Die Abgasaffäre bei Volkswagen mit weltweit mehr als zehn Millionen betroffenen Kunden war gerade mal zehn Tage alt, als der deutsche Justiz-Staatssekretär Gerd Billen Klartext sprach. Mit einer Musterklage, genannt "Musterfeststellungsklage", ließen sich Ansprüche von Verbrauchern in Deutschland möglicherweise schnell und einheitlich klären. Jedenfalls schneller als bisher.
Billens Idee damals: Verbände könnten Massen-Fälle "mit nur einer Klage" vor Gericht bringen. Ein neues Instrument statt eines, wie Billen es ausdrückte, "Verfahrensmonsters". Also statt langer und schwerfälliger Prozesse "mit dem Ziel der Verzögerung und Zermürbung". Klare Worte, schöne Worte des Staatssekretärs im Justizministerium. Doch wo bleiben die Taten?
Es sieht so aus, als schiebe die Bundesregierung die in Aussicht gestellte Musterklage auf die lange Bank. Fragen zum Stand der Dinge beantwortet das Justizministerium nur ausweichend. Man arbeite an einem Gesetzentwurf, um den Verbrauchern "auf einfachem Wege" zu ihrem Recht zu verhelfen und "missbräuchliche Klagen" zu vermeiden. Wann das Gesetz kommen soll, sagt das Ministerium nicht.
Gerhart Baum: Musterklage muss noch vor der Bundestagswahl kommen
Völlig unverständlich findet das der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum, der heute als streitbarer Anwalt für Kunden agiert, die mit "faulen Produkten" hereingelegt worden seien. Noch vor der Bundestagswahl in einem Jahr müsse die Musterklage kommen, fordert Baum, der sich mit seiner Kanzlei auch um VW-Kunden kümmert.
Staatssekretär Billen, die sich lange bei den Grünen engagierte und immerhin schon Vorstand der deutschen Verbraucherzentrale war, äußert sich derzeit hingegen nicht. So bleibt denn unklar, was die Regierung wie regeln will. Vor einem Jahr hatte Billen immerhin öffentlich erklärt, was die Regierung nicht wolle. Man wolle keine Entwicklung wie in den USA. Die Regierung werde verhindern, dass Großkanzleien "allein aus eigenem Profitstreben" riesige Verfahren in Gang brächten und Unternehmen zu "sachwidrigen, aber teuren Vergleichen zwingen".
Bei der VW-Affäre könnte das aber so kommen. Weil die Regierung diesen Markt bislang sich selbst überlässt.