Grillen:Würstchen im Schnee

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Ran an die Wurst: Gerade im Winter schmeckt Fleisch vom Kohlengrill besonders gut. (Foto: imago images/MASKOT)

Echte Barbecue-Fans glühen auch im Winter, der Fachhandel hält dafür allerhand Spezialzubehör bereit. Was braucht es wirklich?

Von Titus Arnu

"Wir werden alle verrückt geboren, manche bleiben es", sagt der Landstreicher Estragon in Samuel Becketts Stück "Warten auf Godot". Als Beckett im Jahr 1937 München besuchte, traf er Karl Valentin. Der exzentrische Komiker muss dem irischen Autor wie eine Figur aus seinen Werken vorgekommen sein. Beckett besuchte Valentin in dessen Panoptikum, einem Kuriositäten- und Gruselkabinett, in dem allerhand absonderliche Exponaten zu sehen waren. Während er dem Schriftsteller sein Sammelsurium präsentierte, hielt Valentin in der einen Hand eine Taschenlampe, in der anderen einen pelzbesetzten Winterzahnstocher.

Beckett beschrieb die bizarre Begegnung später als "crazy" und notierte: "Ich habe viel und voll Trauer gelacht." Dabei wirkt der legendäre Winterzahnstocher, den man bis heute im Münchner Valentin-Musäum bestaunen kann, gar nicht mal so wunderlich im Vergleich zum Zubehör, das Baumärkte zum Wintergrillen anbieten. Manchmal steht man staunend vor den Verkaufsflächen wie weiland Beckett in Valentins Kuriositätenkabinett.

Es reicht offenbar nicht, für das Grillen bei niedrigen Temperaturen einen guten Gas- oder Holzkohlegrill zu benutzen, der überzeugte Wintergriller (ja, es sind fast ausschließlich Männer) braucht anscheinend warm gefütterte und hitzebeständige Winter-Grillhandschuhe, dazu eine spezielle Wintergrillschürze im Schneeflockendesign und Wollmützen mit Aufschriften wie "Extremgriller" oder "Ich grill' wann ich will". Damit es einem trotz glühender Kohlen nicht zu kalt wird, kann man neben dem Grill einen speziellen Terrassenofen als zweite Wärmequelle aufstellen. Außerdem arbeiten Wintergriller gerne mit Warmhalteboxen und Tellerwärmern, damit das Grillgut auf dem Weg vom Rost zum Tisch nicht schockgefroren wird.

Braucht man das wirklich? Und warum sollte man überhaupt im Winter draußen grillen? Gegenfrage aus Sicht des Wintergrillers: Warum nicht? "Im Winter ist allein schon wegen der kürzeren Tage einfach mehr Zeit für Slow Food, für leckere und gesunde Rezepte, die auch mal mehr als zehn Minuten in der Zubereitung dauern dürfen", schreibt der Wintergrill- und Outdoor-Enthusiast Markus Sämmer in seinem Buch "Winter-Cooking". An der sehr frischen Luft ein Steak, Steckerlfisch, Gemüse oder ein Schmorgericht im Feuertopf zuzubereiten macht Spaß, ist gesund - und verleiht dem Essen dieses unvergleichliche Aroma, welches nur durch offenes Feuer und Holzkohlenglut entsteht. Und Weißglut passt auch optisch bestens zu einer weißen Winterlandschaft.

Fast stimmungsvoller als im Sommer: Grillen und Smoken in einer Winterlandschaft. (Foto: imago images/pressahotkey)

"Es gibt keine Grillsaison", behauptet Achim Tuffentsammer. Der begeisterte Grillsportler aus München, der mit seinem Team "Ois Easy Barbecue" an mehreren bayerischen und deutschen Grillmeisterschaften teilgenommen hat, kocht und brät am liebsten im Freien. Ob es dabei 20 Grad plus oder minus hat, spielt für ihn keine große Rolle. In seinem Garten stehen ein Smoker und zwei Kugelgrills, die er auch bei Schneetreiben anfeuert. Das Grilljahr endet bei ihm an Silvester, Angrillen ist dann schon wieder am 1. Januar. Spezielle Gerätschaften für das Grillen bei Eis und Schnee benötige er nicht, sagt Tuffentsammer: "Ich habe keine Winterausrüstung, ich verwende im Prinzip die gleiche Ausstattung wie im Sommer."

