Rezept: Tagliatelle mit Puntarelle:Modisches Grünzeug

Lesezeit: 2 min

Tagliatelle mit Puntarelle (Foto: Juri Gottschall)

Die Puntarelle leuchteten als Wintersalat von jedem Foodblog. Doch noch viel besser schmecken die Schwestern des Löwenzahns mit Tagliatelle.

Von Juri Gottschall

Die Autorin Mercedes Lauenstein und der Fotograf Juri Gottschall schreiben auf Splendido Magazin über Essen, Kochen und Konsumkultur in Deutschland und Italien. Hier berichten sie über ihre Suche nach den besten Zutaten und was man aus ihnen machen kann.

Immer wieder kommt es vor, dass Frucht- oder Gemüsesorten zum Trend werden. Mal ist es die Avocado, die plötzlich hellgrün von sämtlichen Foodblogs leuchtet, mal kochen plötzlich alle nur noch mit Grünkohl. Meist handelt es sich bei den Trendgemüsen um alte, wiederentdeckte Sorten oder um Pflanzen, die man hierzulande nicht so häufig findet. Die Puntarelle, eine bittere Zichorienart aus Italien, scheinen sich bei uns gerade zu einer Art Trend-Geheimtipp zu entwickeln. Überall begegnet einem das grüne Ungetüm als "der" Wintersalat schlechthin. Weil bitter gesund ist und sicher auch, weil er einfach wunderschön ist, was ja auch niemand bestreiten will.

Tatsächlich ist es aber so: die Puntarelle (oder auch Cimata, nach ihren Spitzen, genannt) sind eigentlich die frischen, grünen Triebe der Catalogna, die wiederum auch in unseren Breiten vorkommt und hier ganz unitalienisch Löwenzahn genannt wird. Während ebendieser Löwenzahn aber meistens als relativ kleine Staude daherkommt, sind die Puntarelle aber ein ziemlich großer Kopf, der nur von außen seinem bitteren Zwillingsbruder ähnelt. Denn befreit man ihn von den dunklen äußeren Blättern (die man übrigens hervorragend gedünstet als Vorspeise oder in einer Tomatensoße essen kann), kommt sein wahres Herz zum Vorschein: dünne, hohle, helle Sprossen, die in ihrer Optik jungen Spargelköpfen ähneln.

Möchte man sie - entgegen dem oben erwähnten Trend - nicht als Salat essen, lassen sie sich auch ganz fantastisch dünsten und dann zum Hauptbestandteil eines äußerst interessanten Nudelgerichts machen. Und das geht so: Die großen Sprossen halbieren, damit sie ungefähr genauso groß wie ihre kleinen Freunde werden. Dazu kommt Staudensellerie, den man in ebenso große Streifen schneidet. Zur Menge: Die Puntarelle sollen das Gericht bestimmen, daher nur etwa halb so viel Sellerie verwenden.

Bitter wird süß

Dann lasse ich fein geschnittenen Knoblauch in Olivenöl kurz ziehen und gebe das Gemüse dazu. Wer mag, kann die grüne Kombination noch mit ein paar Zwiebeln ergänzen, zum Beispiel mit einer kleinen, jungen Tropea-Zwiebel. Jener süßen süditalienischen Art, die es jetzt im Frühling frisch in guten Gemüseläden zu kaufen gibt. Wichtig ist dabei: Nichts sollte Farbe bekommen, alles sollte nur zart und hell gedünstet werden, zur Not auch unter Zugabe von etwas (wenig!) Wasser.

Dann passiert das Wunderbare. Die als Salat sehr bitteren Triebe der Zichorie entwickeln in der Hitze eine sehr aparte Süße mit einem ziemlich einzigartigen Geschmack, der an asiatische Gemüsesorten erinnert. Nach wenigen Minuten sind sie gar. Jetzt kommen noch Pfeffer und Salz dazu und - wer es mag - ein bisschen frische Chili. Die geben dem inzwischen süßlichen Gesamtbild wieder etwas Schärfe zurück. Mehr braucht es nicht.

Parallel koche ich die Pasta und weil ein besonderes Gemüse auch nach besonderer Begleitung ruft, fällt meine Wahl in diesem Fall auf hauchdünne Tagliatelle. Auch zu deren Entstehung gibt es eine Geschichte zu erzählen. Weil die dickeren Nudeln früher bei der Trocknung im windigen Klima der norditalienischen Marken immer zerbrachen, begann man schon vor Jahrhunderten den Teig so dünn auszuwalzen, dass die noch feuchten (und dann bald trockenen) Nudeln sich im Wind mitbewegen konnten. Der Hersteller meiner Tagliatelle setzt diese Tradition mit einer Mischung aus fünf Getreiden, nämlich Weizen, Farro, Roggen, Hafer und Gerste fort.

Natürlich würde das Puntarelle-Gemüse auch mit jeder anderen Art von Pasta schmecken, aber diese dunklen Nudeln umhüllen es mit ihrem nussigen, fast erdigen Aroma einfach perfekt. Nach ein paar Minuten sind sie gekocht und kommen mit etwas Kochwasser zum Gemüse und dann auf den Teller. Wer will, reibt noch Parmesan drüber. Ich habe es nicht getan, weil ich das volle Aroma von Getreide und Gemüse genießen wollte.

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