Garten:Atempause

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Das schrille Grün des frühen Jahres ist fort, nun kommen die warmen Töne in die Beete. (Foto: Imago/Blickwinkel)

Der Herbst zieht mit seinen erdigen Gerüchen und warmen Farben in den Garten ein. Natürlich könnte man jetzt Wintergemüse ansäen und Stauden setzen, aber ist es nicht herrlich, die Ruhe im Beet einfach zu genießen?

Von Andrea Bachstein

Die Dahlien sind ganz schön spät dran dieses Mal, erst in der zweiten Septemberhälfte haben sie ihre ersten Blüten herausgerückt. Rot sind sie, ein leichtes Lila lässt sich auch darin ahnen. Gewagt, jetzt damit anzutreten, wo zugleich schon viele Ranken des Wilden Weins in Feuerfarben glimmen, außerdem stecken die Hagebutten an den lang geworden Wildrosentrieben gerade in einer Siebzigerjahre-Orange-Phase. Alles wie von einer expressionistischen Farbpalette, und alle paar Tage mit neuen Tönen.

Durchaus prächtig beginnt der Herbst also gerade in die Gärten einzuziehen. So sagt man das ja meistens: Der Herbst hält Einzug. Obwohl es oft so wirken kann, als würde der Herbst doch eher aufsteigen in den Gärten. Wie etwas, das schon längst in den Pflanzen, den Bäumen, im Boden gewartet hat, bis endlich die Zeit gekommen ist, sich zu zeigen.

Zumindest steigen jetzt allmählich die Gerüche des Herbstes auf. Süße Blütenparfums haben sich verduftet, stattdessen schwebt etwas Holziges und Erdiges in der Luft. Hätten Gerüche Farben, wären diese wohl eher dunkel. Es sind Gerüche, die nichts Sinnverwirrendes haben, sondern mehr Beruhigendes. So wie das samtige, ganz tiefe Dunkelgrün des Laubs, das die meisten Bäume und Büschen jetzt tragen. Das manchmal schrille Frühjahrsgrün ist längst abgelegt, vergessen, und das Gelb kommt erst im Oktober richtig groß raus.

Größer wird nun kaum noch ein Gewächs, der Garten verstrahlt eine gewisse Müdigkeit

Das meiste, das wächst in den Gärten, hat mittlerweile seine Vollendung erreicht oder überschritten. Die Pflanzen haben alles gegeben in Monaten des hektischen Wachsens und Blühens, das ist vorbei mit den schon wieder kürzeren Tagen. Größer, höher, wird nun kaum noch ein Gewächs, selbst bei den langgeschossenen Weihrauchtrieben dürfte kein Zentimeter mehr drin sein. Beeren und Obst sind zum größten Teil geerntet und gegessen, und auch die späten Früchte sind ganz fertig oder so gut wie. Irgendwie gealtert wirkt manches Gewächs, und in den Beeten herrscht weitgehend Ruhe. Der Garten verstrahlt eine gewisse Müdigkeit, es weckt ihn ja auch kein morgendlicher Vogelradau mehr, stiller ist es geworden.

Natürlich, es findet sich immer etwas zu tun in einem Garten, zu zupfen, zu schneiden, zu jäten. Im Herbst könnte man jetzt Sträucher, Bäume und Rosen setzen, Wintergemüse aussäen, und ganz vieles mehr. Aber wer sich jetzt nicht für eine Weile von der Ruhe im Garten anstecken lässt, wann dann?

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Wenn der Herbst sich so mildwarm und freundlich einschleicht, wie er es zumindest für ein paar Tage gerade getan hat, dann geht ein Zeitfenster auf. Dann können Schaufel, Rechen, Hacke einfach mal unbewegt in ihrer Ecke stehen bleiben. Auch der Rasenmäher kann eine Schweigepause bekommen, das Gras wächst schließlich nur noch langsam. Selbst Gießkanne und Schlauch muss man nicht mehr so oft in die Hand nehmen, die Luft ist feuchter, die Sonne fängt an zu schwächeln. Kurzum, der ganz große Pflanzendurst ist vorbei.