Trotzdem hat das Wintergrillen einen anderen Charakter als die Sommervariante. Während man im Sommer mit der Bier- oder Speziflasche in der Hand um den Grill herumsteht, geht es im Winter atmosphärisch eher in Richtung Glühwein- oder Maronistand. Viele Märkte waren aufgrund der Pandemie abgesagt, Freunde und Familien treffen sich im Freien an der Feuerschale, die bereits im vergangenen Seuchenwinter angeschafft wurde. Dazu passen heißes Grillgut und selbstgebrauter Punsch ausgezeichnet. Es müssen ja nicht immer Würstchen, Kartoffelsalat und Tomaten mit Mozzarella sein wie beim Sommergrillen. Im Herbst und im Winter bieten sich saisonale Gerichte mit Wild, Kohl, Pilzen, Kürbis und Roter Bete an. Rosenkohl-Muffel kann man möglicherweise für das Wintergemüse begeisterten, wenn man vorgekochten Rosenkohl in Balsamico-Essig und Basilikum mariniert und ihn dann in einem Grillkorb gart, diese Methode gibt ihm ein säuerlich-rauchiges Aroma. Die Gänse mit Maroni-Füllung oder Bratäpfel können im Kugelgrill genauso gut oder sogar besser gelingen als im Elektro-Backofen.

Bei frostigen Außentemperaturen empfiehlt sich ein Deckel für den Grill und mehr Kohle

Wintergrillen ist nicht nur etwas für Hartgesottene und Extrem-Outdoorsportler. Wenn etwas hart gesotten wird, dann höchstens das Grillgut. Wer ein paar Grundregeln beachtet, kann dabei gar nicht so viel falsch machen. Im Winter ist es etwas schwieriger, die richtige Temperatur zu erreichen und sie zu halten, weil die Außentemperatur mehr als 30 Grad niedriger sein kann als im Sommer. Grills mit Deckel sind auf jeden Fall von Vorteil. "Man muss die Hitze anders steuern als im Sommer", sagt Grillsportler Tuffentsammer, "der Kugelgrill braucht etwas mehr Kohlen, um die größeren Temperaturunterschiede auszugleichen, einen Gasgrill muss man etwas stärker aufdrehen."

Aber auch auf dem offenen Feuer lässt sich im Winter problemlos kochen und braten, zum Beispiel mit einem Dutch Oven. Diesen Topf aus Gusseisen kann man direkt ins offene Feuer oder in die Glut stellen, man kann den Deckel auch zusätzlich mit Kohlen belegen, um rundum Hitze zu erzeugen, etwa für Braten und Schmorgerichte, die eine lange Garzeit benötigen. Mithilfe von Feuerplatten, Gestellen und Ringen, die an Ketten hängen, kann man auch direkt im offenen Feuer grillen, etwa Stockbrot, Gemüse, ganze Fische oder Würste. "Zum einen ist das gesellig, und dazu hat man es noch automatisch wärmer", sagt Achim Tuffentsammer.

Komfortabler und deutlich kuscheliger wird das Wintergrillen, wenn man sich für einen Trend aus Finnland erwärmen kann. Dort haben Grill- und Saunafreunde ihre Lieblingshobbys kreativ verschmolzen und dafür eine neue Heimstatt konstruiert: die Grillkota. Diese Holzhütten aus massiven Rundbohlen sehen ein bisschen so aus wie Hobbit-Häuschen, haben in der Mitte einen gusseisernen Ofen, einen Rauchabzug, Fenster und Sitzbänke. Der Ofen eignet sich sowohl zum Grillen, zum Teekochen als auch zum Beheizen der Hütte. Wer will, kann sich für knapp 16 000 Euro eine "Kombi-Kota" in den Garten stellen, die 17 Quadratmeter große achteckige Hütte ist Sauna, Pavillon und Luxusgrill in einem. Dazu passend gibt es im gleichen Design eine Hunde-Kota - ohne Feuerstelle, denn das Haustier sollte möglichst nicht gegrillt werden.

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