Ladies & Gentlemen:Heiter bis trocken

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(Foto: N/A)

War es eine verbale Ohrfeige oder nur einfach britische Korrektheit? Über das kurze Intermezzo von Ashley Graham und Hugh Grant am Rande der Oscar-Verleihung.

Von Max Scharnigg und Julia Werner

(Foto: AFP)

Für sie: Die Fassung gewahrt

Weil bei den diesjährigen Oscars nix Interessantes passiert ist, also kein lustiges Kleid und keine Ohrfeige, wurde in der vorigen Woche ein langweiliges Interview am Rande des nunmehr beigen statt roten Teppichs zum sogenannten Fremdschämmoment auserwählt: das von Model Ashley Graham mit dem grantigen Hugh Grant. Er war der Missetäter, weil er auf objektiv wirklich blöde Fragen mit ein bisschen zu viel britischer Trockenheit reagierte. So beschrieb er die Oscars als "Vanity Fair", also Jahrmarkt der Eitelkeiten, in Anspielung auf den berühmten Thackeray-Roman, sie antwortete aber irgendwas von der Vanity-Fair-Party, also dem Schaulaufen beim berühmten Society-Magazin. Dafür fremdschämte sich aber keiner, womit wir bei der Frage wären, wie die Frau das macht, so geliebt zu werden. Denn statt öffentliches Augenrollen für einen Doof-Moment zu ernten, wurde sie überschwänglich für ihre Professionalität gelobt, weil sie nicht die Fassung verlor. Definitiv kann man in Sachen Selbstbewusstsein alles von dieser Frau lernen, kaum eine zelebriert ihre Speckrollen so kompromisslos wie sie. Wobei ihr Oscar-Outfit gar nicht so kompromisslos ist wie sonst (zum Beispiel rücken- und seitenfreies Minikleid aus Mesh von Versace), sondern ein schlaues Gebilde aus Verhüllung und Entblößung an den richtigen Stellen von Alberta Ferretti. Merke: der aktuelle Zeitgeist verlangt von einer Frau offensichtlich gar nicht mehr als die totale Selbstliebe, weswegen man jetzt endlich total befreit dummes Zeug plappern kann. Hauptsache, nie schämen.

(Foto: Reuters)

Für ihn: Dienst nach Vorschrift

Hugh Grants beste Filmmomente waren ja immer jene, in denen er ein bisschen männlich-hilflos nach Worten oder Rettung suchte und dabei seine unwahrscheinliche Attraktivität inklusive der aristokratischen Haare treuherzig für sich arbeiten ließ. Dass er im echten Leben und im Alter nicht nur als knuffiger Tollpatsch, sondern angenehm distanziert und britisch amüsiert auf sich und die Welt blickt, das steht ihm heute mindestens ebenso gut wie der Smoking, den er am Oscar-Abend trug. Er trug ihn wohlgemerkt nicht wie eine Verkleidung, wie die meisten anderen Gäste an diesem Abend ihr Outfit, sondern eben so nebensächlich, wie ein wohlhabender Brite seinen Abendanzug trägt, und das ist immer noch die einzige wahre Art. Der Anzug war dann auch Thema in jenem trockenen Kurz-Interview, das jetzt im Nachhinein ein paar Wellen schlägt, weil Grant sich dabei dem albernen Tiktok-Youtube-US-Sprech, also dem ganzen "Just amazing, sooo cute, love it!"-Empathie-Gestöhne verweigerte. Auf die Rote-Teppich-Quatschfloskel also, was er denn heute Abend trage, antwortete er nach einer kurzen Sekunde herrlicher Hugh-Grant-Verwirrung dann auch nur bündig: meinen Anzug. Und fügte glaubhaft hinzu, den Namen des Schneiders habe er vergessen. Das ist eben, was man bekommt, wenn man einen Gentleman mit derart indiskreten Lappalien bedrängt. Noch vor nicht allzu langer Zeit hätte jeder Mann in jedem Anzug auf diese Frage das Gleiche geantwortet. Sicher, Hugh Grant war nicht sonderlich liebenswürdig an diesem Abend, aber eben gerade deswegen erfrischend authentisch.

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