Amazon-Gründer Jeff Bezos:Der Besessene

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"Der Allesverkäufer", so heißt die neue Biographie über Jeff Bezos. (Foto: AFP)

Geschäftspartner jagt er wie "kranke Gazellen", Mitarbeiter bekommen Strafpunkte und seine Milliarden investiert er in Höhlenbären aus der Eiszeit. Jeff Bezos ist fies und gnadenlos. In der jetzt erschienenen Biographie über den Amazon-Gründer finden sich noch einige andere Schattenseiten.

Von Kathrin Werner, New York

Er ist schmal, kahl und kommt unauffällig daher, aber er hat einen Sinn für Größe. Oder vielmehr: für das Größte, für die Superlative: "Er ist nicht nur der größte Fluss der Welt, er ist um ein Vielfaches größer als der nächstgrößte. Er schlägt alle anderen Flüsse aus dem Feld", sagte Jeff Bezos einmal über den Amazonas. Der Name für sein Unternehmen war damit gefunden: Amazon.

Bezos ist eine der spannendsten Figuren der Wirtschaftswelt: Der Multimilliardär und Technikfreak gründete nicht nur Amazon, sondern noch andere Unternehmen. Kürzlich kaufte er die Washington Post - aus seinem Privatvermögen. Amazon startete er einst in seiner Garage in Seattle. Heute ist der Internethändler einer der mächtigsten Konzerne der Welt und an der Börse gut 150 Milliarden Dollar wert. Starinvestor Warren Buffett nennt Bezos den "besten Unternehmenschef im ganzen Land". Andere sagen, sein Genie sei nur mit dem des verstorbenen Apple-Chefs Steve Jobs vergleichbar.

Der amerikanische Journalist Brad Stone hat sich an eine Biografie des komplexen Charakters gewagt. Sie heißt "Der Allesverkäufer" und ist vor wenigen Tagen in Deutschland erschienen. Bezos hat Stone gewarnt, der Komplexität des Themas nicht auszuweichen. Bezos hasst nichts so sehr wie Oberflächlichkeit. Das Buch hat nun 399 Seiten. Statt es sich einfach zu machen, hat Stone Fakten über Bezos ausgegraben, die man zuvor nicht kannte.

Gar nicht nett

Jeff Bezos ist kein Kuschel-Manager. Sein Unternehmen wollte er erst Relentless.com nennen. Relentless heißt gnadenlos. Wer Relentless.com in den Browser tippt, landet noch immer bei Amazon. Gnadenlos ist Bezos nach außen und innen. Konkurrenten will er zerstören, Geschäftspartner immer bis zur Schmerzgrenze oder darüber hinaus herunterhandeln.

Kleinere Buchverlage zum Beispiel, die ohne Amazon-Verkäufe nicht leben können, sollen Amazon bessere Konditionen geben. Bezos nennt dies das "Gazellen-Projekt", weil Amazon die Kleinverleger jagen soll wie ein Gepard eine kranke Gazelle.

Auch zu Mitarbeitern ist Bezos gnadenlos. Die Arbeitszeiten sind lang, die Fluktuation ist hoch. "Wenn du nicht gut bist, frisst Jeff dich und spuckt dich aus", sagt ein Mitarbeiter laut Stones Buch. "Und wenn du gut bist, dann springt er dir auf den Rücken und reitet dich zuschanden." Bezos macht gern fiese Sprüche: "Wenn ich das noch mal höre, tu' ich mir etwas an" oder "Wieso wollen Sie mir mein Leben ruinieren?" oder "Sind Sie faul oder nur inkompetent?"

Nicht nur seine Manager, auch die Arbeiter in den Amazon-Versandzentren müssen einiges aushalten - bei niedrigsten Löhnen. Er hat einen Strafkatalog eingeführt mit einem Punktesystem. Bei sechs Punkten folgt die Entlassung, schon eine Krankmeldung kostet einen Punkt. Statt Klimaanlagen leistete sich Amazon in früheren Zeiten in den heißen Lagerhallen lieber einen Rettungswagen, der die kollabierten Arbeiter abtransportierte.

Arbeit über alles

Bezos kann sich gut konzentrieren, er ist geradezu besessen von der Arbeit. Kunden können ihm Beschwerden schicken unter der Adresse jeff@amazon.com. Er liest sehr viele dieser E-Mails und leitet sie an zuständige Manager weiter. Sie haben dann nur einen einzigen Inhalt: ein Fragezeichen. Von seinen Mitarbeitern erwartet er die gleiche Besessenheit, Stone nennt es einen "Arbeit-über-alles-Ethos".

