. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Abnehmer von Gerry Weber pleite geht.

Vergangenen Sommer musste der Kunde Sinn-Leffers, er gehörte bis 2005 zum Arcandor-Vorläufer Karstadt-Quelle, Insolvenz anmelden. Nach einer kurzen Unterbrechung lief das Geschäft mit Gerry Weber weiter. Der Insolvenzverwalter garantierte die Begleichung der Rechnungen. "Der Insolvenzverwalter wird die Geschäfte erst einmal weiterführen. Und selbst nach Ende des Verfahrens bricht nicht das ganze Geschäft weg", heißt es bei Gerry Weber: "Wir gehen davon aus, dass ein Gros der Filialen fortgeführt wird."

"Die Zeit für solche Warenhauskonzepte ist vorbei. Die retten auch 400 Millionen oder eine Milliarde Euro nicht", sagt Stephan Koziol: "Da kann einer noch so schöne Reitpeitschen herstellen, wenn die Leute auf das Auto umsatteln, kauft sie niemand mehr. Die Händler müssen bieten, was dem Verbraucher gefällt."

© SZ vom 10.06.2009/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Arcandor
:Ein großer Gemischtwarenladen

Das Insolvenzverfahren bei Arcandor hat begonnen - und viele Traditionsmarken sind bedroht. Was sich genau hinter dem abstrakten Konzernnamen verbirgt - ein Überblick in Bildern.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: