Der dauerquatschende Mitfahrer im Zug, der Lärm der Turbinen im Flugzeug oder die Hölle im Großraumbüro - Gründe, die für einen lärmreduzierenden Kopfhörer sprechen, gibt es genug. Aber funktioniert das auch wirklich, den Lärm zu reduzieren? Gibt es nicht auch Nachteile?
Die Theorie
Schall wird in Form von Wellen übertragen, eine solche Welle besteht aus Bergen und Tälern. Der Trick beim Lärmreduzieren, im Fachjargon active noise cancelling (ANC) genannt, besteht darin, jedem Berg ein Tal entgegenzusetzen und jedem Tal einen Berg. Eine Lautsprechermembran, die sich nach vorne bewegen und damit die Luft in Schwingungen versetzen will, erhält also gleichzeitig den Befehl, sich nach hinten zu bewegen. Das funktioniert, weil Mikrofone den Schall erfassen und eine Elektronik ausrechnet, wie der Gegenschall dazu aussehen muss. Ergebnis: Die Lautsprechermembran bewegt sich (fast) gar nicht. So weit die Theorie.
Die Praxis
In der Praxis bleibt von den herrschenden Geräuschen immer ein Rest übrig. Dieser Rest ist umso geringer, je gleichförmiger und tiefer das Geräusch und je besser die eingesetzte Technologie ist. Tiefere, gleichförmige Geräusche wie etwa das Rauschen und Brummen im Flugzeug oder das Fahrgeräusch in der Bahn lassen sich bis auf ein leises Rauschen reduzieren. Kurze, impulsartige höherfrequente Geräusche können weniger gut weggefiltert werden. Stimmen etwa hört man trotz noise cancelling. Wie stark, hängt davon ab, wie gut die Technik umgesetzt wurde. In aller Regel hängt das mit dem Preis zusammen. Eine Elektronik, die präziser und schneller funktioniert, ist eben auch aufwendiger und damit teurer.
Was macht ANC mit dem Klang?
Damit die Geräuschunterdrückung funktioniert, muss die Elektronik in den Klang eingreifen. Das bleibt nicht ohne Folgen. Schließlich liegt es ja an den eingesetzten Algorithmen, die unterscheiden müssen zwischen dem, was weggefiltert wird und was bleibt. Bei manchen Modellen hört man daher einen deutlichen Unterschied im Klang, wenn man ANC ein- und ausschaltet. Wie weit die Elektronik verfälschend in den Klang eingreift, lässt sich nicht allgemein beantworten. Am besten ist es, man probiert verschiedene solcher Kopfhörer mit der Musik aus, die man damit auch hören will.
Unvermeidliches Rauschen
Technisch bedingt produzieren ANC-Kopfhörer auch ein Eigenrauschen. Bei den besseren Geräten ist das allerdings kaum noch wahrnehmbar. Zudem kommt es natürlich auf die Musik an, die man damit hört. Bei Klassik, wo es auch mal sehr leise werden kann, stört das Eigengeräusch mehr als bei Pop-Musik, die in aller Regel auf größtmögliche Lautstärke hin optimiert wird.
Ohne Strom geht nichts
Um die Elektronik zu betreiben, brauchen ANC-Kopfhörer Strom. Den bekommen sie meist von Lithium-Ionen-Akkus. Einen Langstreckenflug halten die meisten Hörer aber durch - wenn man nicht vergessen hat, sie davor aufzuladen.
Funk oder Kabel?
Puristen wenden sich natürlich mit Grausen ab, doch der Trend geht trotzdem in Richtung der Funkkopfhörer. Durchgesetzt hat sich hier der Standard Bluetooth. Die hochwertigste Variante davon nutzt automatisch das beste verfügbare Verfahren zur Übertragung. Dazu stimmen sich Kopfhörer und Abspielgerät ab. Hifi-Aficionados sind deshalb nicht so begeistert von Bluetooth, weil die Musik-Daten bei der Übertragung komprimiert werden müssen. Das verursacht sogenannte Artefakte, also Klänge, die in der Musik eigentlich nicht vorhanden waren. Das können zum Beispiel zischelnde Becken sein oder ein akustisches Flirren etwa bei Klavieranschlägen. Viele ANC-Kopfhörer lassen sich auch mit Kabel verwenden. Das ist auch deshalb von Vorteil, weil es in manchen Flugzeugen aus Sicherheitsgründen verboten ist, Funkkopfhörer zu nutzen.
Offen oder geschlossen?
Die Frage stellt sich nur bei Kopfhörern ohne Geräuschunterdrückung. Kopfhörer mit ANC haben immer eine geschlossene Bauweise, dichten also das Ohr auch schon mit ihrer geschlossenen Muschel ab. Ähnlich ist es bei Ohrhörern, die es auch mit ANC gibt. Diese sitzen im Gehörgang und schließen diesen so gut es geht mit Silikonkappen ab, die es in verschiedenen Größen gibt. Die Luxusvariante: Man kann sich bei Hörgeräteakustikern ans individuelle Ohr angepasste Passstücke anfertigen lassen, in die dann die Ohrhörer gesteckt werden.