Paukenschlag in Frankfurt: Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann verkündete am Montagabend überraschend, dass er für das Amt des Aufsichtsratschefs im nächsten Jahr nicht mehr zur Verfügung steht. Er begründete dies damit, dass "die extrem herausfordernden Verhältnisse auf den internationalen Finanzmärkten meine volle Aufmerksamkeit verlangen". Sie ließen keinen Raum für die "dazu erforderlichen vielen Einzelgespräche mit Aktionären". Aufsichtsratschef der Deutschen Bank soll nun im Mai nächsten Jahres Paul Achleitner werden, der Finanzvorstand des Versicherungskonzerns Allianz.
In Frankfurt gab es sofort Spekulationen, Ackermanns Rückzug könnte damit zu tun haben, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen möglicher Falschaussage ermittelt. Nur wenige Stunden davor war bekannt geworden, dass deswegen in der vergangenen Woche auch seine Büroräume durchsucht wurden. In Finanzkreisen hieß es jedoch, dass es keinen unmittelbaren Zusammenhang gebe. Ackermanns Entschluss habe schon vorher festgestanden. Auch hätte man Achleitner nicht innerhalb weniger Tage als Nachfolge-Kandidat bekommen können. Die Ermittlungen dürften Ackermann aber darin bestärkt haben, dass der Rückzug von der Deutschen Bank der richtige Schritt ist.
Die Deutsche Bank hatte den direkten Wechsel Ackermanns vom Vorstands- auf den Aufsichtsratsvorsitz Ende Juli nach drei chaotischen Wochen verkündet. Der Schritt war von Anfang an stark kritisiert worden, weil er gegen die Prinzipien der guten Unternehmensführung (Corporate Governance) verstößt. Danach soll ein Vorstandsmitglied erst nach einer "Abkühlungszeit" von zwei Jahren in den Aufsichtsrat eintreten. Der Grundgedanke dahinter: Ein neuer Vorstand hätte keine Chance für einen wahren Neuanfang, wenn sein Vorgänger ihn gleich anschließend kontrolliere.
Kodex ist nur eine Empfehlung
Der Corporate-Governance-Kodex ist aber für Unternehmen nicht gesetzlich bindend, sondern nur eine Empfehlung. Das deutsche Aktiengesetz erlaubt eine Ausnahme für einen direkten Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat: dann, wenn der Vorstand 25 Prozent der Anteilseigner findet, die sein Vorhaben unterstützen. Sie können einen Antrag stellen, dass die Hauptversammlung dies mit Mehrheit beschließt. Das hätte nach dem bisherigen Plan auf dem nächsten Aktionärstreffen im Mai 2012 sein sollen.
Um die 25 Prozent der Aktionäre hinter sich zu bekommen, hätte Ackermann in den nächsten Wochen bei den Anteilseignern für sich werben müssen. Das ist zwar kein leichtes Unterfangen, weil die Aktionärsstruktur bei der Deutschen Bank zersplittert ist. Ackermann hätte also viele Einzelaktionäre auf seine Seite ziehen müssen. Dennoch wirkt die Begründung vorgeschoben: Wenn er es darauf angelegt hätte, hätte er die 25 Prozent ohne großen Zeitaufwand organisieren können. Es gab gerade auf der Kapitalseite viele, die den Rollenwechsel befürworteten. Sie argumentierten, dass es schade wäre, wenn ein Mann mit einem solchen Wissen und so guten weltweiten Beziehungen der Deutschen Bank künftig nicht mehr zur Verfügung stünde.
Ackermann selbst sagte schon vor Wochen, es würde ihm "überhaupt nichts ausmachen", sollte es aus irgendwelchen Gründen nicht mit dem Wechsel in den Aufsichtsratsvorsitz klappen. Er habe sich auch nicht selbst dafür ins Spiel gebracht, sondern sei einem Wunsch nachgekommen, der von einer Reihe von Aufsichtsräten an ihn herangetragen worden sei.
Die Deutsche Bank musste im Juli eine schnelle Lösung für die Nachfolge Ackermanns finden, weil die Lage eskaliert war. Ausgangspunkt war die überraschende Absage des früheren Bundesbank-Chefs Axel Weber, der 2012 in den Verwaltungsrat der Schweizer Großbank UBS wechselt. Damit war Ackermann der Favorit abhanden gekommen.
Aufsichtsratschef Clemens Börsig sprach sich indes für Investmentbanking-Vorstand Anshu Jain als neuen Vorstandschef aus - was Ackermann unbedingt verhindern wollte, weil er in einem Investmentbanker an der Spitze ein falsches Signal sah. Nach drei turbulenten Wochen einigte man sich schließlich auf eine Doppelspitze mit Jain und Deutschland-Chef Jürgen Fitschen. Gleichzeitig sollte Ackermann als Oberaufseher für Kontinuität sorgen.
Im Nachhinein wirkt die damals präsentierte Lösung als Mittel, um die öffentliche Debatte zu beenden. Insgeheim war Ackermann wohl nie davon überzeugt. Der 63-Jährige deutete intern öfter an, dass er es nach zehn Jahren an der Spitze der Deutschen Bank gerne ruhiger angehen lassen würde. Ursprünglich hatte er geplant, nach seinem Abschied Verwaltungsratschef der Schweizer Versicherung Zurich Financial Services zu werden - ein vergleichsweise gemütlicher Job, der nun wieder realistisch ist. "Der hat so viel Auswahl, warum sollte er sich das bei der Deutschen Bank weiter antun?", heißt es in Frankfurt.