Swimmingpool:Spring doch rein!

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Auch ein Auto braucht mal eine Abkühlung. (Foto: Hatje Cantz Verlag/Getty Images)

Ein Pool in Form einer Gitarre oder so groß, dass man darauf segeln kann: In der Badespaßarchitektur gibt es nichts, was es nicht gibt. Ein Bildband feiert jetzt den Swimmingpool als Sehnsuchtsort.

Von Gerhard Matzig

Ein Swimmingpool, der zu einem Hotel am Elvis Presley Boulevard in Memphis gehört, kann eigentlich nur eine Hommage an den King of Rock 'n' Roll sein. Und so ist es auch: Der Pool vom Days Inn at Graceland hat die Form einer Gitarre. Dagegen ist das Schwimmbecken, das Frank Sinatra einst in Palm Springs bauen ließ, einem Piano nachempfunden, während die gigantomanische Poollandschaft von Hugh Hefners Playboy Mansion in Los Angeles eher an eine mit organisch ausgeformten Lustwesen versetzte, möglicherweise aber auch nur von alten Grottenolmen bevölkerte Wasserhöhle denken lässt.

In der Badespaßarchitektur gibt es eigentlich nichts, was es nicht gibt. Der größte Pool der Welt? Befindet sich in Chile, ist einen Kilometer lang, fasst 250 Millionen Liter Wasser - und man kann darin sogar segeln. Das seltsamste Poolvideo der Welt? Stammt aus Japan, wurde millionenfach geklickt und erzählt davon, wie man mit Cola und Mentos-Kaubonbons die eigene Badewanne als bräunlich blubbernden Whirlpool verunstalten kann. Und der kühnste Pool der Welt? Soll demnächst anderthalb Kilometer über dem Meer in die Steilküste des Libanongebirges gesprengt werden. Wobei der Pool dann das Dach einer darunterliegenden, bis auf eine Glaswand vollständig vom Fels der Steilküste umschlossenen Villa wäre. Der Name des geplanten, zehn Meter tief in den Stein gehauenen Wohntraums mit Dachpool, dessen Badegäste sich ihre Beinarbeit vom Bett im Schlafzimmer aus beurteilen lassen können, spricht für sich: Casa Brutale.

Bildband
:"Der Swimmingpool ist überall ein anderer"

Das schreibt Francis Hodgson in seinem Bildband. Zusammen mit Fotos von Henri Cartier-Bresson oder Martin Parr erschafft er damit eine Hommage auf "die Kulturgeschichte des künstlichen Ozeans".

Eigentlich ist es ja ziemlich merkwürdig, dass der Pool, den man in der Zivilisationsgeschichte der Menschheit schon aus der bronzezeitlichen Indus-Kultur kennt, nach immer neuen superlativischen Interpretationen zu verlangen scheint. Doch andererseits: "Die riesige Pfütze an chlorversetztem Wasser beherbergt viele Erzählungen." Beziehungsweise: "Der Swimmingpool ist überall ein anderer."

Der Pool ist der Hotspot des Ungefähren, Unbestimmten, Ungreifbaren

Das stammt aus einem Text von Francis Hodgson. Aktuell nachzulesen ist das in dem grandiosen, soeben bei Hatje Cantz erschienenen und 240 Seiten umfassenden Prachtband "Der Swimmingpool in der Fotografie". Mehr als zweihundert Bildwerke, darunter befinden sich wunderbare Fotos von Henri Cartier-Bresson oder Martin Parr, verbinden sich zu einer einzigartigen Hommage auf "die Kulturgeschichte des künstlichen Ozeans".

Wobei das ein dermaßen gewaltiger Sehnsuchtsort ist, dass man auf Seite 195 kaum umhinkommt, sich direkt an den dort abgebildeten Pool zu träumen. Man säße dann, es ist das Jahr 1969, am Rande des türkis schimmernden Pools im saftig grünen Gras. Direkt vor der Picknickdecke und neben Alain Delon, Romy Schneider und Jane Birkin. Und würde, abgesehen davon, dass man sich ja verrückterweise am Filmset von "La Piscine" befände, sofort endgültig verrückt werden vor ... ja was?

Der Pool ist ein Ort der vielen Bedeutungen. Manchmal scheint er erotisch aufgeladen zu sein, als Kulisse einer offensiven Schaut-mich-an-Pose oder auch des heimlichen Begehrens und noch heimlicheren Schauens; manchmal hört er sich an nach dem fröhlichen Lärm von Kindern, die einander von der Luftmatratze (gerne in Form einer Breze) schubsen; manchmal hört er sich nach Party an; manchmal soll man hier Wassersport treiben, Leibesertüchtigung gar - und manchmal soll man am besten gar nichts tun. So wie Dustin Hoffman alias Benjamin, der sich im Film "Die Reifeprüfung" auf einer Luftmatratze träge dem Erwachsenwerden entgegentreiben lässt. "Benjamin, was tust du da?" -"Nun, ich würde sagen, ich lasse mich treiben." - "Warum?" - "Es ist sehr angenehm, sich treiben zu lassen." Der Pool ist auch der Hotspot des Ungefähren, Unbestimmten, Ungreifbaren. Des Fluiden. Des Flirrens.

Kein anderer Maler hat sich so sehr für den Pool als Sujet interessiert wie David Hockney, dessen Gemälde "A Bigger Splash" zur Ikone des Hedonismus wurde, aber in Wirklichkeit eine kleine Philosophie der Zeit ist. Man sieht ein modernes Haus, den blauen Himmel, Palmen, das Wasser im sonst leeren Pool, ein Sprungbrett - und eben den "Splash" als das, was vom Sprung ins Nass bleibt: eine spritzende Spur vom Leben. Eine Ahnung von jenem Glück, das nur im Augenblick zu haben ist.

Kein Wunder, dass sich das Symbolleben in den künstlichen Ozeanen so gut entfalten konnte. In der gesamten Kulturgeschichte, in der Kunst, im Film und auch in der Literatur (man denke beispielsweise an John Cheevers Kurzgeschichte "The Swimmer") ist der Pool nicht nur ein Gefäß des Wassers, sondern vor allem der Emotionen.

Bevor man sich aber jetzt aus dem Baumarkt einen aufblasbaren Ringpool oder ein Polyesterbecken nach Hause holt, sei erwähnt: Es gibt einen großen Unterschied zwischen Swimmingpool und Planschbadewanne. Das eine, der Pool, befindet sich in (!) der Erde, ist teuer, unpraktisch und macht viel Arbeit (sofern kein Poolboy zur Hand sein sollte) - sieht aber verdammt gut aus. Das andere, die Badewanne, ist ein sogenannter Quick-up-Pool, der auf (!) der Erde steht, für unter 100 Euro zu haben ist und, hm, nun auch viel Spaß bereiten kann. Rein wassertechnisch. So zum Abkühlen. Für die Kinder sowieso. Aber wenn man dann im Planschbecken "Family" sitzt, gleich neben dem praktischen Wasserauslassventil, dann kann man sich ja mal probehalber vorstellen, wie das wäre, wenn Alain Delon, Romy Schneider und Jane Birkin noch kurz vorbeischauen.

© SZ vom 16.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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