Pannenhilfe:Abschleppdienste fühlen sich dem ADAC "wehrlos ausgeliefert"

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  • Der ADAC dominiert in Deutschland das Pannenhilfe-Geschäft, ist dabei aber auf viele private Abschleppfirmen angewiesen.
  • Diese sind seit Längerem verärgert über die neuen Regeln, die der ADAC plant.
  • Nun legen sie sogar Beschwerde vor dem Bundeskartellamt dagegen ein. Der Vorwurf: Machtmissbrauch.

Von Uwe Ritzer

Allein das Vokabular ist deftig. Von "Blutsaugern" ist die Rede, von "Säuberungsaktionen", "Lohnsklaven" und davon, sich "wehrlos ausgeliefert" zu fühlen. Viele private Abschleppunternehmer, die nicht selten schon seit Jahrzehnten im Auftrag des ADAC liegen gebliebene Autos abschleppen oder Unfallfahrzeuge bergen, schimpfen nicht nur in Gesprächen und Briefen derb auf ihren Auftraggeber, sondern proben nun sogar den Aufstand. In einer Beschwerde vor dem Bundeskartellamt werfen sie Europas größtem Automobilklub vor, seine Macht zu missbrauchen.

Der Streit, der da eskaliert, schwelt bereits seit einigen Jahren. Es geht in letzter Konsequenz um nicht weniger als das Rückgrat im deutschen Pannenhilfewesen. Schließlich ist der ADAC auf diesem Sektor mit Abstand die Nummer eins im Land, wobei wiederum 40 Prozent aller Abschlepp- und Bergungsfahrten unter seinem Label in Wirklichkeit von privaten Firmen gefahren werden. Deren Interessengemeinschaft der ADAC-Mobilitätspartner (ISA) begehrt nun gegen einen neuen Vertrag auf, den der ADAC allen entsprechenden Dienstleistern verpassen will.

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Ohne Hunderte private Abschleppfirmen würde die Pannenhilfe des ADAC zusammenbrechen. Viele fürchten nun jedoch um ihre Existenz - weil der Autoklub neue Regeln plant.

Von Uwe Ritzer

Das seit gut anderthalb Jahren heftig diskutierte Vertragswerk enthalte "sehr viele problematische Klauseln, ist absolut einseitig und geht auf Kosten der Abschleppunternehmer", sagt der Kartellrechtsanwalt Christian Genzow, der im Auftrag der ISA die Kartellbeschwerde eingereicht hat. Sein Hauptvorwurf: "Der ADAC nutzt seine Marktmacht in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht einseitig zu Lasten der Abschleppunternehmer aus." Was Oliver Weissenberger, Mitglied der Geschäftsleitung des ADAC e.V. als "nicht nachvollziehbar und faktisch falsch" zurückweist.

Doch schreibt der aus drei Teilen bestehende Vertrag auch für Laien leicht erkennbar dem ADAC viele Rechte zu und den Firmen hauptsächlich Pflichten. So darf der ADAC letztlich allein bestimmen, welcher Abschlepper in welchem Gebiet und zu welchen Konditionen Einsätze fährt. Der Automobilklub behält sich zudem das Recht vor, diese Bedingungen unter bestimmten Bedingungen einseitig zu ändern. Und was Vertragsstrafen angeht, kann der ADAC ziemlich leicht Verstöße von Abschleppfirmen ahnden; diese ihrerseits können umgekehrt aber kaum Ansprüche gegen den ADAC geltend machen. "Eine solche Fülle an einseitigen Abänderungs- und Vertragsstrafenklauseln habe ich in meinem 40-jährigen Berufsleben noch nie gesehen", sagt Genzow. Und eine Nachfrage bei europäischen Berufskollegen habe "ergeben, dass es denen genauso geht".

Die Abschleppunternehmer kämpfen auch um mehr Geld

Lange sah es danach aus, als würden die ISA und der ADAC doch noch einen Kompromiss finden. Doch dann gab es auch innerhalb der Interessengemeinschaft Zoff, in der 432 von insgesamt etwa 700 sogenannten "Mobilitätspartnern" des ADAC zusammengeschlossen sind. In der Folge wechselte der ISA-Vorstand. Eine Mitgliederversammlung plädierte schließlich dafür, den Konflikt mit dem ADAC an das Bundeskartellamt heranzutragen.

Dessen Sprecher bestätigte den Eingang der Beschwerde. Es sei aber "noch nicht darüber entschieden, ob die zuständige Abteilung den Sachverhalt genauer prüfen wird", sagte er. Das ist eine reine Ermessensfrage der Behörde. Oliver Weissenberger vom ADAC sagt, dieser habe "keine Kenntnis vom Inhalt der Beschwerdeschrift" und könne "daher keine konkrete Stellungnahme abgeben".

Die Abschleppunternehmer kämpfen letztlich nicht nur um mehr Rechte gegenüber dem ADAC, sondern auch um mehr Geld. Sie beklagen, ihre Vergütung sei schon seit Längerem nur noch in den seltensten Fällen kostendeckend und fordern Nachbesserungen. Der ADAC zeige ihnen jedoch die kalte Schulter. Er habe sogar Firmen mit Drohungen unter Druck gesetzt, den Vertrag zu unterschreiben.

Der ADAC weist auch das zurück. Zuletzt sei die Vergütung der Mobilitätshelfer "durchschnittlich um vier Prozent pro Jahr gestiegen", sagt Weissenberger. Man habe auch bereits 50 Änderungsvorschläge der Firmen übernommen. "Der ADAC verfolgt mit seinem Servicenetz keinen wettbewerbsbeschränkenden Zweck, sondern er koordiniert darüber den Einsatz der Partner, um ADAC-Mitgliedern schnelle Hilfe und Unterstützung am Pannenort zu ermöglichen", sagt Weissenberger. Außerdem könne jeder Abschleppunternehmer auch für andere Auftraggeber fahren.

Ist das so? Schwer vorstellbar, wenn der ADAC andererseits den Abschleppfirmen sogar präzise den Gelb-Ton vertraglich vorschreibt, mit dem sie ihre Fahrzeuge lackieren müssen. Damit alles sauber nach ADAC aussieht. Nach außen zumindest.

© SZ vom 19.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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