Airbus:Furioses Ende des Machtkampfes

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Die drei wichtigsten Airbus-Manager verlassen innerhalb eines Jahres den Konzern. Es ist dort der bisher größte Umbruch.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Es gibt wahrscheinlich eher wenige Menschen, die Tom Enders als Vorbild bezeichnen würde. Wenn überhaupt, dann nimmt er sich die zehn Führungsprinzipien von Dick Winters zu Herzen. Winters war im Zweiten Weltkrieg ein Major bei den US-Fallschirmspringern. Als Vorbild führen, nicht auf Titel und Posten achten, immer Respekt zeigen - all dies empfahl der Mann seinen Leuten. Das Führungsprinzip Nummer zehn lautet: "Gebe niemals, niemals auf." Ex-Fallschirmjäger Enders, Vorstandschef des Luft- und Raumfahrtkonzerns Airbus, würde vehement bestreiten, dass er jetzt aufgegeben habe. Im Gegenteil: "Ich bin froh, dass wir das jetzt so entschieden haben", sagt Enders am Tag nach der Verwaltungsratssitzung, bei der das Ende seiner beruflichen Karriere bei Airbus beschlossen wurde.

Eigentlich war geplant, den Abschied erst 2018 zu verkünden, nun ging es schneller. "Der Medienhype hat den Zeitpunkt beeinflusst, aber nicht den Inhalt der Entscheidung." Enders ist zum Treffen am Tag danach in Jeans gekommen, er ist ganz offenbar guter Dinge und erleichtert, dass es jetzt raus ist. Nach wochenlangen Spekulationen darüber, wer nun wann gehen muss bei Airbus, ist die Sache klar: Airbus steht dem größten personellen Umbruch seiner Geschichte gegenüber.

Am Donnerstag hat Enders, 58, dem Verwaltungsrat bei einer turnusmäßigen Sitzung mitgeteilt, dass er seinen im März 2019 auslaufenden Vertrag nicht verlängern wird. Fabrice Brégier, 56, Chief Operating Officer und President der Zivilflugzeugsparte, wird das Unternehmen bereits im kommenden Februar verlassen. Der mächtige Verkaufschef John Leahy, 67, geht Ende Januar in den Ruhestand. Für Leahy kommt Rolls-Royce-Manager Eric Schulz. Brégier wird durch Guillaume Faury, 49, ersetzt, bislang Chef von Airbus Helicopters. Die Nachfolge von Enders ist völlig offen.

Airbus-Flügel werden in Broughton, Nord-Wales, in einen Transporter verladen. (Foto: Phil Noble/Reuters)

Dass die Zeit reif für einen Wechsel ist, muss der Chef längst geahnt haben. Seit 2000 ist er im Vorstand, wer so lange dabei ist, der trägt zumindest indirekt Mitverantwortung, egal, ob er früher und mehr hätte nachhaken und gegensteuern müssen. Seit Monaten gibt es bei Airbus fast nur ein Thema: die Aufarbeitung von möglichen Korruptionsfällen beim Verkauf von Zivil- und Militärflugzeugen. In Frankreich und Großbritannien laufen Ermittlungen. Untersucht wird, ob Airbus mit Hilfe von Korruption und Mittelsmännern in bestimmten Verkaufskampagnen nachgeholfen hat. Auch in Deutschland prüft die Staatsanwaltschaft München ein Verfahren und in den USA drohen Ermittlungen wegen Ungereimtheiten im Verteidigungsgeschäft.

Irgendwann einmal, vor Jahren, hat Enders sich vorstellen können, über 2019 hinaus zu verlängern. Aber die Dinge liegen nun anders und vielleicht ist der allem Anschein nach selbst bestimmter Abschied ein letzter großer Dienst, den Enders dem Unternehmen erweist. Denn er glaubt: "Für die 2020-er Jahre brauchen wir frische Kräfte." Wer Enders nur ein bisschen kennt, der ahnt, was in den nächsten 16 Monaten kommen wird: Durchregieren ohne Rücksicht auf Verluste.

Enders hat vor allem in den vergangenen beiden Jahren interne Reformen vorangetrieben, seit ihn Finanzchef Harald Wilhelm auf Ungereimtheiten hingewiesen hat. Eine ehemals in Paris ansässige Airbus-Tochter, die für die Korruptionsfälle verantwortlich gewesen sein soll, wurde geschlossen. Spitzenmanager wie der umstrittene Jean-Paul Gut und Strategievorstand Marwan Lahoud, der für den Bereich verantwortlich war, mussten das Unternehmen verlassen. "Es war klar, dass es Gegenfeuer geben wird," sagt Enders mit Hinweis auf die zahlreichen Informationen, die in den letzten Wochen von interessierter Seite an die Öffentlichkeit gelangt sind. "Mich hat eher überrascht, dass es so lange gedauert hat."

Enders stand seit 2012 alleine an der Spitze des Airbus-Konzerns, nachdem die Regierungen Frankreichs und Deutschlands sich darauf einließen, die Doppelspitze abzuschaffen. Wenig später scheiterte Enders mit seinem Versuch, die damalige EADS mit dem britischen Rüstungskonzern BAE Systems zu fusionieren. Damals sperrte sich die Bundesregierung gegen das Vorhaben, weil sie befürchtete, die deutschen Standorte könnten in der neuen Konstellation leiden.

Enders und Brégier waren die ewigen Konkurrenten - nun setzt Enders sich durch

Das Scheitern der Fusion war wohl Enders' größte Niederlage, aber daraus entstand der größte Erfolg. Denn er nutzte die sich daran anschließende Schockstarre dafür aus, mit Billigung der französischen Regierung den staatlichen Einfluss auf Airbus stark zurückzudrängen und dies in den Unternehmensrichtlinien auch festzuhalten. Im vergangenen Jahr setzte Enders die interne Fusion des Konzerns mit der Zivilsparte, die rund 80 Prozent des Umsatzes macht, durch. In der Folge entmachtete er Brégier, indem er ihm die Zuständigkeit für den Verkauf entzog. Zuletzt entschied Airbus, die Mehrheit am C-Serie-Programm des angeschlagenen kanadischen Konkurrenten Bombardier zu übernehmen.

Enders und Brégier waren die ewigen Konkurrenten - und Enders setzte sich durch. Ihre Rivalität entstand, weil sie die gleichen Jobs haben wollten. Inhaltlich waren sie sich meistens einig, aber noch zu Beginn dieser Woche hatte Brégier offen Ambitionen auf den Spitzenjob bestätigt. Dass er nun weit vor Enders den Konzern verlassen wird, ist ein nur schlecht verkleideter Rauswurf. Viele im Umkreis von Enders und im Verwaltungsrat machen ihn für Indiskretionen verantwortlich, die Enders und dem Konzern in der Öffentlichkeit zuletzt schwer schadeten.

Die Führungskrise bei Airbus beschäftigte am Freitag auch die Politik. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron bekannten sich zum traditionellen Gleichgewicht der Länder in der Führungsebene des Luftfahrtkonzerns. "Ich denke, da gibt es auch historische Regeln", sagte Merkel bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Brüssel auf die Frage, welche Nationalität der nächste Airbus-Chef haben sollte. "Auf jeden Fall wird jedes Land an einer wichtigen Position vertreten sein." Auch Macron versicherte, darauf zu achten, dass das Gleichgewicht der verschiedenen Nationen respektiert werden solle.

© SZ vom 16.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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