EM 2016:Auswärts spielt die DFB-Elf jetzt in Tarnfarben

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Grau, grau und matt-oliv: Das neue Auswärtstrikot des DFB (Foto: Adidas)

Wenn im Land von Feinripp und Gesundschuhen modisch an Fußballtrikots herumexperimentiert wird, kommt das hier heraus.

Von Lena Jakat

Zwei Töne Grau. Eines ein bisschen heller, eines ein bisschen dunkler. Wofür stehen diese Schattierungen? Für das Gefieder des Bundesadlers? Die Farbe des Main an einem Regentag? Für nüchterne Bodenständigkeit im Angesicht des Erfolgs? Es ist die Frage, über die sich deutsche Fußballfans seit Monaten das Hirn zermartern. Warum grau? Seit die ersten Fotos des neuen Auswärtstrikots der Nationalelf im Netz auftauchten, ist es diese Frage, die sich in schlaflosen Nächten zwischen die Grübeleien über die optimale Abwehrkette drängt. Zur EM 2016 in Frankreich tragen Hummels, Müller und Boateng nämlich: grau-graue-Querstreifen auf der Brust.

An den Ärmeln gesellt sich zum Graugrau ein ebenso mattes Oliv. Der einzige kleine Lichtblick (oder zumindest Leuchtpunkt) ist die Weltmeister-Plakette, die wie ein Amulett mitten auf der Brust prangt. Wer ganz genau hinsieht, erkennt außerdem, dass die dunkelgrauen Streifen ihrerseits diagonal gestreift sind. In noch etwas dunkelgrauerem Dunkelgrau. Die Absicht dahinter ist offenkundig. Und nein, liebe Verschwörungstheoretiker, die Streifen (Sträflingskleidung!) sind kein subtiles Schuldeingeständnis, dass an der Vergabe der WM 2006 doch irgendwas faul und Ausstatter Adidas auch noch darin verwickelt war. Nein, das Graugrau kann nur eines bedeuten.

Die Designer und Verantwortlichen in den Trikotreformgremien wollten mal was total Verrücktes machen. Ausbrechen aus dem engen Schwarz-Rot-Gold-Weiß-Grün-Spektrum. Überraschen. Auffallen. Deswegen schicken sie die Spieler in Tarnkleidung aufs Feld.

Neues Trikot der DFB-Elf
:Wie bei der WM 1990 - nur in Schwarz-Weiß

Die Nationalmannschaft stellt die neuen Trikots für die WM in Russland vor. Sie sind grau und unscheinbar - erinnern aber an einen großen Triumph.

Die Idee, als Deutsche ausgerechnet in Frankreich modisch punkten zu wollen, war vielleicht ein bisschen verwegen. Die französische Nationalmannschaft spielte bis vor kurzem auswärts noch selbst in gestreiften Trikots. In grau gestreiften Trikots. In der Eleganzklasse nehmen sie sich gegen die neuen deutschen Trikots allerdings aus wie Champions-League-Spieler in der Regionalliga.

Auch wenn Nationalfarben und DFB-Grün fehlen, passen die Trikots doch sehr gut zur deutschen Nationalmannschaft. Denn dieses Erschrecken vor der eigenen modischen Courage ist dann doch sehr deutsch. Auffallen ja, aber bloß nicht hinfallen. Ungewohnte Farbtöne gerne, aber bitte in Maßen. Farbtupfer ist ja auch ein sehr deutsches Wort. Im Land von Feinripp und Gesundschuh gilt im Zweifel: statt Paisley- lieber das hellblaue Hemd ins Büro. Ballerinas statt Highheels. Und eben keine echten Experimente in der Umkleidekabine. Am Ende hält uns noch jemand für exzentrisch!

Exzentrik aber ist etwas, das hierzulande so gar nicht geschätzt wird. Nicht in der Politik - ein Trump als Bundeskanzler wäre undenkbar! Nicht in der Musik - eine deutsche Björk hätte gegen Helene Fischer keine Chance. Und auf dem Platz feiern wir einen Exzentriker wie Suárez auch nur, solange er nicht für das eigene Nationalteam aufläuft. In all diesen Bereichen verlassen wir uns lieber auf die technische Perfektion. Graugrau klickt das Zahnrad.

Die neuen Trikots zeigen, wie viel Exzentrik maximal möglich ist - und haben selbst so schon erhebliche Empörung ausgelöst. Sie sind ein typisch deutscher Kompromiss: Ein bisschen auffällig, ja bitte, dafür halten wir auch ein bisschen Shitstorm aus.

Wenn sich alle beruhigt haben, drehen wir die Trikots auf links. Niemand sollte den Fehler machen, zu unterschätzen, was in diesem Grau steckt.

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