Anhörung vor dem Bundesverfassungsgericht:"Griechenland-Hilfen sind ein Fass ohne Boden"

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Milliarden-Zahlungen an Griechenland stoppen - das fordern der CSU-Abgeordnete Gauweiler und Juristen vor dem Bundesverfassungsgericht. Finanzminister Schäuble sieht sie im Unrecht und hält bei der Anhörung in Karlsruhe dagegen.

Sind die Milliarden-Pakete für Griechenland rechtens? Mit dieser Frage beschäftigt sich an diesem Dienstag das Bundesverfassungsgericht. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat in Karlsruhe die Rettungspakete für Griechenland und die anderen Euro-Staaten in Not verteidigt. "Eine gemeinsame Währung kommt nicht ohne Solidarität der Mitglieder aus", sagte Schäuble in der mündlichen Verhandlung. Das Gericht will klären, ob die deutsche Beteiligung an den Hilfsmaßnahmen rechtens ist und ob dagegen überhaupt geklagt werden kann.

Blick in den Verhandlungssaal des Bundesverfassungsgerichts. (Foto: dpa)

Die Auswirkungen der Krise auf die Stabilität des Finanzsystems hätten sich nicht abschätzen lassen, sagte Schäuble weiter. Die Solidarität der Staaten müsse klaren Regeln gehorchen und helfen, die Ursachen der Probleme zu beseitigen. Angesichts einer drohenden Zahlungsunfähigkeit habe sich den Regierungen die Frage gestellt, ob die Finanzmärkte die Belastung einer Pleite Griechenlands ausgehalten hätten. Das deutsche Parlament sei bei der Rettung nicht übergangen worden. "In Deutschland wird keine maßgebliche Maßnahme ohne den Bundestag beschlossen", sagte Schäuble.

Prozessbeteiligte sind der CSU-Politiker Peter Gauweiler und eine Gruppe von Professoren. Sie haben in Karlsruhe gegen die deutsche Beteiligung an den Hilfspaketen geklagt und werfen der Bundesregierung schwere Rechtsbrüche: Sie bezweifeln, dass diese Entscheidungen demokratisch legitimiert sind - und sehen zudem das Grundrecht auf Eigentum verletzt. Ihren Eilantrag hatte das Bundesverfassungsgericht bereits im Mai 2010 abgeleht ( Aktenzeichen 2 BvR 987/10).

Dietrich Murswiek, der Prozessvertreter des klagenden CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler, griff in seinen Äußerungen zu einer drastischen Metapher: "Den Euro zu retten, indem man die Fundamentalnormen der Währungsverfassung zerstört, das ist so, als wolle man einen Wasserschaden beheben, indem man das Haus in die Luft sprengt."

Auch das Grundgesetz sei verletzt worden, sagte Murswiek. So habe das deutsche Gesetz zum Euro-Rettungsschirm gar keine demokratische Legitimation. Denn der Bundestag habe es in einer Zwangssituation beschlossen, in der er zu einer freien Entscheidung nicht mehr in der Lage gewesen sei. Zudem verstoße das Gesetz gegen das Haushaltsrecht des Parlaments. Die Frage sei, ob man deutsches Verfassungsrecht brechen dürfe, um einen "übereuropavertraglichen Notstand" zu beheben. In Wirklichkeit hätten mit dem Rettungsschirm doch nur die Risiken einiger Großbanken aufgefangen werden sollen.

Beschwerdeführer Albrecht Schachtschneider berief sich sogar auf das Widerstandsrecht, das nach dem Grundgesetz jedem Bürger bei Abschaffung des Wesensgehalts der Verfassung zusteht. "Wir versuchen die Verfassung zu verteidigen, die Verfassung der Freiheit, der Demokratie, des Sozialstaats und des Rechtsstaats." Der Euro-Rettungsschirm und die Griechenland-Hilfen seien "ein Fass ohne Boden".

Regierungskoalition zuversichtlich

Dass Karlsruhe die Zahlungen an Griechenland stoppt, halten Fachleute für unwahrscheinlich. Das Gericht könnte eher anmahnen, den Bundestag mehr einzubeziehen oder eine bessere, verfassungskonforme Lösung für die Zukunft einfordern.

Dementsprechend entspannt schaut die Regierungskoaliton nach Karlsruhe. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Peter Altmaier (CDU), äußerte sich vor der Verhandlung zuversichtlich: "Ich bin sehr gelassen, weil ich mehrfach erfahren habe, dass das Bundesverfassungsgericht sich zur europäischen Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland immer wieder bekannt hat", sagte Altmaier. "Soweit ich es als Jurist sehe, haben wir gute Argumente."

Bundesverfassungsgericht will keine Wirtschaftsdebatte

Zu Beginn der Anhörung hat der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, klar gemacht, worum es der Judikative geht: Wirtschaftsfragen werden in der Verhandlung keine Rolle spielen, ebensowenig werde über die Zukunft Europas und die richtige ökonomische Strategie zur Bewältigung der Staatssschuldenkrise verhandelt, sagte Voßkuhle. "Das ist Aufgabe der Politik und nicht der Rechtssprechung". Das Gericht müsse aber die Grenzen ausloten, die das Grundgesetz der Politik bei der Bewältigung dieser Aufgabe setze.

In diesem Pilotverfahren werden die Karlsruher Richter nicht nur die deutschen Gesetze zur Finanzhilfe für Griechenland und den Euro-Rettungsschirm EFSF prüfen, sondern sich vor allem mit dem Budgetrecht des Bundestages befassen. Ein Urteil wird im Herbst erwartet.

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