Lokaltermin:Wie man einen Restaurant-Tester testet

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Rettet jede Woche Restaurants vor dem kulinarischen Verderben: Sternekoch Frank Rosin. (Foto: Guido Engels)

Im Privatfernsehen möbelt Spitzenkoch Frank Rosin im Wochentakt irgendein Lokal auf. Höchste Zeit, das Essen in seinem eigenen Restaurant zu probieren.

Von Jutta Göricke

Sehr viel etablierter als Frank Rosin - 50, Restaurant-Prüfer, Fernsehstar und Zweisternekoch - kann man heute in der deutschen Gastronomie kaum sein. Dass er einmal Mitbegründer der Kochvereinigung "Junge Wilde" war, ist lang her und so gut wie vergessen; damals hießen steife Edelrestaurants noch Gourmettempel und fast alle Spitzenköche waren alt. Heute indes ist man als Gast überrascht, wenn einem bei Tisch noch eine Stoffserviette gereicht wird und der Küchenchef über 30 ist. Sich betont jung und wild zu geben wäre da eher ein Indiz fürs Alter. Und so hat das Revoluzzertum auch bei Rosin nur als Reminiszenz überlebt. Als "Schmackofatz" etwa, wie man im Ruhrgebiet unwiderstehlich freche Leckerschmecker nennt, sie gehören in Rosins Lokal programmatisch auf die Karte, nun ja.

Auch Dorsten-Wulfen ist nicht wild, sondern ein recht ehrliches Straßendorf nahe Recklinghausen; als Basislager nur konsequent für einen Mann, der in seiner Show auf Kabel Eins allwöchentlich den strengen wie leutseligen Berater gibt. Ein Mann wie du und ich, der im Akkord Bahnhofslokale vor dem kulinarischen Verderben rettet. Was wäre logischer, als einem auf den Zahn zu fühlen, der allen anderen zeigt, wie es geht? Allein, bei Frank Rosin einen Tisch zu kriegen ist nicht leicht: Drei Monate im Voraus muss man reservieren, um den Tester zu testen.

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Genau genommen wird sein Team getestet. Denn der viel beschäftigte Koch ist an diesem Abend nicht zu sehen, was legitim ist und einem gut organisierten Restaurant nichts ausmacht. Delegieren ist ja offenbar Rosins Markenzeichen. Denn dieser Betrieb, das vorweg, funktioniert wie eine Eins: freundlich, effizient, unaufdringlich, informiert. Der Gast darf in gepolsterte Sitze sinken und im klassisch-modernen Ambiente sofort entspannen. Das Restaurant ist proppenvoll, doch die Akustik warm, die Stimmung familiär, aber nie übergriffig. Das alles wirkt eher wohlüberlegt und ausgewogen als unangepasst, und es ist perfekt bis ins Detail.

Die Menüfolge ist angenehm flexibel: Man muss sich nicht festlegen, sondern darf spontan entscheiden, welcher Teller es als Nächstes sein soll und wie viele es am Ende werden. Möglich wären bis zu zehn Gänge, drei Gänge gibt es für alles andere als Dorfen-Wulfen-mäßige 87 Euro.

Los geht es nach Brot, Salz und bunten Butterpralinen mit Dim Sum von der Peking-Ente mit Kumquats und Sellerie. Ein rostfarbener Entenhautchip bewacht die Teigtasche. Ein hübscher Einstieg, der als ordentliches Amuse bouche durchginge, wäre er nicht so hochtourig als Schmackofatz annonciert. Der erste Gang bringt dann alles auf Trab: Die kalt gegarte Gelbflossen-Makrele zu sämiger Ajo Blanco aus herrlich verknofelter Mandelmilch ist sensationell. Gegrillte Avocado und Papaya, Esspapier aus Topinambur und Popkorneis komplettieren das Spiel aus Aromen und Farben. Ein wunderschöner Teller. Und endlich mal Popcorn, das in einem Gourmetmenü Sinn ergibt!

Da hält das Kabeljau-Gericht - wiewohl köstlich - nicht ganz mit. Interessant ist der Kontrast zwischen dem scharf gewürzten Olivenölweizenstampf, kräftigem Basilikum und einer aufgeschlagenen Bouillabaisse. Ein Krabbenkeks gibt dazu einen knackigen Kommentar. Die Chefsommelière serviert einen holzausgebauten Chardonnay aus der Pfalz, der das kräftige Gericht elegant würzig bereichert. Überhaupt tut man gut daran, den wunderbaren und angenehm unaufgeregt vorgebrachten Weinempfehlungen zu folgen.

Als Nächstes kommt Sot-l'y-laisse, also Pfaffenschnittchen, vom Bresse-Huhn mit Karotten und Pinienbutter. Curry, Koriander und Morcheln geben diesem überaus feinen Klub Méditerranée eine überraschend harmonische asiatische Note. Auch die "Tafel Schokolade" von der Entenleber ist ein Höhepunkt, sie zergeht nicht nur auf der Zunge, sondern sollte wegen Erzeugung rauschhafter Glücksgefühle dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen. Ebenso herrlich das samtene Ochsenmaul, das im Mund zerfällt, nachdem es von lautem Bacon in Szene gesetzt wurde. Richtig rund aber wird das Ganze durch die sirupartig einreduzierte Sauce zum Serviettenknödel. Sie ist süß, wobei - als Clou - salziges Karamell dazu eine schöne Brücke zum Bacon schlägt. Harmonisch und spannend zugleich ist das - und zum Glück weit entfernt von der anstrengenden Mode, antagonistische Aromen so auszureizen, dass Zunge und Gaumen mit bitteren, salzigen, sauren und süßen Zumutungen gleichsam geflutet werden.

Im Vergleich zum Ochsenmaul - um zur Abwechslung ein wenig zu jammern - sind das Geschmorte und Kurzgebratene vom Reh mit Melone, Erdnuss und Basilikum fast langweilig. Auch die Rohmilchkäseplatte wäre nicht groß erwähnenswert, gäbe es dazu nicht diese entzückende Kugel Spätleseeis - ummantelt von karamellisierten Röstzwiebelbröseln, eine grandiose Kombination. Ein später Gruß aus der Küche beschließt das Menü: frische Zitronencreme mit Zitronengrasaroma und Kügelchen aus Olivenöl-Gelee, ein zartbittersüßes Dankeschön dafür! Nach diesem Abend möchte man Frank Rosin einen Freibrief ausstellen: Wer ein Team hat, das so begnadet kocht, der sollte bitte jeden Bahnhofsimbiss des Landes aufmöbeln.

© SZ vom 29.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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