Diesel-Affäre:Jetzt muss VW vor sich selbst gerettet werden

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Volkswagen und der Abgas-Skandal: Vereistes VW-Logo an einem VW Passat (Archiv) (Foto: Matthias Balk/dpa)

US-Kunden bekommen 1000 Dollar Entschädigung, deutsche Käufer ein Plastikrohr: Der Kurs von Volkswagen ist dreist - nicht nur gegenüber den Kunden.

Kommentar von Markus Balser, Berlin

Zerknirschung zeigen, zügellos offen sein, den Schaden wiedergutmachen - mustergültig wollte Volkswagen eigentlich seine Krise aufarbeiten. Das umfassende Geständnis und der Abgang des Chefs Martin Winterkorn folgten bereits nach ein paar Tagen auf die Manipulationsvorwürfe der amerikanischen Behörden. Doch dann kam eins zum anderen. Der Skandal weitete sich aus. Es folgten Interviewpannen und abgelesene Entschuldigungen. Der Autokonzern kam immer tiefer in die Krise.

Und nun noch das: 1000 Dollar Entschädigung für US-Kunden, null für deutsche Käufer - so dachten sich die VW-Strategen die Wiedergutmachung. Diese Idee ruft Justiz- und Verbraucherminister Heiko Maas auf den Plan. Er fordert zu Recht die Gleichbehandlung aller Kunden, er will VW dazu drängen, auch die Deutschen zu entschädigen.

Doch der Autohersteller scheint wenig auf diese Forderung zu geben. Während in den USA einige Hunderttausend Kunden bereits die großzügige Lösung genutzt haben, warten viele deutsche Autobesitzer noch immer auf eine Ankündigung, was nun eigentlich mit ihren Fahrzeugen passiert. Geplant sind nur Leihwagen oder Abholdienste für die Zeit, da ihr Auto in der Werkstatt ist. Das allerdings sollte ohnehin selbstverständlich sein. Damit setzt sich der Eindruck fest, dass die Deutschen für VW nur Kunden zweiter Klasse sind.

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Es ist gefährlich für den Konzern, wie er deutsche Kunden behandelt

Volkswagen begibt sich auf eine riskante Reise. Seit Jahren konnte sich der Wolfsburger Konzern auf die deutsche Politik verlassen. Das Land Niedersachsen ist direkt an VW beteiligt. Nun bringt VW den langjährigen Verbündeten mit einer Haltung gegen sich auf, die klarmacht: Noch immer macht der Konzern nicht Schluss mit der überheblichen VW-Kultur aus der Zeit, als alle Welt noch "Das Auto" und die Wolfsburger Ingenieurskunst bewunderte. Das ist nicht nur gefährlich, weil das Vertrauen der Kunden erodiert. Das ist auch dreist für ein Unternehmen, das immer in Deutschland die höchsten Preise im internationalen Vergleich verlangte und die hiesige Politik gerne als Helfer einspannte. Etwa vor acht Jahren, als man eine feindliche Übernahme durch Porsche befürchtete.

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So wie VW die Wiedergutmachung angeht, wird der Konzern die Aufarbeitung seiner Affäre vermasseln. Die Politik muss darauf reagieren und VW zum Einlenken zwingen. Denn die rechtliche Lage ist wenig verbraucherfreundlich - jeder Kunde müsste einzeln vor Gericht ziehen, um den Konzern auf Schadenersatz zu verklagen.

Dass Kunden von Bahn oder Lufthansa bereits bei Verspätungen entschädigt werden, ein handfester Betrugsskandal aber kaum Folgen nach sich ziehen soll - das würde das Vertrauen in Wirtschaft und Politik untergraben. Es würde zeigen, dass Konzerne ungestraft den eigenen Profit wichtiger nehmen dürfen als das Wohl der Gesellschaft etwa beim Kampf gegen die Luftverschmutzung. Es geht bei VW um Verbraucherschutz. Es geht aber auch darum, dass der Konzern glaubwürdig bleibt. Er muss vor sich selber gerettet werden.

© SZ vom 26.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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