Wirtschaft:Luxus-Laden

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Bedarf nach Sicherheit: Bankschließfächer im Keller der Münchner Stadtsparkasse. (Foto: Stephan Rumpf)

Juwelen, Schwarzgeld, Sammlerstücke: Was lagern Menschen eigentlich in Schließfächern? Erkundigungen in einer besonderen Branche.

Von Marija Barišić

Wer an Schließfächer denkt, ohne sich dabei den perfekten Bankraub vorzustellen, hat entweder keine Fantasie oder: noch nie einen Agentenfilm gesehen. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Im US-amerikanischen Thriller "Inside Man" will der Kriminelle Dalton Russell eine Bank in New York ausrauben. Das Ziel: ein Schließfach, in dem ein gestohlener Diamant liegt. Im britischen Spionagefilm "A Most Wanted Man" versucht der Tschetschene Karpow an das illegal erworbene Vermögen seines Vaters zu kommen. Es liegt: im Schließfach einer Hamburger Bank. In "Stirb Langsam" stürmt eine Gruppe schwer bewaffneter Terroristen ein Bürohochhaus, um einen computergesicherten Safe zu knacken - dort sollen Wertpapiere im Wert von 640 Millionen Dollar liegen.

Die Liste ähnlicher Filme ist lang, ihre Botschaft dieselbe: Wer etwas in Schließfächern lagert, ist entweder steinreich oder ein Verbrecher. Oder beides. Dass Schließfächer Symbol für kriminelle Machenschaften sind, liegt aber nicht nur an der amerikanischen Filmindustrie, sondern auch in der Natur der Sache. Schließlich ist alles, was heimlich aufbewahrt wird, auch irgendwie unheimlich - warum sonst sollte man es wegsperren und rund um die Uhr bewachen lassen?

Dabei wären die meisten Menschen ziemlich enttäuscht, wenn sie im echten Leben mal die Gelegenheit bekämen, in so ein durchschnittliches Bank-Schließfach zu schauen: Bargeld, Urkunden, Schmuck, vielleicht eine wertvolle Münz- oder Briefmarkensammlung - das sind laut einer Umfrage bei unterschiedlichen Banken und Schließfach-Anbietern in Deutschland die häufigsten Wertgegenstände, die Menschen bei ihnen lagern. Und es werden immer mehr.

In manchen Banken gibt es jetzt Wartelisten für die Fächer

Die Münchener Sparkasse zum Beispiel vermietet laut eigenen Angaben aktuell 92 Prozent ihrer 27 000 Schließfächer - Tendenz steigend. Bei anderen Banken in Deutschland ist die Nachfrage sogar so groß, dass Wartelisten eingeführt werden mussten. Gute Nachricht für alle, die darauf keine Lust haben: Mittlerweile gibt es genug Privatunternehmen, die den Schließfächer-Mangel längst schon als Marktlücke erkannt haben und selbst welche vermieten.

Warum diese kleinen Geheimfächer ausgerechnet seit ein paar Jahren so boomen - dazu gibt es grundsätzlich zwei Theorien.

Theorie Nummer 1: Die Zahl der Hauseinbrüche steigt, deswegen wollen Menschen ihre Wertgegenstände außer Haus schaffen. Theorie Nummer 2: Die Finanzkrise hat das Vertrauen in die Banken erschüttert. Menschen parken ihr erspartes Geld nur mehr ungern auf ihrem Konto, wo sie mit hohen Negativzinsen dafür bestraft werden. Stattdessen investieren sie es lieber in Gold - und das versteckt man eben nicht unter dem Polster. Klar, ergibt Sinn. Verkennt aber leider, dass nicht nur Diebe und Banken geldgierig sein können, sondern auch, nun ja: die eigene Verwandtschaft.