Es gibt wirklich keine ernsthafte Begründung mehr dafür, sich nicht einfach selber auszuruhen und einzutauchen in den Frieden des Gartens. Also herumschlendern oder Beine hochlegen, Revue passieren lassen und zufrieden bewundern, was man im Frühjahr und Sommer mit seinen Pflanzen und seinen grünen Daumen vollbracht hat. Das wären dann klassischerweise Momente, um an die Zeile "Der Sommer war sehr groß" zu denken, die Rainer Maria Rilke in seinem so oft und nun hier schon wieder strapazierten Herbsttag-Gedicht schrieb. Vielleicht würde dieses Jahr mancher dem Poeten am liebsten zurufen: Du hast ja auch diesen nasskalten Sommer nicht mehr erleben müssen! Aber natürlich hat Rilke trotzdem Recht: Das üppige, satte Grün überall zeigt, dass es für die Natur wohl trotzdem wieder ein großer Sommer gewesen ist.

Wenn sich die Saison zu Ende neigt, tun auch die gärtnerischen Misserfolge fast nicht mehr weh, auch die Enttäuschung, dass die Pfingstrose einfach immer noch nicht blühen wollte. Oder der böse unbesiegbare Pilz auf den Rosenblättern, die fiesen nackten Schnecken am Salat und am Rittersporn - was soll's. All das lohnt nun keinen Zorn mehr, es ist Zeit, auch mit allem Unbill des Gärtnerns seinen Frieden zu machen.

Wer sich monatelang ins Gärtnern gestürzt hat, was ja durchaus in Schwerarbeit münden kann, den stürzt es möglicherweise in Momente der Ratlosigkeit, wenn plötzlich kein dringender Einsatz in den Beeten mehr gefordert ist. Da kann es helfen, sich einfach ohne jedes schlechte Gewissen den theatralischen Darbietungen hinzugeben, die der Herbst für den Garten im Repertoire hat.

"Der Sommer war sehr groß": Herbstimpressionen aus dem Garten. (Foto: Iris Kaczmarczyk/Imago/Chromorange)

Was für Beleuchtungseffekte und geheimnisvolle Schattenspiele die Sonne mit ihrem tiefen Seitenlicht am Nachmittag hinzaubern kann, noch der struppigste Busch kann da würdevoll wirken. Spinnweben verwandeln sich in hochdekorative Accessoires, und wenn nur Schatten auf der Sonnenuhr liegt, erinnert das zumindest wieder an Rilkes "Herbsttag".

Ja, gewiss, Abende und Nächte sind schon kühler und feuchter, aber wie funkeln dafür im schrägen Morgenlicht die Tautropfen im Gras, als hätte eine große Hand kleine Kristalle verstreut. Magische Stimmungen hält der Herbstgarten bereit - wenn man sich darauf einlässt. Und das große Finale der Blätter im Farbrausch kommt erst noch.

Diesem folgt dann allerdings auch die ganz unpoetische Mühe, all das gefallene Laub aufzurechen, sonst wie einzusammeln und zu entsorgen, im Zweifelsfalle begleitet vom Lärm der Laubbläser und Laubsauger der Nachbargärten. Und dann muss noch alles angehäufelt, eingewickelt und wie auch immer winterfest gemacht werden, was harte Minusgrade sonst nicht überstehen würde. Wenn der Herbst fortschreitet, kommt nochmal ordentlich Arbeit im Garten.

Aber soweit ist es ja noch nicht. Erstmal kann man noch ein paar Bienen beim Summen über der rosafarbenen Fetthenne zuhören, noch blühen Sommerflieder und Hortensien, man kann Blumen beim Welken zuzusehen, Nüssen, Kastanien und ersten Blättern beim Fallen. Das mag manchmal etwas melancholisch stimmen (was keinesfalls traurig heißt), und durchaus entspannen und sehr dankbar machen für die vergänglichen Schönheiten im Garten. Sie gehen ja nur in die Pause.

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