Airbus:Dicke Enttäuschung

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Airbus stoppt die Produktion seines Prestigeprogramms "A380" - im Jahr 2021 ist damit Schluss. Etwa 25 Milliarden Euro hat die Entwicklung des größten Passagierflugzeugs der Welt gekostet.

Von Jens Flottau, Toulouse

Ein Airbus A380 von Emirates: Die Fluggesellschaft vom Golf war bislang der größte Abnehmer der Riesenflugzeuge. (Foto: Chris Ratcliffe/Bloomberg)

Wenn Journalisten in den vergangenen Jahren beim europäischen Flugzeugbauer Airbus nachfragten, wie es denn um die Perspektiven des größten Passagierflugzeugs der Welt, der A380 , bestellt sei, dann erhielten sie meist eine Standardantwort, die so oder ähnlich lautete: "Der Airbus A380 ist ein großartiges Flugzeug, das sich früher oder später durchsetzen wird, weil der Luftverkehr stark wächst. Wir haben es nur zu früh gebaut und hätten uns lieber noch ein bisschen mehr Zeit gelassen. Dann müssten wir jetzt nicht fünf Jahre überbrücken, bis die Nachfrage dann aber wirklich durch die Decke geht."

Diese Erklärung klang schön, vielleicht ein bisschen nach tragischen Umständen, aber wenigstens nicht gar so sehr nach der wohl größten Fehleinschätzung in der Geschichte der zivilen Luftfahrt. Weil sich die A380 aber als genau das herausstellte, hat Airbus jetzt die bittere Konsequenz gezogen: Sein einst ambitioniertestes Programm, mit dem der Konzern endlich dem US-Wettbewerber Boeing auf Augenhöhe begegnen wollte, wird 2021 eingestellt.

Airbus gab den Entschluss am Donnerstagmorgen bekannt. Nach langen Krisenjahren kam das Aus nicht wirklich überraschend - eher erstaunlich ist, wie lange Airbus mit dem Schritt gewartet hat. Den Ausschlag hat nun ausgerechnet die Fluggesellschaft Emirates gegeben, mit bislang 162 festen Aufträgen der mit Abstand wichtigste Kunde für das Flugzeug. Emirates hatte zwar Anfang 2018 noch einmal 20 Maschinen bestellt und damit zunächst die Produktion für die Jahre ab 2020 auf absoluter Sparflamme (sechs Jets pro Jahr) gesichert. Doch nun scheiterten die parallel laufenden Verhandlungen mit dem Triebwerksbauer Rolls-Royce endgültig. Emirates will auf die kleinere A350 umschwenken, von der sie schon einmal 70 Flugzeuge gekauft und dann wieder storniert hatte. Außerdem bestellt die Airline die neueste Version der A330.

Die Prognose, dass vor allem große Flugzeuge benötigt werden, hat sich nicht erfüllt

"Als Ergebnis dieser Entscheidung haben wir keinen substanziellen Auftragsbestand mehr", sagte Airbus-Chef Tom Enders am Donnerstag. "Damit haben wir keine Basis mehr, die Produktion fortzusetzen." Das Unternehmen habe auch nicht genügend Kunden gefunden, die eine modernisierte Version mit neuen Triebwerken gekauft hätten. Bis 2021 wird Emirates noch insgesamt 14 A380 übernehmen, auch drei Maschinen für All Nippon Airways werden noch ausgeliefert, dann wird die Produktion gestoppt. Bis zu 3500 Arbeitsplätze sind von der Entscheidung betroffen. Airbus kündigte Gespräche mit den Sozialpartnern an und verwies zugleich darauf, dass das Wachstum anderer Programme neue Arbeitsmöglichkeiten innerhalb des Konzerns bieten werde.

Ohne Emirates ist jede Hoffnung für die A380 dahin. Nur 313 Aufträge (Stand Ende Januar) hat Airbus seit dem Jahr 2000 erhalten, 234 Maschinen wurden ausgeliefert. Von den 79 übrigen hätte Emirates noch 53 bekommen sollen. 20 weitere standen in den Büchern für das Leasingunternehmen Amedeo, drei für eine Auffanggesellschaft der bankrotten russischen Fluggesellschaft Transaero und drei für All Nippon Airways.

