Abgasaffäre:VW droht der größte anzunehmende Unfall

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Bisher waren Experten davon ausgegangen, dass mit einem Prozess frühestens im Laufe des Jahres 2017, vielleicht sogar erst 2018 zu rechnen ist. (Foto: dpa)
  • VW drohe ein Zivilprozess, wenn der Autokonzern bis zum 21. April keine Lösung für die manipulierten Abgastests bei VW-Diesel-Pkw liefere, deutet US-Bundesrichter Charles Breyer an.
  • Breyer forderte VW auf, bis zur April-Anhörung "spezifische und detaillierte" Pläne vorzulegen.
  • Sollte VW bis zum 21. April nicht liefern, könnten im Extremfall tausende Autos stillgelegt werden.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Bundesrichter Charles Breyer bemühte sich erkennbar um einen freundlichen Ton und ein verbindliches Auftreten. Ihm sei berichtet worden, so Breyer bei einer Anhörung in San Francisco, dass der Volkswagen-Konzern, die US-Umweltbehörde EPA und alle weiteren Beteiligten sich ernsthaft darum bemühten, den Skandal um manipulierte Abgastests bei VW-Diesel-Pkw aus der Welt zu schaffen. Er sei deshalb bereit, seine am Donnerstag ausgelaufene Frist zur Vorlage einer abschließenden Lösung noch einmal bis zum 21. April zu verlängern.

Das Aufatmen, das in diesem Moment durch die Wolfsburger Konzernzentrale gegangen sein dürfte, war jedoch nur von kurzer Dauer, denn Breyers kurzer Vortrag war noch nicht beendet. Im Gegenteil: Erstmals deutete der Richter an, was passieren wird, wenn VW auch im April nicht liefern kann. In diesem Fall, so Breyer, werde es womöglich noch in diesem Sommer zu einem Zivilprozess kommen.

Für Volkswagen wäre das der größte anzunehmende Unfall, denn die Strategie des Konzerns zielt bisher darauf ab, die laufende sogenannte vorprozessuale Phase dazu zu nutzen, um sich mit den Kunden, den klagenden Wettbewerbern und vor allem der US-Regierung auf einen außergerichtlichen Vergleich zu verständigen. Bisher waren Experten davon ausgegangen, dass mit einem Prozess frühestens im Laufe des Jahres 2017, vielleicht sogar erst 2018 zu rechnen ist. Nun könnte sich die verfügbare Spanne für Vergleichsverhandlungen dramatisch verkürzen.

In den USA sind etwa 600 000 Wagen betroffen

VW hatte weltweit elf Millionen Diesel-Pkw mit einer Manipulationssoftware ausgestattet, die dafür sorgt, dass die Autos auf dem Prüfstand weit weniger Emissionen ausstoßen als im täglichen Straßenverkehr. Allein in den USA, wo die Abgasgrenzwerte besonders streng sind, sind etwa 600 000 Wagen betroffen. Weil die Eigentümer nichts für den Gesetzesverstoß können, dürfen sie ihre Fahrzeuge vorerst weiter benutzen. Breyer deutete jedoch an, dass dies nicht mehr lange so bleiben wird, sollte VW am 21. April immer noch kein Konzept zur Beseitigung der Probleme vorlegen. Im Extremfall könnten die Wagen stillgelegt werden - was die Wut der Kunden auf VW wohl massiv erhöhen würde.

Rückruf
:VW und Porsche rufen 800 000 Autos in die Werkstatt

Auch etwa 90 000 Autobesitzer in Deutschland sind betroffen. Mit der Abgasaffäre hat diese Rückrufaktion nichts zu tun.

Breyer forderte VW auf, bis zur April-Anhörung "spezifische und detaillierte" Pläne für eine Reparatur oder den Rückkauf der Autos sowie für eine Entschädigung der Kunden vorzulegen. Er erklärte zudem, dass er ab sofort im Wochenrhythmus über den Verhandlungsstand zwischen VW und der EPA unterrichtet werden wolle. Volkswagen hat bereits angedeutet, dass in vielen Fällen eine Reparatur der Wagen so teuer käme, dass ein Austausch wohl die bessere Lösung wäre. Nach Schätzung von Experten würde ein Rückkauf aller 600.000 Pkw VW rund 9,5 Milliarden Dollar kosten.

Darüber hinaus drohen dem Unternehmen Entschädigungszahlungen an die Regierung, die sich theoretisch auf mehr als 45 Milliarden Dollar summieren könnten. Zwar gehen Fachleute davon aus, dass die Summe am Ende niedriger ausfallen wird. Käme es jedoch bereits in diesem Sommer zum Prozess, verlöre Volkswagen auch hier jede Einflussmöglichkeit.

VW-Anwalt Robert Giuffra beteuerte bei der Anhörung, dass der Konzern "rund um die Uhr" an einer Lösung arbeite. Das Unternehmen selbst erklärte, man sei bestrebt, "die Untersuchungen der US-Behörden zur Diesel-Thematik so schnell wie möglich beizulegen".

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