Welches war noch mal die schönste Freude? Vorfreude, sagt Google, zumindest spuckt die Suchmaschine, als virtueller Publikumsjoker missbraucht, hierzu etwa 185.000 mehr Treffer aus als bei seinem Konkurrenten, der Schadenfreude. Vielleicht hat sie recht. Möglicherweise war die Vorfreude der Apple-Kunden auf das kürzlich erschienene iPhone 5 tatsächlich größer als die Häme, die sich jetzt auf Technikblogs und ausgewählten Twitterkanälen über den Konzern ergießt. Denn in Mexiko, heißt es dort, sei das sehnsüchtig ersehnte iPhone 5 gar nicht zu haben. Es dürfe überhaupt nicht verkauft werden! Der Grund: ein Rechtsstreit mit der Telekommunikations-Firma iFone, den Apple offenbar verlor.
Deutsch- und englischsprachige Quellen berufen sich auf die mexikanische Tageszeitung El Universal. Demnach hatte Apple den mexikanischen Telekom-Anbieter im Jahr 2009 verklagt, da die Namen iFone und iPhone zu ähnlich klangen. Doch iFone hatte seinen Markennamen bereits im Jahr 2003 registriert - etwa vier Jahre, bevor das Apple-Smartphone auf den Markt kam. Insgesamt dreimal versuchte der Großkonzern, gegen iFone vorzugehen. Immer wieder war er erfolglos, iFone darf weiter iFone heißen, nichts zu machen. Daran ändert auch das gerade gefällte Urteil eines Gerichts in Mexiko-Stadt nichts.
"Wer anderen eine Grube gräbt..."
"Ich kann mir meine Häme kaum verkneifen", kommentiert die Technikseite mobilegeeks, auf einer anderen Webseite heißt es: "Wer anderen eine Grube gräbt...". Spott und Spitzen überall. Kaum jemanden scheint der Kratzer im glanzweißen Lack des Unternehmens zu stören, dessen Geschäfte Assoziationen zu den Eissälen der Schneekönigin aus Andersens gleichnamigem Märchen wecken. "Nicht jeder lässt sich verapplen", lautet einer unter vielen Tweets, die hämisch über die Niederlage des Unternehmens herziehen. Und Rechtsstreitigkeiten, schreibt ein amerikanisches Technikportal, seien eben ein zweischneidiges Schwert.
Denn es ist nichts Außergewöhnliches, dass Apple seine Marke so verbissen verteidigt wie ein streunender Hund sein Territorium. Der langwierige Patentstreit zwischen Samsung und Apple etwa wurde allerdings unter anderen Bedingungen geführt: Glanz gegen Glamour, glattes Weiß gegen weißes Glatt, am Ende perlt jede Gefühlsregung des Einzelnen, des Endnutzers an der Glanz-Oberfläche der Smartphones ab. Nicht so in diesem Fall. Ein kleineres mexikanisches Unternehmen begehrt gegen den amerikanischen Großkonzern auf. Dem haftet etwas Rebellisches an, ein Hauch von Heldentum. Im Netz keimt der Wunsch eines David-gegen-Goliath-Szenarios auf. Daher der Hohn. Einmal, nur einmal, könnte doch der Underdog gewinnen.
Zu schön, um wahr zu sein
Doch was ist nun dran an der größten, der für Apple schmerzhaftesten Schlagzeile des Verkaufsstops in Mexiko? Zunächst weniger als erhofft. Auf der mexikanischen Apple-Webseite lässt sich das neue Smartphone problemlos erwerben. Auch die Geschäfte scheinen Exemplare des iPhones auf Lager zu haben. The Verge, eine amerikanische Webseite für Techniknachrichten, versucht sich an einer Erklärung unter dem Titel "Was da wirklich vor sich geht". Bei dem Verkaufsstop handele es sich lediglich um eine Forderung, die iFone-Anwalt Eduardo Gallastegui vorgebracht habe. Nachgekommen sei das Gericht dieser jedoch noch nicht. Zudem verlangte Gallastegui Schadensersatz, und zwar nicht weniger als 40 Prozent des Umsatzes, den Apple mit seinem iPhone in Mexiko macht.
Auch die aufgeregt publizierte Überschrift, Apple habe den Namen iPhone in Mexiko verloren, ist so nicht ganz richtig. Denn, so steht es bei The Verge erklärt, Schutzmarken sind in verschiedene, nummerierte Klassen eingeteilt. Und während Apple die Marke "iPhone" in Mexiko in den Klassen 9 (greift bei Computern, Software, Kameras und Mobiltelefonen) und 28 (hierunter fallen elektronische Spielkonsolen) besitzt, hat sich iFone die Klasse 38 gesichert. Diese greift bei Telekommunikationsdiensten. Den Namen besitzt Apple also weiterhin - in zwei statt drei Klassen. Und ob die Firma allein aufgrund dieser einen Kategorie einen Verkaufsstop durchsetzen kann, scheint fraglich.
"Ich denke, Apple und iFone werden sich irgendwann einigen und wir werden nie wieder etwas darüber hören", vermutet Verge-Autor Nilay Patel. "Die Geschichte schien zu schön, um wahr zu sein - und ist es auch." Schade eigentlich. Denn irgendwie hätte man es diesem mexikanischen Aufständischen, der sich weder um die englische Rechtschreibung noch um den Smartphonegott in Weiß schert, seinen David-Moment gegönnt.