Fashionspießer: Mützen mit Tierohren:Esst mehr Bambussprossen!

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Seinen Ursprung hat der Trend zu Mützen mit Panda-Ohren wenig überraschend in China. Doch inzwischen sind die fragwürdigen Accessoires von diesem Foto aus dem Winter 2009 auch in Europa angekommen. (Foto: dpa)

Erwachsene Menschen tragen in diesem Winter Mützen mit Tierohren, und sie tun es mit der Nonchalance eines Rockstars. Doch wer seine Seelenverwandtschaft zu einem Pandabären zum Ausdruck bringen will, sollte das besser in der Küche tun. Eine Stilkolumne.

Von Lena Jakat

Dass sich Ehegatten und Partner über Jahrzehnte geteilten Lebens charakterlich annähern, resultiert wohl schon zwangsläufig aus dem Überlebenswillen des Einzelnen und der evolutionären Notwendigkeit, tödliche Beziehungsstreits auf ein Minimum zu reduzieren. Ob die - inzwischen auch wissenschaftlich belegte - optische Annäherung von Langzeitpartnern ein Nebeneffekt dieser Überlebensstrategie ist? Fest steht: Je länger die Beziehung, desto mehr verwandeln sich Liebes- äußerlich in Zwillingspaare.

Und wer keinen Partner hat, der nähert sich eben dem eigenen Hund äußerlich an. So heißt es zumindest. Aber hat hier nicht die Realität den Volksglauben überholt? Schließlich leben Singles überwiegend in der Stadt und haben daher nur selten einen Dackel, eine Dogge oder einen Pudel, dessen Aussehen sie adaptieren könnten.

Doch ein Seelen- und Styling-Verwandter auf vier Pfoten ist gar nicht nötig. Das führt uns der laufende Winter eindrucksvoll vor Augen. Denn wer keinen Hund an der Hand führt, trägt ihn einfach auf dem Kopf - und wird damit selbst zum animalischen Alter Ego. Das Mittel zum Zweck: eine Strickmütze mit Tierohren.

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Wir tragen Bürzelblusen mit Poposchürze, laufen eingepackt wie Polarforscher durch die Stadt und legen uns meterlange Schalschlingen um den Hals. Warum nur? Aktuelle Modetrends, aufgespießt in der wöchentlichen Kolumne.

Zweifelsfrei lächerlich

Auf U-Bahn-Rolltreppen, in Fußgängerzonen und Einkaufszentren flanieren Menschen mit plüschgewordenen Niedlichkeiten auf dem Kopf umher, als hätten sie sich nie etwas anderes übergezogen als abstehende Öhrchen aus flauschiger Wolle. Getragen werden solcherlei Mützen wohlgemerkt von Erwachsenen, von Männern ebenso wie von Frauen.

Der Trend macht vor Hunde-Ohren nicht halt. Die Wollüberzieher gibt es in Katzen-, (Eis-)Bären- oder - besonders gerne - Panda-Ausführung. Diese Pandakopfbewehrten tragen dabei zu ihrer Kopfbedeckung eine Nonchalance zur Schau, wie sie bislang Königen und Rockstars vorbehalten war. Aber man stelle sich Mick Jagger vor, wie er mit Bärenohren über der Mähne bei H&M Sportsocken kauft. Irgendwas passt da nicht zusammen.

Nun lassen sich - modisch gesehen - an der Mütze an sich schon allerlei Zweifel anbringen: Was passiert mit der darunterliegenden Frisur? Wo beginnt das Zittern und wo hört die Attraktivität auf? Was machen Menschen mit unvorteilhafter Kopfform? Doch Mützen mit Tierohren sind zweifelsfrei immer lächerlich. Oder zumindest immer dann, wenn ihr Träger älter ist als fünf Jahre. Da kann der Rest des modebewussten Winterspaziergängers vor Coolness und Hipstertum noch so strotzen.

Es gibt Kulturen, da kann das Tragen von - echten - Tierköpfen durchaus Sinn machen. Weil der Jäger am Amazonas als Jaguar verkleidet weniger auffällt. Oder weil der Glaube die Eigenschaften des erlegten Tieres auf den erfolgreichen Jäger übergehen sieht. Oder weil der Beute-Skalp eine rituelle Funktion erfüllt. Welche symbolische Bedeutung aber erfüllt eine Mütze aus Plüsch in der mitteleuropäischen Großstadt?

Wer in diesem Winter trotz all dieser Einwände ein starke Seelenverwandtschaft mit dem chinesischen Nationaltier spürt und dieser Ausdruck verleihen möchte, der sollte die Mütze mit Panda-Ohren beiseitelegen und stattdessen reichlich Bambussprossen in ein scharfes Curry werfen. Das wärmt auch.

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