Zufrieden streicht die Vorstandschefin mit ihrer Hand über den glatten Kunststoff. Ja, das ist es. Dynamik strahlen sie aus, die neuen Rückleuchten, kommen aber weder prahlerisch noch aggressiv daher. Die Szene ist fiktiv, die Technologie dahinter aber nicht. Mit 3-D-Druck lassen sich mittlerweile Dinge in allen Farben drucken, transparent, biegsam oder fest, aus Kunststoff, Metall oder sogar aus Sand. Stück um Stück erobert sich die Technologie mehr Platz in der Produktion.
Danach sah es einige Zeit lang nicht unbedingt aus, denn der 3-D-Druck erlebte die klassische Karriere eines Hype-Themas. Nachdem Pioniere wie der Münchner Hans J. Langer, der Belgier Fried Vancraen und andere die Grundlagen gelegt hatten, schwadronierten Optimisten schon, der 3-D-Druck könne bald klassische Produktionsmethoden ersetzen, ja sogar ganze Geräte aus unterschiedlichen Materialien wie etwa Smartphones ausspucken. Diese völlig überzogenen Erwartungen erfüllten sich nicht, die Technologie geriet aus dem Fokus der Öffentlichkeit.
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Doch abseits des Scheinwerferlichts wurde die Technik stetig weiterentwickelt und verbessert. Und es waren vor allem die Anwender, die immer mehr darauf setzten: "Die Kunden waren kreativer als wir", sagt Andreas Langfeld, Europa-Chef beim US-Druckerhersteller Stratasys. "Der 3-D-Druck wird niemals alle konventionellen Produktionsmethoden ersetzen", sagt er. Doch in mehr und mehr Branchen hat sich die Technologie einen festen Platz erobert.
Airbus-Flugzeuge enthalten bis zu 1000 gedruckte Teile
Ein A 350 von Airbus etwa fliegt mittlerweile mit rund tausend Teilen, die am 3-D-Drucker entstanden sind. Auch in der Automobilbranche hat man erkannt, dass sich der Einsatz von 3-D-Druck statt konventioneller Herstellung lohnen kann: "Wenn es um 5000 bis 10 000 Teile pro Jahr geht, lässt sich das mit den Prozessen gut abbilden", sagt etwa Christian Kleylein vom oberfränkischen Automobilzulieferer Brose.
Die Prozesse - dass sie bei der neuen Technologie so anders sind als bei den bekannten Produktionsmethoden wie Gießen, Spritzen, Bohren oder Fräsen, das ist ihr Segen und zugleich ihr Fluch. 3-D-Druck wird auch als additive Fertigung bezeichnet, und das beschreibt besser, was dahintersteckt. Das Material - meist Pulver oder Drähte aus Kunststoff oder Metall - wird schichtweise aufgebracht. Geschmolzener Kunststoff wird aus Düsen gespritzt und härtet wieder aus, starke Laser lassen pulverisiertes Material zusammenbacken oder ein aufgesprühtes Bindemittel hält es zusammen, in diesem Fall muss das Objekt danach noch in eine Art Backofen.
Ein Segen ist das, weil es nahezu keine Beschränkungen bei den Formen gibt. So können Bauteile mit Strukturen gefertigt werden, die der Natur entlehnt sind - wie Vogelknochen, die zwar hohl und daher leicht sind, wegen komplexer innerer Streben aber auch sehr fest. Konventionell kann man das nicht herstellen. Ein Fluch ist das Arbeiten mit Tausenden Schichten, weil es immer noch relativ lange dauert, bis ein Bauteil fertig ist. Zudem ist das Material erheblich teurer als das für konventionelle Methoden der Massenfertigung.
Ersatzteile drucken statt einlagern
"Das wird immer eine Barriere sein", sagt Andreas Langfeld, "die Herstellung von Kugelschreibern wird immer über Guss gehen." Trotzdem lohnt es sich oft, auf 3-D-Druck zu setzen. Zum einen gibt es Branchen, die nur kleine Stückzahlen brauchen, aber hohe Anforderungen haben wie etwa das US-Raumfahrt-Unternehmen Space-X. Hier kommt es ganz besonders auf hohe Festigkeit bei niedrigem Gewicht und auf innovatives Design an.
Aber es gibt auch viel profanere Einsatzgebiete, etwa das Ersatzteil-Management. Um Ersatzteile liefern zu können, müssen Hersteller sie fertigen und dann einlagern - oder aber die Gussformen aufheben, was auch Pflege und somit Kosten bedeutet, wie Christian Kleylein von Brose sagt. Beim 3-D-Druck dagegen genügt etwas Computerspeicherplatz - mehr als die Druck-Datei braucht es nicht. Und da es nur um kleine Stückzahlen geht, sind die Teile auch ausreichend schnell produziert und geliefert.
Mit Prototypen fing es an
Angefangen hat alles mit Prototypen: Mit der neuartigen Technik ließen die sich viel schneller realisieren, zudem musste keiner seine Erlkönige zu einem Dienstleister geben. Bald aber erkannten viele Unternehmen, dass mehr in der Technologie steckt und sie sich auch anders einsetzen lässt. Sie drucken sich selbst Vorrichtungen, mit denen man zum Beispiel den Schriftzug mit dem Markennamen auf einem Auto leichter aufbringen kann. Oder individuell angepasste Schutzkappen für die Finger. Oder auch Ersatzteile für die eigenen Fertigungsmaschinen. Ein Hersteller von Verpackungsmaschinen geht sogar so weit, mit jeder Maschine auch einen 3-D-Drucker auszuliefern, der benötigte Ersatzteile an Ort und Stelle fertigen soll.
