Air Berlin:Noch ein Versuch

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Wenn Air Berlin Flugzeuge stilllegen muss, werden viele Kunden das Nachsehen haben. (Foto: Ralf Hirschberger/dpa)

Air Berlin will nun als Premiummarke aus der Krise kommen und die Langstrecke ausbauen. Ob der Schwenk gelingen kann, ist fraglich.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Als der neue Chef Stefan Pichler vor einem Jahr bei Air Berlin antrat, hatte er klare Vorstellungen. Er wollte das Unternehmen schnell stabilisieren, auf Stärken wie die Touristik setzen, die Kapazität wenn nötig drastisch reduzieren, Kosten sparen, um auf diese Weise den Verlust der Fluggesellschaft schnell zu reduzieren.

Ein Jahr später hat sich die wirtschaftliche Lage des Unternehmens tatsächlich verändert, aber hin zum Schlechteren. Der Verlust hat sich von 376 Millionen auf 446 Millionen Euro ausgeweitet, das negative Eigenkapital liegt mittlerweile bei 799 Millionen Euro (nach 415 Millionen im Jahr zuvor), die liquiden Mittel nur noch bei 150 Millionen Euro. Air Berlin ist angesichts dieser Entwicklung auf Gedeih und Verderb vom größten Anteilseigner Etihad Airways abhängig: Etihad hat der zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft im Frühjahr 2016 erneut massiv finanziell unter die Arme gegriffen, ihr ein neues Gesellschafterdarlehen von 75 Millionen Euro gewährt und Bürgschaften für Bankkredite in Höhe von 250 Millionen unterschrieben. Und solange Etihad Air Berlin immer wieder aus der Patsche hilft, unterschreiben die Wirtschaftsprüfer eine positive Fortführungsprognose für die Deutschen.

Pichler macht trotz der dramatischen Zahlen auf Optimismus. Wichtige Indikatoren zeigten trotz des hohen Verlustes "genau in die richtige Richtung". Deswegen sei er davon "überzeugt, dass wir 2016 ein deutlich besseres operatives Ergebnis erreichen". Und was die Sanierung des Unternehmens insgesamt angeht, lässt er sich auch nach außen hin nicht seine gute Laune verderben: "Ich bin sehr zuversichtlich. Wir schaffen das."

Allerdings ist Air Berlin gerade dabei, wieder einmal das eigene Geschäftsmodell über den Haufen zu werfen. Angefangen hatte die Gesellschaft als reiner Ferienflieger, später sah sie sich als Hybrid, ein Zwischending zwischen Drehkreuz- und Billiganbieter, nun ist ein weiterer Schwenk geplant: "Air Berlin entwickelt sich stetig zur Netzwerk-Airline", so Pichler. "Wir wollen die Marke noch stärker im Premiumsegment ansiedeln." Künftig will sich das Unternehmen stärker um Firmenkunden kümmern und das Bordprodukt weiter verbessern. Damit fügt sich Air Berlin in die Strategie von Etihad ein, das seinerseits vor allem auf das Premiumsegment setzt und am klassischen Touristikverkehr zwischen Deutschland und den vielen Air-Berlin-Mittelmeerzielen kaum Interesse hat.

Was an dieser Strategie das Problem ist, lässt sich allerdings gut an den Zahlen der Fluggesellschaft ablesen. Zwar gelang es, den Umsatz pro angebotenem Sitzkilometer um 3,7 Prozent zu steigern, aber die Kosten stiegen um 4,1 Prozent. Dies geschah unter anderem deswegen, weil Air Berlin immer mehr Hauptflughäfen ansteuert, auf denen die Gebühren viel teurer sind als auf kleineren Regionalplätzen. Auch die Personalkosten stiegen 2015 um fünf Prozent, obwohl die Airline die Kapazität um 5,4 Prozent zurücknahm und 4,6 Prozent weniger Passagiere beförderte. Dass die Flugzeuge leicht besser ausgelastet waren, half da nur sehr wenig. Pichler betont zwar die ersten Erfolge bei den Flugpreisen, die um zwei Prozent gestiegen sind. Doch was sind diese wert, wenn die Kosten gleichzeitig noch schneller steigen?

Entlastung auf der Kostenseite sehen Pichler und sein Finanzchef Arnd Schwierholz vor allem deswegen auf Air Berlin zukommen, weil ungünstige Verträge zur Treibstoffkostensicherung auslaufen. Schon 2015 wäre der Verlust um 200 Millionen Euro geringer ausgefallen, wenn Air Berlin Marktpreise bezahlt hätte. Im laufenden Jahr rechnet das Unternehmen nun aber mit einer Entlastung von 250 Millionen Euro, außerdem würden einmalige Sanierungskosten von etwa 90 Millionen Euro wegfallen. Der monatelange Streit um die Gemeinschaftsflüge mit Etihad, die schließlich doch weitgehend genehmigt wurden, habe 40 Millionen Euro gekostet.

Grundsätzlich aber hat Air Berlin das Problem, dass sich das Management nicht auf Auseinandersetzungen mit den Mitarbeitern einlassen kann, die womöglich wie bei Konkurrent Lufthansa zu Streiks führen. Dafür fehlt schlicht das Geld. Nicht umsonst betont Pichler, dass alle bei der Sanierung an einem Strang ziehen müssten und die Probleme möglichst im Konsens gelöst werden sollten. Dennoch macht er klar: "Wir müssen unsere Kosten senken."

Allerdings ist nicht geplant, die Kapazität weiter zu reduzieren, sie soll im Vergleich zum vergangenen Jahr unverändert bleiben. Das Streckennetz soll sich immer mehr auf Düsseldorf und Berlin konzentrieren, in München werden alle verbliebenen Langstrecken gestrichen, dafür werden vor allem von Düsseldorf aus mehr Transatlantikflüge angeboten. An dem Flughafen baut Air Berlin im Sommer 2016 die Kapazität um 16 Prozent aus.

© SZ vom 29.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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