Ladies & Gentlemen:Gib Gummi!

Lesezeit: 2 min

(Foto: J.W. Anderson, Prada)

Ein luftiger Käfig für die Füße: Der Sandalentrend des Sommers erinnert an frühe Adriaurlaube oder gleich an die Antike.

Von Max Scharnigg und Julia Werner

Für sie: Ironisch-Innovativ

Der sogenannte Ugly Chic ist das liebste Hobby der Mode. Er geht so: Man nehme etwas, das die ganze Welt als hässlich wahrnimmt, und erkläre es zum neuen It-Piece. Seit letztem Jahr tragen sehr gut angezogene Leute Schuhe, die aussehen wie die unbequemen Badesandalen aus unserer Kindheit. Für diese Schönwetter-Saison sind die Zehengefängnisse sogar bei einigen Billiganbietern zu bekommen.

(Foto: J.W. Anderson)

Die Fisherman-Sandale, hier zu sehen in einer besonders leichtfüßigen Version von J.W. Anderson, ist definitiv unvorteilhaft in Sachen Beinlänge und Wadenstärke. Sie ist ein Störer im wohlkomponierten Outfit. Aber Störer sind gut! Weil der Blick dann wenigstens hängen bleibt. Schönheit in etwas zu erkennen, was der Mainstream in seinen Logo-Klamotten für primitiv hält, ist außerdem ein Akt der Rebellion. Man kann ihn zynisch als Distinktionsmechanismus von Leuten abtun, die nur damit beschäftigt sind, den anderen immer einen Schritt voraus zu sein. Oder man nennt ihn liebevoll Camp, so wie Susan Sontag in ihrem berühmten Essay zum Thema. "Camp sieht alles in Anführungszeichen", schreibt sie. Und: "Der Zweck von Camp ist es, das Ernste vom Thron zu stoßen." Die Fisherman-Sandale ist also wirklich allen gerade wärmstens ans Herz zu legen: Ein Schuh, mit dem man sich selbst auf den Arm nehmen kann! Der passt ja wohl genau in unsere Zeit, in der die Witzmuskeln immer mehr verkümmern. Wie trägt man sie? Mit irrsinnigen Ballonröcken oder schnurgeraden Hosen, die die Kappe nur hervorblitzen lassen. Kommt drauf an, auf welchem Trainingslevel man sich befindet.

Für ihn: Griechisch-Römisch

Sandalen sind traditionell die Achillesferse des deutschen Mannes, und es ist hübsch, dass diesen Sommer ausgerechnet solche Modelle angesagt sind, die auch aussehen, als hätte Achill sie gerne getragen. Im Vergleich zu den sportiven Trekking-Sandalen und den Birkenstocks sind die sogenannten "Fisherman-Sandals" etwas elaborierter aufgebaut und entsprechen tatsächlich ziemlich genau dem, was man als Kind mal als Ur-Sandale kennengelernt hat. Denn das war ja oft jene bunte Badesandale aus Gummi und mit Schnalle, die Pflichtutensil bei Adriaurlauben war, wegen Muscheln und Krebsen. Im Wasser waren sie angenehm, an Land und auf dem Weg zum Eisstand klapperten die Dinger aber etwas ungelenk.

(Foto: Prada)

Auch in dieser erwachsenen Prada-Version ist die Sandale aus Gummi, vermutlich sollte man damit aber trotzdem eher nicht in irgendwelchen Flachwasserregionen bei Bibione herumtappen und einen Kescher schwingen - obwohl die Zuschreibung "Fisherman" das ja durchaus nahelegen würde. Tatsächlich ist der Fuß in dieser klassischen Sandalenform vergleichsweise gut geschützt, was sie zu urban brauchbarem Schuhwerk macht. Gerade in den sehr heißen Wochen und kombiniert mit der nötigen Souveränität des Trägers, ist das also ein recht funktionaler Trend. Auch der allseits gefürchtete Blick auf den nackten Männerfuß ist durch die dicken Riemen gut abgeschwächt. Die Vogue bejubelte diese Sandale an Frauenfüßen zuletzt auch deshalb, weil sie sich in kälteren Monaten auch mit Seidensöckchen tragen ließen. So weit würde man bei den Herren aber wohl nicht gehen, Achill hatte sicher auch keine an.

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