Getrieben von ihren Kunden verbessern und erweitern die Druckerhersteller ihre Geräte, die Materialien und die Software dafür ständig. Der Anbieter Markforged etwa setzt eine Software namens Blacksmith ein. Sie überprüft per 3-D-Laserabtastung die Qualität von Bauteilen, wie Deutschland-Chef Lutz Feldmann sagt, und optimiert die Daten Druck für Druck mit maschinellem Lernen. Und weil die Maschinen von 12 000 Kunden über die Cloud des Anbieters vernetzt sind, profitierten alle Kunden.
Die Qualität macht den Unterschied
Die Qualität des Drucks, sie ist der Grund dafür, warum Drucker für einige Hundert Euro, die es inzwischen schon bei Aldi zu kaufen gibt, mit industriellen Anlagen nicht zu vergleichen sind. Die kosten gerne mal mehrere Hunderttausend Euro. Im Bauraum, dort wo die Teile Schicht für Schicht entstehen, muss zum Beispiel überall dieselbe Temperatur herrschen, weil das einen Einfluss darauf hat, wie sich das Material verhält.
Aber auch dabei gibt es natürlich Abstufungen. Ein Bauteil, das in einem Auto irgendwo nicht sichtbar eingebaut wird, muss nicht durch Schönheit glänzen, nur: "Was aus dem Drucker kommt, muss den Anforderungen genügen", sagt Christian Kleylein von Brose. Bei dem Autozulieferer arbeitet man auch daran, nicht bloß das Drucken selbst, sondern auch die nachgelagerten Prozesse zu automatisieren. Überschüssiges Kunststoffgranulat wird auf einem Vibrationstisch abgeschüttelt, in einer Art Waschmaschine spült man die Reste ab. Die Erfahrungen damit sind gut: "Da bricht nichts ab", sagt Kleylein.
"Wir haben viel gelernt."
Stefan Holländer, EMEA-Chef des US-Druckerherstellers Formlabs, ist froh über Kunden wie Brose. "Wir haben viel gelernt", sagt er. Auch bei Brose selbst kommen immer neue Erfahrungen hinzu. Vieles davon bekommen die Kunden gar nicht zu sehen, weil es die Prozesse in den eigenen Werken verbessert. Beispielsweise hat Brose den Arm an einem Schraubarbeitsplatz selbst gedruckt, der neue wiegt nur noch acht statt vorher zwölf Kilogramm - das macht es den Arbeitern im wahrsten Sinne des Wortes leichter. An anderen Maschinen wurden Metallträger durch solche aus Kunststoff ersetzt, deshalb braucht es nun weniger starke Motoren.
Bei aller Begeisterung glaubt Kleylein so wenig wie viele andere Anwender, dass sich irgendwann alles mit 3-D-Druck erledigen lässt. "Das wird komplementär bleiben", sagt er. Doch in dem Maß, mit dem die Technik sich weiterentwickelt, wachsen auch die Einsatzgebiete. Siemens Mobility etwa verwendet additive Fertigungsmethoden für Ersatzteile, wenn die sich dadurch technisch verbessern. Aber auch "bei Bauteilen mit hohen Einzelkosten wie Gussformen, Schweißvorrichtungen oder wenn es sehr schnell gehen muss", erläutert Michael Kuczmik, der bei Siemens Mobility den Bereich 3-D-Druck leitet.
Kunst aus dem Drucker
Ein weiterer wichtiger Punkt, der in der herrschenden Pandemie vermehrt zutage trat: Kurzfristige Lieferprobleme lassen sich umgehen, wenn die fehlenden Teile additiv gefertigt werden. Siemens unterhält dafür ein eigenes Zentrum in Erlangen. Ein Krankenhaus in Paris hat sogar eine eigene kleine Druckfarm aufgebaut, um im Bedarfsfalls medizinische Gerätschaften selbst herstellen zu können.
Bei Voxeljet in Friedberg bei Augsburg entsteht sogar Kunst. Die Firma druckt mit Sand, der mit einem Bindemittel besprüht und anschließend unter Hitzeeinwirkung zusammengebacken wird, Gussformen für Skulpturen. Der Kreativität sind dabei kaum Grenzen gesetzt - Formenvielfalt ist ja eine Stärke dieser Technologie. Markforged verstärkt gedruckte Objekte mit Endlosfasern etwa aus Kevlar, sagt Deutschland-Chef Lutz Feldmann. Sogar mit Beton wird inzwischen additiv gefertigt, die Universität Eindhoven kooperiert dabei mit Baufirmen und Baustoffherstellern. Es gibt Vorrichtungen, mit denen direkt auf der Baustelle ganze Wände hochgezogen werden können. Hier ist aber noch viel Forschung nötig. Für Dinge wie komplexe Treppenkonstruktionen, meist sind das ja Einzelstücke, lohnt es sich aber jetzt schon, Gussformen am 3-D-Drucker herzustellen.
Mit jeder Weiterentwicklung knappst die 3-D-Technologie ein weiteres Stück von dem Kuchen ab, den sich traditionelle Fertigungsmethoden früher alleine geteilt hatten. Die Produktionsbranche sei "sehr besonnen", sagt Feldmann. Wo sich eine Technologie sinnvoll und das heißt oft kostengünstiger einsetzen lässt, geschieht das auch - egal ob gerade ein Hype herrscht oder nicht.