US-Notenbank kündigt Konjunkturmaßnahme an:Fed wagt "Operation Twist"

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Die US-Notenbank plant ein umstrittenes Manöver: Um die drohende Rezession abzuwenden, will sie für 400 Milliarden langfristige Staatsanleihen kaufen - und kurzfristige Anleihen verkaufen. Experten sind äußerst skeptisch, innerhalb der Federal Reserve tobt der Streit.

Nikolaus Piper

Die amerikanische Notenbank will mit noch mehr Geld einer drohenden Rezession entgegenwirken. Der Offenmarktausschuss der Federal Reserve beschloss am Mittwoch, bis Juni 2012 für 400 Milliarden Dollar US-Staatsanleihen mit Laufzeiten zwischen sechs und 30 Jahren zu kaufen. Gleichzeitig sollen Papiere mit einer Laufzeit von drei Jahren oder weniger verkauft werden. Diese als "Twist" bezeichnete Operation hat das Ziel, die langfristigen Zinsen zu senken und so Kredite für Hauskäufer und Unternehmer zu fördern.

Der Schritt ist heftig umstritten: Noch vor dem Beschluss hatten führende Republikaner die Fed vor weiteren Lockerungsmaßnahmen gewarnt. Auch innerhalb der Notenbank gibt es Opposition. Die Präsidenten der Landeszentralbanken von Dallas, Minneapolis und Philadelphia, Richard Fisher, Narayana Kocherlakota und Chales Plosser votierten gegen "Twist".

Eine vergleichbare Aktion hatte es zuletzt 1961 gegeben. Damals versuchte Präsident John F. Kennedy in Kooperation mit der Fed die kurzfristigen Zinsen zu stabilisieren, um den Dollar zu stützen und die langfristigen Zinsen zu senken, um der Konjunktur zu helfen. Die Ergebnisse waren nach Ansicht von Experten gemischt. Auch jetzt sind die gesamtwirtschaftlichen Folgen unklar. Zwar werden Kredite günstiger, für Pensionsfonds, die ihr Geld in Anleihen anlegen, wird es aber immer schwerer, ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Nach dem Beschluss der Fed gaben die Aktienkurse in New York deutlich nach.

Die Fed-Mehrheit um Präsident Ben Bernanke ist offenbar tief besorgt über den Zustand der US-Wirtschaft. Die hohe Arbeitslosigkeit gehe nur langsam zurück, die Inflation könnte sich auch unterhalb des für die Fed akzeptablen Niveaus einpendeln. Das bedeutet: Die Notenbanker fürchten Deflation mehr als Teuerung.

Zudem gebe es Risiken, "einschließlich der Anspannungen in den globalen Finanzmärkten", heißt es in der Erklärung der Fed, ohne ausdrücklich auf die Schuldenkrise Europas einzugehen.

Der Leitzins bleibt auf dem historischen Tiefststand von null bis 0,25 Prozent, und wird dies, so die Fed, mindestens bis Mitte 2013 bleiben. Außerdem machten die Notenbanker klar, dass sie notfalls noch weitere Mittel zur Konjunkturbelebung in der Hand haben.

Unterdessen wird das politische Klima in Washington für die Fed immer ungemütlicher. Am Dienstag hatten die vier wichtigsten Vertreter der Republikanischen Partei im Kongress Bernanke in aller Form aufgefordert, nicht mehr Geld in die Wirtschaft zu pumpen. Ein derartiger Eingriff von Politikern in den Kurs der unabhängigen Fed ist in der jüngeren Geschichte ohne Beispiel. "Wir sind ernsthaft besorgt, dass weitere Eingriffe seitens der Federal Reserve die gegenwärtigen Probleme noch verschlimmern oder der US-Wirtschaft weiteren Schaden zufügen könnten", heißt es in einem offenen Brief an Bernanke.

Er wurde unterzeichnet vom Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner, dem Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell, sowie Senator John Kyl und dem Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, Eric Cantor. Die bisherigen Schritte der Fed, also der Kauf von Staatsanleihen mit gedrucktem Geld, habe "vermutlich nur zu mehr Fluktuationen und Unsicherheit in unserer bereits schwachen Wirtschaft geführt".

Im beginnenden Wahlkampf sieht sich die Fed noch wesentlich aggressiveren Angriffen aus den Reihen republikanischer Kandidaten ausgesetzt. Der derzeitige Favorit, der texanische Gouverneur Rick Perry, setzte die Lockerung der Geldpolitik mit dem Verbrechen des Hochverrats gleich. Der Abgeordnete Ron Paul, ein Außenseiter, möchte die Fed gleich ganz abschaffen und den Goldstandard wieder einführen.

Hinter dem Streit stehen grundlegende Meinungsunterschiede über die Wirtschaftspolitik. Die Mehrheit in der Fed, die meisten Demokraten und viele Ökonomen wollen eine neue Rezession dadurch verhindern, dass der Staat nicht zu viel spart und dass die Notenbank die Wirtschaft mit Geld flutet. Die andere Gruppe, Republikaner und konservative Ökonomen, glauben, dass der Wirtschaft am besten gedient ist, wenn sich der Staat weitestgehend aus der Wirtschaft heraushält. Die US-Wirtschaft wird in diesem Jahr nur um 1,5 Prozent wachsen.

© SZ vom 22.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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