Schuhmode:Zeigt her eure Zehen!

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Die "Mules" aus der aktuellen Margiela-Kollektion. Sie haben hinten einen kleinen Absatz und vorne fünf Lederbeutelchen, für jede Zehe eins. (Foto: Hersteller)

Die potthässlichen Barfußschuhe der Sport- und Outdoor-Szene konnte man noch ignorieren, jetzt aber stellt sogar Christian Louboutin Zehenmode vor. Warum nur?

Von Jan Kedves

Nicht wenige Menschen halten Zehen ja für die abstoßendsten Körperteile überhaupt. Damit liegen sie gar nicht falsch, denn beim sportlichen Laufen - beim Joggen oder beim Marathon - sind Zehen zum Abstoßen vom Boden sehr wichtig. Vielleicht rollt der Witz sogar noch besser ab, wenn man ergänzt, dass Zehen bei anderen körperlichen Aktivitäten, die vom Sport auch nicht immer zu trennen sind, auch abstoßen können. Behalten deswegen so viele Menschen beim Sex die Socken an?

Im Spannungsfeld zwischen anatomischer Genauigkeit und grenzwertiger Erotik bewegt sich jedenfalls die neuere Schuhmode mit ihrem Fokus auf alle fünf Zehen oder nur den großen Zeh. Für Männer gibt es im kommenden Frühjahr von Fendi Sneaker-Sandalen, die mit Zehensocken zu tragen sind. Die Zehen gucken vorne raus, jede Zehe steckt in ihrem eigenen Wollsäckchen. Und weil das Wort Fendi fünf Buchstaben hat und jeder Fuß genau fünf Zehen, bekommt jede Zehe einen eigenen Buchstaben obendrauf gestrickt: F-E-N-D-I.

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Das Äquivalent für Frauen sind die Mules aus der aktuellen Margiela-Kollektion. Sie haben hinten einen kleinen Absatz und vorne fünf Lederbeutelchen, für jede Zehe eins. Die Form ist eine Weiterentwicklung der Tabi-Stiefel, die es bei Margiela seit 1988 gibt und die - in Lack- oder Glitterleder - auch gerade wieder sehr beliebt sind. Bei den Tabis ist nur der große Zeh von den anderen Zehen separiert - eine Anspielung auf die japanische Tradition der Tabi-Socken und der flipflopartigen Zōri- und Geta-Schuhe mit ihrem Zehensteg. Das Prinzip führt bei Margiela allerdings weniger zu einem Eindruck von japanischer Grazilität, sondern eher zu einer klobigen Huf-Erotik.

Zeigt her eure Zehen!, scheint es gerade also in der Mode zu heißen, und die Frage wäre: Warum gerade jetzt? Der Einfluss der potthässlichen und modefernen Barfußschuhe mit gummierten Zeh-Separees ist nicht zu unterschätzen. Sie sind im Sport- und Outdoor-Bereich immer populärer geworden, vor allem die "FiveFingers" von Vibram. Durchtrainierte Naturfreaks, meistens Männer, laufen damit ganz ungeniert herum, als wollten sie sagen: Wo ich bin, könnte es jederzeit einen rutschigen Felsen zu erklettern oder moosiges Terrain zu erfühlen geben, deswegen weigere ich mich, meine Zehen in einen Schuh zu pressen, wo sie nur verkümmern und von der Evolution gefressen werden. Ist doch euer Problem, wenn ihr dabei an Noppenkondome denken müsst!

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Zehensandalen von Loewe.

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(Foto: Hersteller)

Barfußschuhe von Vibram.

Die Mode hat schon häufig Hässliches in Faszinierendes umgedeutet. So ist es jetzt mit den Zehenschuhen. Es gibt sie auch mit Zehen, die lediglich aufgenäht, aufgemalt, aufgeprägt oder anderweitig angedeutet sind. Fake-Zehenschuhe, sozusagen. Bei dem Modell von Christian Louboutin sind sie auf der Kappe in braunem Leder nachgeformt, mit Nägeln aus rotem Lackleder und jeder Menge Zehenschmuck aus Perlen und Kristallklunkern. Furchtbar, will man schreien. Dabei könnte der gewöhnungsbedürftige Schuh sogar die aufwendige Pediküre ersparen. Dass der Brite Jonathan Anderson für Loewe auffällig ähnliche Sandalen sowie Pantoletten designt hat, lässt daran zweifeln, ob hier überhaupt die FiveFingers von Vibram als Inspiration dienten.

Tatsächlich gibt es eine ganz andere Referenz, nämlich Pantoletten, die der legendäre britische Dandy, Antiquitätenhändler und Rolling-Stones-Intimus Christopher Gibbs (1938-2018) trug. Sie waren im März 2000 auf dem Cover der Zeitschrift "The World of Interiors" zu sehen, als Teil einer Fotostrecke, die in Gibbs' Haus in Tanger produziert wurde. Faszinierend gräuslige Hausschuhe, mit Zehen, die in den Stoff eingewebt und dann noch mit aufgestickten Perlenblümchen verziert sind. Da sage noch jemand, Dandys könnten nicht gut mit dem Abjekten kokettieren.

Sprich, je genauer man nachforscht, desto mehr historische Vorläufer für die aktuelle Zehenschuhmode findet man. Ist sie dann eigentlich überhaupt neu? Dass sie jedenfalls so wirkt, muss daran liegen, dass man Zehen eben so abstoßend findet, dass man ihren Anblick immer schnell wieder verdrängt.

© SZ vom 29.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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