Zentrale Lage, gute Infrastruktur, gewachsener Kiez: Alte Häuser oder Wohnungen punkten oft mit guten Einkaufsmöglichkeiten, Ärzten, Kindergärten und Schulen in der Nähe. Aber meist entsprechen der Energieverbrauch, die Bausubstanz oder der Schallschutz des Gebäudes nicht mehr dem heutigen Standard. Auch bei den Grundrissen hatten frühere Generationen andere Vorstellungen. Wer ein altes Haus geerbt hat oder kaufen will, steht also vor der schwierigen Entscheidung: Ist es langfristig wirtschaftlicher, das Haus zu sanieren oder es abzureißen und neu zu bauen?
Wer eigene Ideen verwirklichen will, ist mit einem Neubau besser dran
Die von der Bauindustrie in Auftrag gegebene Studie "Bestandsersatz 2.0 - Potenziale und Chancen" gibt eine Antwort: Kostet eine Modernisierung 2500 Euro pro Quadratmeter oder mehr, lohnen sich nur noch Abriss und Neubau. Denn bereits für 2200 bis 2700 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche lasse sich ein Mehrfamilienhaus neu errichten. Bei etwa zehn Prozent des Wohnungsbestands in Deutschland rechne sich eine Modernisierung nicht mehr. Etwa zwei Drittel dieser Immobilien stammen aus den 1950er- bis 1970er-Jahren, konstatiert die von der ARGE Kiel und dem Pestel-Institut Hannover erstellte Studie aus dem Jahr 2016.
Doch so einfach, wie die Studie das sieht, ist die Sache nicht: "Natürlich kann ein Eigentümer seine Entscheidung über eine reine Kostenkalkulation pro Quadratmeter treffen", sagt Christoph Windscheif vom Bundesverband Deutscher Fertigbau in Bad Honnef. Aber die Frage, ab welcher Kostengrenze der Abriss lohne, sei nicht pauschal zu beantworten. Als Richtwert gilt laut Windscheif bei Fachleuten: "Entsprechen die Umbaukosten mindestens 75 Prozent der Neubaukosten, ist der Abriss wohl die bessere Option."
"Beim Abriss und Neubau hat der Bauherr die Möglichkeit, sein persönliches Traumhaus mit individuellem Grundriss und der gewünschten Ausstattung auf das Grundstück zu bauen", nennt Windscheif ein Argument pro Abriss. Ein anderer wichtiger Aspekt: Ein neues Haus ist technisch auf dem neuesten Stand, etwa bei der Wärmedämmung oder dem Schallschutz. Und ein zeitgemäßer Einbruchsschutz und Barrierefreiheit lassen sich von Anfang an einfach mitplanen.
Es sprechen aber auch viele Gründe für eine Altbau-Modernisierung. "Wer ein Haus hochwertig saniert, spart Ressourcen und schont die Umwelt, da deutlich weniger Baumaterialien und in der Gesamtrechnung weniger Energie als für einen kompletten Neubau nötig sind", sagt der Architekt Ulrich Zink vom Bundesarbeitskreis Altbauerneuerung (Baka). Es gehe aber auch um den Erhalt kultureller Werte und historischer Architektur. "Wo es möglich ist, sollte ein Altbau mit neuen Materialien energieeffizient saniert und modernisiert werden", findet Zink. "Schließlich verlängert sich der Lebenszyklus eines Gebäudes nach einer umfassenden Sanierung um weitere 100 Jahre." Dazu kommt: Nicht immer ist ein Abriss unproblematisch machbar: "Abriss und Neubau ist bei vermieteten Objekten nur eine sinnvolle Alternative, wenn die Gebäude leer stehen", sagt Alexander Wiech vom Eigentümerverband Haus & Grund in Berlin. Denn die meisten privaten kleinen Vermieter könnten ihren Mietern keine Ersatzwohnung anbieten. Hier müsse in der Regel modernisiert werden.
Die Entscheidung pro oder contra Sanierung einer Immobilie hängt also von zahlreichen Faktoren ab: vom baulichen Zustand, den verfügbaren finanziellen Mitteln, dem angestrebten energetischen Niveau, aber auch von den ästhetischen und architektonischen Vorstellungen. Um die richtige Entscheidung treffen zu können, empfiehlt Christian Stolte, Bereichsleiter Energieeffiziente Gebäude der Deutschen Energie-Agentur (Dena) in Berlin: "Lassen Sie den Fachmann kommen, der die verschiedenen Alternativen mit Ihnen durchrechnet."
Für die Bewertung von energetischen Maßnahmen, auch für die Frage, in welchem Zeitraum sie sich voraussichtlich rechnen, ist ein qualifizierter Energieberater zu empfehlen, heißt es bei der Dena. Wer sich energetische Modernisierungsmaßnahmen von der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) oder dem Bafa (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) fördern lassen will, sollte einen Sachverständigen aus der Energieeffizienz-Expertenliste für Förderprogramme des Bundes zurate ziehen. Für eine weitergehende Bewertung baukonstruktiver Fragen könne der Bauherr sich auch an die Architekten- oder Ingenieurkammern des jeweiligen Bundeslandes wenden: "Architekten und Ingenieure haben bei Gebäuden natürlich auch eine breite Expertise", betont die Dena. Und Immobiliengutachter könnten mit ihrer umfassenden Marktanalyse bei der Wertermittlung eines Wohnhauses helfen, also die Lage, den baulichen Zustand, die Ausstattung oder auch den Denkmalschutz mitberücksichtigen. Gerade im Falle denkmalgeschützter Häuser müsse unbedingt frühzeitig die Untere Denkmalschutzbehörde konsultiert werden.
Eine Kombination von Altbau und teilweisem Neubau hält Windscheif in manchen Fällen auch für sinnvoll. "Es lassen sich zum Beispiel der Keller oder architektonisch erhaltenswerte Bereiche mit neuen Fertigbauelementen oder Fertigmodulen zu einem neuen Ganzen gestalten."