Manchmal muss es knallen, bis Männer was merken. Eine Explosion bei einem Experiment war es jedenfalls, die den schwedischen Ingenieur Gustaf Dalén im Jahr 1912 mit schweren Augenverletzungen arbeitsunfähig machte und ihn an den heimischen Herd fesselte. Dort fiel ihm auf, wie mühsam seine Frau jeden Tag mit dem alten Ofen hantierte. Er erfand für sie in den Zwanzigerjahren blind einen Herd, der ihr die Arbeit in der Küche erleichtern sollte.
Der neue AGA-Cooker nutzte die Wärme geschickt für zwei Öfen und mehrere unterschiedlich heiße Kochstellen und wurde prompt zum schwedischen Exportschlager. Kein Wunder, die Wohnwelt, in die der AGA-Herd kam, war gerade dabei, sich radikal zu verändern. Infolge der Industrialisierung und des Ersten Weltkriegs waren eine neue Gesellschaftsordnung und ein neuer Mensch entstanden, dessen Entfaltungsdrang sich auch in dem bemerkbar machte, was die Küchentheoretikerin Erna Meyer in den 1920er-Jahren stolz den "kleinsten Betrieb" einer Volkswirtschaft nannte: im Haushalt.
"Als Antrieb für die Mechanisierung des Haushalts dienen soziale Probleme: die Stellung, die die amerikanische Frau für sich beanspruchte, und die Stellung, die man zur Dienstbotenfrage einnahm, Frauenbewegung, Sklavenbefreiung und Dienstbotenfrage haben ihre gemeinsame Wurzel in der Auffassung, dass es in der Demokratie keine bevorzugte Klasse und kein privilegiertes Geschlecht geben dürfte", so schätzte der Architektursoziologe Sigfried Giedion die Stimmung in den USA zur Jahrhundertwende ein.
Es blühten Ideen für eine neue Effizienz in der Küche, zum Beispiel inspiriert von Ozeandampfern und modernen Speisewaggons: Wenn es in solch kleinen Küchen möglich war, so viele Menschen zu verköstigen, warum sollten diese technischen Fortschritte nicht jedem Haushalt zur Verfügung stehen?
Das progressivste Modell, das daraufhin noch vor dem Ersten Weltkrieg in den USA und Europa diskutiert wurde, war das Einküchenhaus. Wozu, so die Überlegung, sollte in den überall entstehenden Mietskasernen und Siedlungen, jede Wohnung mit eigener Küche, jede Frau mit eigener Küchenlogistik belastet sein? Die Frauenrechtlerin Lily Braun befürchtete in den kleinen Wohnungen und Randlagen früh eine Isolierung der "Haus-Frau" und trat deshalb vehement für das Experiment ein: Großküchen in Mehrparteienhäusern, vielleicht sogar mit Einkaufs- und Wäscheservice.
In ganz Europa entstanden Modelle eines solchen All-inclusive-Wohnens. Aber in der Praxis blieb die Strahlkraft der Einküchenhäuser begrenzt, weil sie ein gütliches Auskommen aller Nachbarn erforderten, Nivellierung der Haushaltsstandards voraussetzten und die Familie eben doch am eigenen Herd hing - und an Mutterns Rouladen.
Hausfrauenarbeit als Berufsarbeit begreifen
Immerhin, man schraubte an der Hausarbeit, und in Deutschland wurde die Weimarer Republik mit ihrem konstruktiven Grundton zu einem Jahrzehnt der neuen Küche. Vordenkerinnen waren zwei Frauen, zum einen die Architektin Margarete Schütte-Lihotzky, erste Architekturstudentin Österreichs und damit geschult in Pionierarbeit. Zum anderen Erna Meyer, die ihre theoretische Wegbereiterin wurde und 1926 das Standardwerk Der neue Haushalt publizierte, das umgehend Bestseller wurde und 1929 schon in der 36. Auflage erschien.
Meyer war es, die der Hausfrau erstmals ein ganz neues Gewicht zusprach, schließlich sei jetzt "die Frau überhaupt erst dazu erwacht, ihre Hausfrauenarbeit als Berufsarbeit zu begreifen, deren Wert und Würde keiner anderen außerhäuslichen irgendwie nachsteht." Ihre Tätigkeit solle nach dem Vorbild der effektiven Abläufe in den Fabriken gestaltet werden. Denn, so Erna Meyer: "Ob sie Sklavin ihrer Pflichten oder schöpferische Meisterin ist - das macht einen gewaltigen Unterschied für sie selbst, ihre Familie und damit für das Ganze unseres Volkes."