Kolumne "In aller Munde":Mit allem und süß

Lesezeit: 2 Min.

Sieht aus wie eine karamellisierte Eistüte: Crêpe brûlée. (Foto: Kathrin Hollmer)

Ob in München oder Sydney, für üppigst garnierte Crème-brûlée-Crêpes und japanische Pancakes stehen Menschen stundenlang Schlange. Schmeckt's denn?

Von Kathrin Hollmer

Die Crêpe kommt zusammengerollt wie eine Eistüte, stehend in einem Glas und mit einem Löffel, damit man die knackige Karamellkruste durchbrechen kann. Unter der Zuckerschicht, versteckt zwischen Vanilleeis, kommen Erdbeeren und Erdbeersoße zum Vorschein, ein paar Käsekuchenstückchen sind auch noch dabei. Mehr ist mehr. Der Süßspeisen-Trend des Sommers 2023 ist ein Dessert-Overload im Crêpe-Hörnchen.

In Sydney und Los Angeles standen die Menschen schon Schlange für Crème-brûlée-Crêpes, kurz "Crêpes brûlées", nun auch in Berlin, wo das Café Puffle Bees die begehrten Pfannkuchen anbietet, nach eigenen Angaben als Erstes natürlich. Wie der Name nahelegt, verbinden Crêpes brûlées zwei französische Süßspeisenklassiker. Die Füllung, die aus der gewickelten Crêpe hervorblitzt, wird mit Zucker bestreut und mit einem Bunsenbrenner karamellisiert.

Dabei ist der letzte Pfannkuchen-Trend eigentlich noch gar nicht abgeklungen. Japanische Soufflé-Pancakes, sogenannte Fluffy Pancakes, die durch untergehobenen Eischnee besonders flaumig werden, sorgen immer noch für lange Schlangen vor Cafés in München wie Hamburg. Aber warum sollen sie nicht friedlich koexistieren? Ohnehin kann es generell nie zu viel Pfannkuchen geben. Sie sind das ultimative Comfort Food, wecken sie doch ausschließlich positive Assoziationen: Kindheitserinnerungen an das Essen bei Oma, Vorfreude auf den nächsten Sonntagsbrunch, Weihnachtsstimmung, schließlich ist die Schlange vor dem Crêpes-Stand auch auf dem Weihnachtsmarkt immer eine der längsten. Es gibt sie in fast jeder Form, als hauchdünne Eierkuchen, flaumig hochgebackene American Pancakes, knusprige Crêpes oder rustikale japanische Okonomiyaki. Füllen und belegen lassen sie sich mit allem, was Vorratskammer und Kühlschrank hergeben: mit Beeren, Obst oder Schokolade. Oder - pikant - mit Käse, Avocados und Speck.

Die Crêpe ist letschert? Gar kein Problem, der Gaumen ist eh völlig überfordert.

Die Crêpes brûlées vereinen nun gleich mehrere Süßspeisen-Trends. Da wäre der üppige Backwaren-Hybrid, den der New Yorker Konditor Dominique Ansel vor zehn Jahren begründet hat: Sein "Cronut", halb Croissant, halb Donut, wurde nicht nur auf der ganzen Welt kopiert, er hat auch viele weitere Remixe inspiriert. "Croffles" bestehen aus Croissant-Teig, der auf dem Waffeleisen gebacken wird. "Cruffins" sind eine Kreuzung aus Croissants und Muffins, "Muffles" wiederum aus Muffin und Waffel. "Macaronuts" sind mit Macarons gespickte Donuts.

Andererseits passen sowohl die Crème-brûlée-Crêpes als auch die Fluffy Pancakes zur gegenwärtigen Tendenz zum Overload. Donuts bestehen heute mehr aus Topping als aus Teig. Damit Pralinen, Beeren und Soße Platz haben, wird in die Höhe gebaut. Zimtschnecken werden mit Keksteig-Kugeln und Waffeln mit Spekulatius-Bröseln dekoriert. Wie man das Essen soll? Egal! Hauptsache instagrammable.

Während Pfannkuchen-Connaisseure sich gern auf einen Hauch Zimt und Zucker beschränken, für den wahren Eierkuchengeschmack, gilt für die hippen Pancakes und Crêpes: Viel hilft viel. Fluffy Pancakes werden mit Schokoriegeln, Schlagsahne und Nuss-Nougat-Creme dekoriert, und mit der Crème-brûlée-Crêpe hält man es analog zur Döner-Bestellung: einmal mit allem - aber möglichst süß. Praktisch ist, dass einem so jede Entscheidung abgenommen wird, Overload-Pfannkuchen vereinen einfach das Beste aus vielen Welten, als dessertgewordenes Yolo. Klar ist bei solchen Remixen, dass einzelne Komponenten vernachlässigt werden. Aber auch wenn die Crêpe etwas let­schert ist, damit man sie gut wickeln kann: Unter der Karamellkruste fällt das kaum auf, und der Gaumen ist ohnehin überfordert.

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