Wirtschaftsprüfer:Kunde droht mit Auftrag

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Ein Bauprojekt der Immobilienfirma Adler Real Estate in Berlin Mitte. (Foto: Stefan Boness/imago images / IPON)

So etwas gab es wohl noch nie: Seit Monaten sucht der angeschlagene Immobilienkonzern Adler nach einem Wirtschaftsprüfer. Aber selbst eine gerichtliche Bestellung war nun erfolglos. Gibt es eine Lücke im Gesetz?

Von Meike Schreiber, Frankfurt am Main

Es dürfte ein bislang einmaliger Vorgang für ein größeres Unternehmen in Deutschland sein: Die Wirtschaftsprüfer von KPMG weigern sich, die Zahlen der wichtigen Deutschland-Tochter des taumelnden Immobilienkonzerns Adler zu testieren - und das, obwohl sogar ein Gericht in Berlin es vorgeschlagen hat. Die Konzernmutter sitzt in Luxemburg, für sie konnten die deutschen Richter nicht entscheiden, sehr wohl aber für die Tochter. Nach "eingehender Würdigung" sowie "unter Berücksichtigung der gesamten Umstände" sei man zu dem Ergebnis gelangt, diese Prüfung nicht anzunehmen, teilte KPMG mit, ohne weitere Gründe zu nennen. Adler äußerste sich dazu nicht.

Die Prüfer von KPMG hatten der Adler Group bereits das Testat für den Jahresabschluss 2021 verweigert - mit Verweis auf mangelnde Informationen. Auch das Mandat für 2022 wollte KPMG nicht annehmen. Alle anderen großen Wirtschaftsprüfer hatten ebenfalls abgewinkt. Nach monatelanger vergeblicher Suche beantragte Adler schließlich beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg eine gerichtliche Bestellung, verbunden mit der Hoffnung, dass sich KPMG dann auch der Muttergesellschaft in Luxemburg annehmen werde. Dazu kam es nicht, und nun droht Adler die Zeit davonzulaufen: Der Jahresabschluss muss bis Dezember 2023 geprüft sein, andernfalls könnten Banken ihre milliardenschweren Kredite fällig stellen. Adler hat Anleihen über 3,2 Milliarden Euro im Markt, einschließlich Wandelanleihen und Bankkrediten ist der Konzern sogar mit 6,9 Milliarden Euro verschuldet.

Seit mehr als einem Jahr muss sich das verschachtelte Unternehmen mit Vorwürfen des Leerverkäufers Fraser Perring auseinandersetzen. Der britische Investor wettet auf fallende Aktienkurse und hatte seinerzeit auch den späteren Pleitekonzern Wirecard im Visier. Es geht um zweifelhafte Immobiliendeals und aufgeblähte Bilanzen zulasten der Adler-Aktionäre. Auch die Bafin prüft seit Längerem die Abschlüsse des Konzerns, und vergangenen Sommer hatte die Finanzaufsicht einen der Hauptvorwürfe Perrings bestätigt: So sei ein Immobilienprojekt mit einem zu hohen Wertansatz in die Bilanz von 2019 eingegangen, was Adler bestreitet.

Müssen Prüfer ein Mandat annehmen?

Auch die Prüfer dürften sich in ihrem Misstrauen bestätigt sehen. Hinzu kommt: Das Thema Wirecard hat die gesamte Prüfungsbranche aufgerüttelt. Eigentlich gibt es eine gesetzliche Pflicht für Unternehmen, die Geschäftszahlen von einem Wirtschaftsprüfer testieren zu lassen. Aber was tun, wenn sich keiner findet? Und haben nicht auch die Geldgeber - also Banken und Aktionäre - des Unternehmens gewissermaßen Anspruch darauf, dass sich ein Prüfer erbarmt? Schließlich könnten zahlungswillige Unternehmen allein dadurch in die Pleite getrieben werden, dass sie keinen Prüfer finden. Die Fachwelt diskutiert nun darüber, ob ein Wirtschaftsprüfer unter Umständen dazu verpflichtet werden kann, einen Prüfungsauftrag für ein Unternehmen anzunehmen. Solche Pflichtmandate kennt man auch bei Rechtsanwälten und Notaren.

Aus Wirtschaftsprüfer-Kreisen hieß es hingegen, Abschlussprüfer seien im Gegensatz etwa zu Steuerfahndern oder Staatsanwälten auf die Mitwirkung der geprüften Firma angewiesen. Deshalb könne es ohne vollständige Revolution des Systems keinen Mandatszwang geben. Die finanzierenden Banken könnten zudem auch auf die Vorlage geprüfter Zahlen verzichten. Außerdem habe Adler die Situation selbst zu verantworten: Wenn dort echter Aufräum- und Mitwirkungswille erkennbar wäre, würde sich vielleicht ein Prüfer finden. Das sei aber nicht der Fall.

Immerhin ist es Adler nun gelungen, seine milliardenschweren Anleihen doch noch zu verlängern, wie der Konzern ebenfalls am Donnerstag mitteilte. Im ersten Anlauf war die Restrukturierung der Anleihen kurz vor Weihnachten gescheitert, nachdem nicht ausreichend viele Gläubiger einer Anleiheserie zugestimmt hatten. Damit wäre Adler nun bis Mitte 2025 "durchfinanziert".

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