Teure Spleens

Bezos liebt Science-Fiction und irre Wissenschaft. Von seinem Vermögen von derzeit rund 30 Milliarden Dollar geht einiges für solche Projekte drauf. Er träumt davon, dass die Menschheit irgendwann ihren Heimatplaneten verlässt und das All besiedelt. Im Nebenjob hat er Blue Origin gegründet, das Unternehmen aus Seattle baut eine Rakete für Weltraumreisen.

Er kauft auch gern mal Spielzeug. Auf Amazons Marktplatz, einem Ebay-Rivalen, erstand er etwa ein Skelett eines Höhlenbären aus der Eiszeit, "komplett", schreibt Stone, "mit Penisknochen" für 40 000 Dollar. 42 Millionen Dollar investierte Bezos in eine riesige Uhr im Inneren eines Bergs in Texas, sie soll 10 000 Jahre lang die Zeit messen. Und auf dem Grund des Atlantiks lässt er Forscher nach der Apollo-11-Rakete suchen.

Der vergessene Vater

Seine Mutter ist 17 Jahre alt, als er 1964 auf die Welt kommt in Albuquerque. Sein Vater trat mit Einrad-Nummern im Zirkus auf, trank gern mal einen und verdiente kein Geld. Als Bezos noch ganz klein war, verbannte seine Mutter den Vater aus dem Leben der Familie. Biografie-Autor Stone stöberte ihn auf, er wusste noch nicht einmal, wer sein Sohn ist und wie erfolgreich er geworden ist.

Als Bezos vier war, heiratete seine Mutter einen Einwanderer aus Kuba, der ihren Sohn adoptierte - von ihm kommt auch der Name. Schon früh war klar, dass der kleine Jeff Bezos hochbegabt ist. Statt einfach nur Karussell zu fahren, studierte er dessen Mechanik. In der Schule war er in einem Hochbegabten-Förderprogramm. Er trieb Sport, liebte "Star Trek", spielte Schach und hatte viele Freunde. Später jobbte er bei McDonald's und bei einer Nachbarin, die Hamster züchtete - Bezos reinigte die Käfige.

Sein Lieblingsbuch

Bezos ist der größte Buchhändler der Welt - und er liebt Bücher, wenn auch nicht unbedingt klassische Literatur. Er verschlingt Science-Fiction-Romane ebenso wie Wirtschafts-Fachliteratur. "Er saugt Bücher in sich auf und verarbeitet methodisch jedes Detail", schreibt Stone. Sein Lieblingsbuch ist "Was vom Tage übrig blieb" von Kazuo Ishiguro, die Geschichte eines Butlers, der sich nostalgisch an seine Dienstzeit erinnert.

Musik dagegen interessiert Bezos überhaupt nicht. In der Schule lernte er die Senderkennungen von Radiostationen auswendig, um zumindest ein bisschen mitreden zu können. Und vor einer langen Autofahrt mit Kollegen kaufte er stapelweise CDs aus der Grabbelkiste eines Supermarkts, als sei ihm völlig gleich, um welche Musik es sich handelt.

Tödliches Lachen

Bezos' Lachen ist legendär. "Es ist ein pulstreibendes Wiehern", schreibt Stone, "ein gutturales Brüllen" und "eine Kreuzung zwischen dem Paarungsschrei eines Seeelefanten und eines Elektrobohrers". Aber es ist nicht immer freundlich, Bezos lacht auch, wenn sonst niemand lacht. "Man kann es unmöglich missverstehen", sagt Ex-Technik-Chef Rick Dalzell. "Es ist so entwaffnend wie tödlich. Er bestraft einen damit." Sein leiblicher Vater lacht genauso.

Privat ist privat

Aus seinem Privatleben macht Bezos keine Schau. Er lebt mit seiner Frau MacKenzie, einer Schriftstellerin, und den vier Kindern in der abgeriegelten Reichensiedlung Medina bei Seattle, in einem großen Anwesen an einem See. Die Familie hat außerdem Immobilien in Aspen, New York, Beverly Hills sowie eine Ranch in Texas. Trotzdem fährt sie einen Honda-Van, und Bezos Frau bringt morgens oft die Kinder zur Schule und setzt ihn dann bei der Arbeit ab. Amazon gibt aber 1,6 Millionen Dollar pro Jahr für die Sicherheit der Familie aus.

© SZ vom 26.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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