Wohnen:"Am schlimmsten ist ein fertiger Raum"

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"Jedem Raum tut es gut, wenn er atmen kann", sagt Conni Kotte. (Foto: privat)

Wie wohne ich stilvoll auf wenigen Quadratmetern? Im Interview mit SZ.de spricht die Hamburger Inneneinrichterin Conni Kotte über den Stellenwert einer gemütlichen Wohnung, die neuesten Trends - und die Frage, ob es immer ein Eames Chair sein muss.

Von Felicitas Kock

Die gebürtige Bergisch-Gladbacherin Conni Kotte leitet ein Interior-Design-Büro in Hamburg. Sie richtet Hotels, Konferenzräume und Privathäuser ein. Zuvor hat die 57-Jährige lange Zeit das Produktionsdesign für Filme entwickelt. Ihre Arbeitsweise hat sich seitdem nicht geändert: Beim Einrichten gehe es darum, kleine Welten zu erschaffen, sagt Kotte. Im Gespräch mit Süddeutsche.de verrät sie, wie das geht - und was eine perfekte Wohnung ausmacht.

Süddeutsche.de: Frau Kotte, wie wohnen Sie?

Conni Kotte: Ich lebe in einer klassischen Altbauwohnung in Hamburg, die ich zugleich als Wohn- und Ausstellungsraum nutze. Ständig kommen neue Stücke hinzu, andere werden verkauft; heute steht ein Sofa im Wohnzimmer, morgen ein anderes. Am liebsten würde ich in einer leeren Wohnung leben, die mir erlaubt, immer wieder neu zu denken. Vielleicht mache ich deshalb auch diesen Job. Am schlimmsten ist für mich ein fertiger Raum.

Raten Sie das auch ihren Kunden - ständige Veränderung?

Nicht wirklich. Menschen lassen sich selten mit der Einrichtung helfen, nur um kurze Zeit später alles wieder umzuwerfen. Das wäre auch viel zu teuer. Wer über die entsprechenen finanziellen Mittel verfügt, ist natürlich flexibler. Der kann sich alle drei Monate umentscheiden, den Boden herausreißen, die Wände in grellen Farben streichen, und wenn es ihm nach ein paar Wochen nicht mehr gefällt, wieder von Neuem beginnen.

So viel Geld hat nicht jeder. Wie wohne ich stilvoll trotz kleinen Geldbeutels?

Als erstes würde ich immer versuchen, eine homogene Bühne zu schaffen. Böden, Wände, Vorhänge und größere Möbelstücke - alles, was kostspielig ist - sollte zusammenpassen und sich nicht in den Vordergrund drängen. Bleiben Sie in einem Farbspektrum, lassen Sie nicht zu viele Kontraste zu. Wenn Sie Farben und Möbelstücke verwenden, die sich eher zurückhalten, besteht weniger Gefahr, dass sie Ihnen allzu schnell auf die Nerven gehen.

"Wir versuchen, die Leute davon zu überzeugen, sich einen Sessel ins Wohnzimmer zu stellen, den sie wirklich mögen." (Archivbild von der Mailänder Möbelmesse 2012) (Foto: Getty Images)

Und wie geht es weiter?

Mit der entsprechenden Basis können Sie sich bei den kleinen Dingen austoben. Sich etwa auf dem Flohmarkt einen alten Brokatmantel kaufen, aus dem Sie ein auffälliges Kissen nähen. Wollen Sie das Kissen irgendwann nicht mehr sehen, räumen Sie es weg oder tragen es Ihrerseits auf den Flohmarkt. Oder Sie legen sich ein paar ausgefallene Lampenschirme zu. Auf diese Weise können Sie individuelle Akzente setzen ohne ein Vermögen auszugeben - und müssen kein schlechtes Gewissen haben, wenn Sie doch mal etwas wieder verwerfen.

Gerade in Großstädten steigen die Mieten ins Unermessliche. Haben Sie auch einen Einrichtungstipp für wenige Quadratmeter?

Jedem Raum tut es gut, wenn er atmen darf, das gilt für große Wohnungen wie für kleine. Nur ist es bei letzteren sehr viel schwieriger, sie nicht hoffnungslos vollzustopfen. Ständig ist man am räumen, weil irgendetwas im Weg steht und nichts richtig Platz hat. Die Lösung: Man trennt zwei oder drei Quadratmeter mit einem Sichtschutz ab, etwa mit einem Vorhang oder einer Schiebeelement. Dahinter stellt man ein Regalsystem, in das man alles packt, was man eigentlich nicht sehen will. Der Wohnraum wird dadurch zwar noch kleiner, dafür kann man sehr viel leichter Ordnung halten - und es sieht gleich luftiger aus.

Was ist der häufigste Fehler in Sachen Inneneinrichtung?

Ich glaube, viele Menschen trauen sich nicht, sich durch ihre Einrichtung selbst auszudrücken. Viele versuchen, irgendeinem Bild zu entsprechen, das sie in ihrer Vorstellung mit sich herumtragen. Sie wollen unbedingt den Eames Chair, der sämtliche Gäste vor Bewunderung in Ohnmacht fallen lässt. Wir versuchen dann, die Leute davon zu überzeugen, sich einen Sessel ins Wohnzimmer zu stellen, den sie wirklich mögen.

Und wenn das nun mal ein Eames Chair ist?

Dann bekommt der Kunde in Gottes Namen seinen Eames Chair. Wir versuchen vor allem, die Individualität unserer Kunden zu unterstützen. Es bringt nichts, die Menschen zu zwingen.

Designklassiker aus den Fünfzigerjahren: der Lounge Chair der amerikanischen Designer Charles und Ray Eames. (Foto: WOR)

Was ist der neueste Schrei in Sachen Inneneinrichtung?

Die Dreißiger- und Vierzigerjahre sind auf dem Vormarsch. Das ist vor allem daran zu erkennen, dass sich überall grafische Elemente ausbreiten. Die Linien waren in den vergangenen Jahren eher fließend, jetzt wird es wieder kantiger. Die ganze Bauhaus-Geschichte ist extrem im Kommen. Aber wie gesagt, Trends sind nicht alles.

Sondern?

Ein Wohnraum ist für mich perfekt, wenn er den Bewohnern etwas gibt. Ein Raum sollte mir Freude bereiten, mich auffangen und mir für die Welt da draußen Energie geben. Er muss mir eine gewisse Erdung geben. Im Idealfall stehe ich morgens auf, gehe auf dem Weg zur Toilette an einem Stuhl vorbei und denke mir unterbewusst: geil!

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