Unter den Spielern der EM 2012 lässt sich vermehrtes Wachstum feststellen: Der Trend geht zur Langhaarfrisur. Obwohl sich der Grieche Giorgos Samaras - im Gegensatz zu vielen seiner Landsleute - einen guten Hairstylisten leisten könnte, lässt er es im Gesicht und drumherum lieber wuchern. Wenn er brav stillhält, ähnelt er sogar dem Wir sind Helden-Schlagzeuger Pola Roy.
In den achtziger Jahren trug Rudi Völler sein Minipli-Haar vorne kurz, hinten lang. Der Fußballspieler von heute hingegen lässt es gleichmäßig über die Schultern wallen. Aktuelles Beispiel: Federico Balzaretti. Leider wirkt Italiens Verteidiger dadurch überhaupt nicht mehr wie ein Fußballgott. Eher wie Jesus.
Nach einer erfolgreichen Haartransplantation trägt auch der Engländer Wayne Rooney sein Haar offen. Inzwischen kann er sich sogar den Luxus erlauben, die untere Hälfte einmal rundherum zu rasieren. So kommt das flauschige Büschel, das im Fontanellenbereich thront, noch besser zur Geltung.
Der Tscheche Jaroslav Plašil arbeitet ganz offensichtlich an einer Highlander-Mähne. Leider scheint er nicht so recht zu wissen, wohin mit seinem Scheitel. Damit ihm die Frisur nicht gänzlich unkontrolliert um die Ohren fliegt, trägt der Mittelfeldspieler ein Gummiband, das aussieht, als hätte er es einem alten Damenschlüpfer entwendet.
Dabei könnte er sich an Sami Khedira und Mesut Özil ein Beispiel nehmen: Auf den Köpfen der deutschen Mittelfeldspieler hat alles seine Ordnung. Haare von rechts nach links, alles schön mit Gel festgeklebt. Wenn nur diese Gummibänder nicht wären ...
So geht Mittelscheitel! Der Ukrainer Anatolij Timoschtschuk hat seine Frisur im Griff - und sie ihn. Der Trick daran: Mit so einem Haarschnitt lassen die Frauen selbst einen Fußballstar links liegen. Zufälligerweise wird der Mittelfeldspieler nämlich von seiner Ehefrau gemanagt. Sie hat ihm wohl auch die Frisur verpasst.
Mensch, hast du die Haare schön: Der Schwede Zlatan Ibrahimovic zähmt seine Mähne lieber traditionell und bindet sie im Nacken zusammen - aufgrund seiner Länge macht der Zopf sogar die Biege und bildet eine Schlaufe. Ein prüfender Griff bestätigt, dass alles noch an seinem Platz ist. Zu dem hat der Stürmer auch allen Grund: Wenn es nach Silvio Berlusconi gegangen wäre, würde der AC-Mailand-Spieler heute ins Leere greifen - der damalige Vereinspräsident hatte Ibrahimovic aufgefordert, seine Haare abzuschneiden.
Bei Miguel Veloso sitzt die Frisur auch ohne mechanische Hilfsmittel in jeder Situation: Mit Knopf im Ohr, perfekt organisiertem Vier-Tage-Bart und Bambiblick ist Veloso der David Beckham der Portugiesen. Stehvermögen beweist der defensive Mittelfeldspieler vor allem mit seiner senkrecht empor ragenden Wuschelmatte, die selbst nach der 1:0-Niederlage im EM-Auftaktspiel gegen Deutschland noch Optimismus verbreitete.
Der Typ, dem Veloso im Kampf um den Ball unterlag, ist ihm zumindest frisurentechnisch ebenbürtig: Mario Gomez, Besitzer der eitelsten deutschen Haarpracht, bezwingt jede widerspenstige Strähne, die durch diverse Kopfball-Aktionen aus der Fassung gerät, mit Haargel. Nach der Halbzeitpause kehrt der Stürmer stets perfekt gestriegelt auf den Platz zurück. Selbst Starfriseur Udo Walz ist begeistert von dem sogenannten Undercut mit langem Deckhaar: "Gomez liegt richtig im Trend."
Die Frauen liegen ihnen beiden zu Füßen: Mit Cristiano Ronaldo rivalisiert Gomez um den Titel des EM-Schönlings. Auch der portugiesische Stürmer trägt einen Undercut - seitlich kurz, oben lang. Nachdem Ronaldo sich im technischen Zweikampf gegen seinen deutschen Widersacher nicht durchsetzen konnte, griff der Portugiese in die Trickkiste ...
... Er wechselte nach der ersten Halbzeit nicht nur vom Langarm- zum figurbetonten Kurzarm-Shirt, sondern ließ sich auch die Frisur umstylen: Mit steil aufgerichtetem Mittelstreifen erschien Ronaldo nach der Pause auf dem Rasen und schnaufte erst mal kräftig durch. Es wurde ein 1:0 für Deutschland. Dafür sah er gut aus. Böse Zungen behaupten, der Verteidiger habe mehr durch sein schönes Haar als durch guten Fußball geglänzt.
Philippe Mexès fliegt - das Haar fliegt mit. Im Mai hatte Frankreichs Verteidiger die blonde Pracht noch zu kleinen Rasta-Zöpfen geflochten. Vielleicht erfreut er die Zuschauer im Laufe der EM noch einmal mit dieser Variante.
Wegen seiner wiederholten Aussetzer hätten sie ihn beinahe nicht mitgenommen zur EM: Mario Balotelli bewirft Leute mit Dartpfeilen, lässt Luxusautos in Flammen aufgehen und benimmt sich auch sonst unmöglich. Dabei wäre es doch wirklich schade gewesen - bei der Frisur! Mit seinem Irokesenschnitt hat sich der italienische Stürmer längst einen Namen gemacht, weshalb Nike ihn für einen Werbespot engagierte, in dem er sich die berühmtesten Frisuren des Fußballs schneiden lässt. Kurz vor der EM ließ sich Balotelli den Streifen sogar blondieren - vielleicht aus Erleichterung darüber, dass er doch mitdurfte?