Ein Anruf bei Konrad Szorg, Gründer der Sicherheitsfirma S.A.T. GmbH im Allgäu. Sie erledigt eigentlich Geldtransporte für Banken, vermietet seit zwei Jahren aber auch Schließfächer. Über die Annahme, dass seine Kunden ihr Geld nur vor Einbrechern und Banken schützen, muss er fast lachen. So erinnert er sich noch gut an ein älteres Ehepaar, etwa 75 Jahre alt, das sich heimlich nach einem Schließfach erkundigte, um einen Teil seines angesparten Vermögens vor den eigenen Kindern zu verstecken. Nicht einmal einen halben Tag lang habe es gedauert, bis die Tochter bei ihm am Telefon hing: In der Anrufliste ihres Vaters habe sie die Nummer seines Unternehmens entdeckt. Ob ihr Vater denn ein Schließfach bei ihm mieten wolle? Das Ehepaar meldete sich danach nie wieder.

Manche Schließfächer kosten 324 Euro im Jahr

Oder der Mann, der, Zitat, "Schiss vor seiner eigenen Ehefrau hatte". Kurz zuvor hatte diese nämlich von seiner Affäre erfahren - aus Rache verkaufte sie heimlich sein Auto, kündigte die Wohnung und ließ ihn mit "nichts als Löffel, Gabel und Messer" zurück. Seine letzten, wenigen Habseligkeiten wollte der Mann in ein Schließfach hinüberretten. Half nur bedingt: Kurz danach trennte sich auch die Affäre von ihm, mit einem armen Schlucker wolle sie schließlich nicht zusammen sein. Das Schließfach blieb, zur Sicherheit.

Klar: Es geht nicht immer um Erbstreitigkeiten oder Beziehungskrisen. Manche stehen auch einfach auf den Luxus, der von so einem Schließfach ausgehen kann. So bietet die Edelfirma "Safe Lounge" in der Stuttgarter City nicht nur Schließfächer, sondern auch eine "gemütliche Lounge" zum Relaxen und, ganz wichtig, "die exklusivste Toilettenanlage der Stadt": mit angewärmten Klobrillen und eingebautem Wasserstrahl (inklusive Fön natürlich) wird also selbst der Gang zur Toilette zu einem Erlebnis. Anders gesagt: Hier ist der Kunde mindestens genauso wichtig wie seine aufbewahrten Reichtümer. Und dafür zahlt er ja auch: 324 Euro im Jahr kostet das kleinste Schließfach in der "Safe Lounge" und ist damit mehr als drei Mal so teuer wie ein ähnlich kleines Fach der Sparkasse München, die nur 70 Euro im Jahr verlangt.

Superreiche lassen sich Tresore fürs eigene Wohnzimmer anfertigen

Dass es seiner "gehobenen, älteren Kundschaft" nur um Exklusivität geht, würde der Geschäftsführer der "Safe Lounge" trotzdem bestreiten. So gebe es Kundinnen, die ihr Schließfach einfach deswegen lieber bei ihm mieten, weil die Öffnungszeiten flexibler seien als bei einer Bank. Die hat ausgerechnet am Samstagabend zu - genau dann also, wenn die aufbewahrten Juwelen so gut zum Abendkleid passen würden.

Wer das schon für den Gipfel der Eitelkeit hält, hat noch nie was von der Münchner Tresorfirma Stockinger gehört. Dort lassen sich Superreiche längst edle Tresore fürs eigene Wohnzimmer anfertigen, mit vergoldeten Schubladen, überspannt mit Leder oder individualisierten Türgriffen, die perfekt auf die Farbe der Couch abgestimmt sind. Startpreis: 30 000 Euro netto. Vor Einbrechern fürchten sich diese Kunden nicht, sagt Stockinger-Chef Moritz Unützer, eher vor den eigenen Butlern. Und auch die Negativzinsen der Bank dürften angesichts solcher Beträge egal sein. Die Luxustresore haben für seine Kunden eher Symbolwirkung: Wer Millionen verdient, kann schließlich kein wackliges Bankschließfach in seine Yacht stellen!

Entgegen aller Blockbuster-Klischees ist der durchschnittliche Schließfach-Besitzer also ziemlich sicher kein Verbrecher, reich schon eher und vielleicht ein bisschen ängstlich. Aber das ergibt ja auch Sinn: Denn nur wer was hat, kann auch was verlieren.

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