Das A380-Programm hat Schätzungen zufolge rund 25 Milliarden Euro gekostet, mehr als doppelt so viel wie anfangs geplant. Die Kosten konnten nicht annähernd wieder hereingeholt werden. Genaue Angaben macht Airbus schon seit vielen Jahren nicht mehr, verweist allerdings gerne darauf, dass das Projekt ab 2015 eine Weile schwarze Zahlen geschrieben habe. Darin sind aber die horrenden Entwicklungskosten nicht berücksichtigt, es geht lediglich um Kosten der laufenden Produktion. Und derzeit ist das Programm selbst auf dieser Basis unprofitabel.

Die ursprünglichen Planungen für die A380, die auf die späten 80er-Jahre zurückgehen, beruhten auf folgender Annahme: Konkurrent Boeing macht mit seinem größten Flugzeug, der 747 , hohe Gewinne. Das Geld kann das Unternehmen für die Entwicklung neuer Modelle nutzen - und dafür, bei Verkaufskampagnen seiner kleineren Jets Kampfpreise zu bieten. Folglich braucht Airbus ein Flugzeug, das mit der 747 konkurrieren und die damalige Boeing-Dominanz bei großen Langstreckenmaschinen durchbrechen kann, um am erwarteten starken Wachstum zu partizipieren.

Airbus hat sein Ziel dennoch erreicht: auf Augenhöhe mit Boeing zu sein

Eigentlich hat Airbus die A380 nicht zu früh, sondern vor allem zu spät gebaut. In den Jahren vor dem Programmstart im Jahr 2000 zeigte sich nämlich bereits, dass die 747 ihre besten Zeiten hinter sich hatte und die Fluggesellschaften kleinere, zweimotorige Langstreckenjets bevorzugten. Die Boeing 777, die 1995 erstmals an United Airlines ausgeliefert wurde, entwickelte sich zu einem großen Erfolg.

Diesen setzten eine Flugzeuggeneration später die 787 und der Airbus A350 fort, sie konnten sogar die Stückkosten der viel größeren A380 schlagen. Spätestens da gab es für Fluggesellschaften aus Kostensicht keinen Grund mehr, den Mega-Jet von Airbus zu bestellen, der nicht nur teurer, sondern auch ein hohes Risiko bedeutete. Bis zuletzt hat Airbus argumentiert, dass das starke Wachstum und die Kapazitätsengpässe an den großen Flughäfen zwangsläufig dazu führen würden, dass die Fluggesellschaften mehr große Flugzeuge wie die A380 bestellen. Das Problem: Was in der Theorie logisch erschien, ist in der Realität bis auf wenige Ausnahmen wie London-Heathrow, Los Angeles oder Frankfurt nicht passiert. Lufthansa hat zuletzt sogar wegen der Engpässe in Frankfurt fünf A380 nach München abgezogen.

Zwar ist immer noch denkbar, dass das Wachstum im Langstreckenverkehr in den nächsten Jahren die Airlines zwingen wird, größere Maschinen einzusetzen. Doch derzeit scheint der Trend eher in die Gegenrichtung zu gehen - Airlines setzen noch kleinere Maschinen auf Nebenstrecken ein. Und selbst wenn sich der Trend in fünf Jahren drehen sollte: Wer will dann noch ein Flugzeug bestellen, das 25 Jahre zuvor gestartet worden und wirtschaftlich entsprechend unterlegen ist?

Die Ironie der Geschichte ist: Trotz der grandiosen Fehleinschätzung hat Airbus das strategische Ziel erreicht. Der Konzern teilt sich den Weltmarkt für zivile Flugzeuge inzwischen mit Boeing auf. Obwohl Airbus 2005 noch einmal Milliarden in die A380 stecken musste, um das Produktionschaos rund um fehlgeplante Kabelstränge zu beseitigen, beschloss das Unternehmen im Jahr 2006, die zweimotorige A350 zu starten. Die entwickelt sich zu einem großen Erfolg. Mit dem Langstreckenjet lassen sich selbst wirtschaftlich einst marginale Strecken profitabel fliegen.

Auch die Kurz- und Mittelstreckenjets der A320neo-Familie verkaufen sich hervorragend, und das technisch derzeit modernste Flugzeug, die A220 (ehemals Bombardier C Series), rundet das Portfolio nach unten ab. Das Geschäft mit den kleineren Jets läuft so gut, dass Airbus die Produktion von 60 Maschinen pro Monat, die Mitte des Jahres erreicht werden soll, auf 63 pro Monat im Jahr 2021 erhöhen will. Dass es nicht noch mehr werden, hängt damit zusammen, dass die Lieferanten mit den Bauteilen (vor allem Triebwerken) nicht hinterherkommen. Unter dem Strich stand 2018 ein Gewinn von gut drei Milliarden Euro, 29 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

© SZ vom 15.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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