Dass das Rauchen nicht direkt gesundheitsfördernd ist, sondern die ein oder andere unschöne Spätfolge nach sich ziehen kann, ahnte mancher Zigarettenliebhaber schon in den Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts. So richtig im Sinkflug begriffen ist die Anzahl der Nikotinfreunde in Deutschland aber erst, seit die Hersteller 2003 dazu verpflichtet wurden, übergroße martialische Warnhinweise auf die Verpackungen zu drucken.
Diese Erfolgsstrategie will die Bundesregierung nun auf dem sogenannten grauen Kapitalmarkt wiederholen, jenem Teil der Finanzindustrie also, der nicht von der Banken-, der Versicherungs- oder der Wertpapieraufsicht erfasst wird und auf dem sich neben absolut seriösen auch viele höchst dubiose Anbieter tummeln. "Diese Anlage kann zum Totalverlust Ihres Kapitals führen" - so oder ähnlich soll die Mahnung lauten, mit denen Anbieter alternativer Vermögensanlagen ihre Anzeigen in Zeitungen oder Zeitschriften von Mitte kommenden Jahres an versehen müssen.
Ausgelöst wurden die Aktivitäten der Politik durch die Pleite des Windanlagenplaners Prokon, dem 75 000 gutgläubige Privatanleger insgesamt 1,4 Milliarden Euro geliehen hatten. Sie setzten auf die Zusicherungen des charismatischen Firmenchefs Carsten Rodbertus, auf den Werbespruch, Prokon-Genussscheine seien die perfekte "Alternative zur Bank oder Lebensversicherung" - und auf sechs bis acht Prozent jährliche Rendite, die ihnen in Postwurfsendungen, Zeitungsannoncen und auf U-Bahn-Plakaten versprochen wurden. Statt sechs bis acht Prozent sind jetzt bis zu 70 Prozent möglich - aber nicht an Rendite, sondern an Kapitalverlust.
Reklame muss Warnhinweise enthalten
Um solche Fälle in Zukunft zu verhindern, soll die Werbung für Genussscheine, Direktdarlehen, Schiffsbeteiligungen und alle andere Produkte des grauen Kapitalmarkts deutlich beschränkt werden. Fernsehspots dürfen nur noch im "Umfeld" von Wirtschaftsmagazinen gesendet, Zeitungsanzeigen müssen mit dem erwähnten Warnhinweis versehen werden. Werbung per Postwurf, am Telefon, in der U-Bahn und auf Bussen wird verboten.
Darüber hinaus werden die Befugnisse der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) beim sogenannten kollektiven Verbraucherschutz erweitert. Die Behörde soll künftig immer dann eingreifen können, wenn der Verdacht besteht, dass ein Produkt zweifelhaft ist oder Anleger systematisch geschädigt werden. Der Instrumentenkasten reicht dabei von Verkaufsbeschränkungen für einzelne Vermögensanlagen bis hin zu völligen Vertriebsverboten. Besteht der Verdacht auf ein Schneeballsystem, bei dem ein Unternehmen die Einzahlungen neuer Anleger für die Auszahlungen an Altinvestoren benutzt, kann die Bafin eine umfassende Wirtschaftsprüfung anordnen.
Mehr Sicherheit für den Anleger soll zudem die Einführung einer Prospektpflicht für alle Vermögensanlagen bringen. Der Prospekt muss ausführlich über Sinn und Zweck der einzelnen Anlage, die Ertrags- und Renditeaussichten sowie die Risiken informieren und regelmäßig aktualisiert werden. Bringt das Unternehmen die Informationen nicht einmal pro Jahr auf den neuesten Stand, kann die Bafin die Öffentlichkeit darüber unterrichten.
Um neue Finanzierungsformen nicht vom Markt zu drängen, soll es für das sogenannte Crowdfunding, die Finanzierung gemeinnütziger Projekte, sowie für Genossenschaften Ausnahmen von der Prospektpflicht geben. Beim Crowdfunding, also dem projektbezogenen Sammeln kleiner Beträge über das Internet, soll kein Prospekt oder Informationsblatt erforderlich sein, wenn das Gesamtdarlehen die Summe von einer Million Euro nicht übersteigt, die einzelnen Anleger maximal 1000 Euro und Anlegergruppen nicht mehr als 10 000 Euro beisteuern. Auch muss die Vermögens- und Einkommenssituation des Investors berücksichtigt werden. Geplant ist auch eine Mindestlaufzeit für Vermögensanlagen von zwei Jahren - ergänzt durch eine ausreichende Kündigungsfrist.
Mit dem Paket hat die Bundesregierung nach eigener Einschätzung die nötige Balance zwischen dem Wunsch risikobereiter Kapitalanleger nach höheren Renditen und dem notwendigen Schutz der Verbraucher geschaffen. Manche Anbieter hätten sich in der Vergangenheit gezielt den grauen Kapitalmarkt ausgesucht, um Erlösaussichten schönen und Risiken kleinreden zu können. Damit sei nun Schluss. "Aus dem grauen Kapitalmarkt wird ein klarer, transparenter Markt", sagte ein ranghoher Regierungsbeamter. Einen vollständigen Schutz allerdings könne und soll es nicht geben, hieß es an anderer Stelle. "Es muss klar sein: Höhere Renditen sind ohne höheres Risiko nicht möglich."
Das Bundeskabinett will den Entwurf des sogenannten Kleinanlegerschutzgesetzes an diesem Mittwoch verabschieden. Danach wird es Bundesrat und Bundestag zugeleitet, mit einem Beschluss beider Parlamentskammern ist im kommenden Frühjahr zu rechnen. In Kraft treten könnte das Gesetz dann Mitte des Jahres.
Experten wie die der Stiftung Warentest raten Anlegern, die eine sichere Geldanlage suchen, trotz aller gesetzlichen Verbesserungen von vielen Produkten des grauen Kapitalmarkts ab. Genussrechte etwa suggerierten, dass die Anleger durch den Kauf des Wertpapiers anteilig Eigentümer eines Sachwerts würden, also zum Beispiel einer Windkraftanlage. Dem sei aber nicht so. Vielmehr würden die Investoren lediglich "stille Teilhaber" ohne jedes Mitspracherecht bei unternehmerischen Entscheidungen. Im Fall Prokon etwa hatten die Warentester schon 2010, vier Jahre vor der Insolvenz, ein unmissverständliches Urteil gefällt: "Entgegen Prokons Behauptung sind die Genussrechte auf keinen Fall eine Alternative zu sicheren Spareinlagen."