Porträt:Coole Masche

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Die Ausstellung "Dressed to Thrill" in Berlin feiert die legendäre Strickkünstlerin Claudia Skoda, die Stars wie David Bowie und Iggy Pop einkleidete.

Von Jan Kedves

Das Stricken und die Stars. Bei Claudia Skoda muss man aufpassen, dass ersteres nicht zu kurz kommt, denn die Stars drängeln sich nun mal vor, wie das ihre Art ist. Das heißt, man könnte Claudia Skoda stundenlang zu ihren kreativen Freundschaften befragen, zu David Bowie, Iggy Pop, Martin Kippenberger und vielen anderen. Bald wird ihr das aber zu viel, dann fragt sie zurück: "Es geht ja nie um mich. Sind Sie gar nicht an der Mode interessiert?"

Doch, unbedingt. Vor allem daran, wie sie im Westberlin der Siebzigerjahre mit leichten Seiden-, Viskose- und Baumwollgarnen gegen die Klischees anstrickte. Stricken hatte schon damals etwas total Hippiemäßiges, heute kommt noch das Beschäftigungstherapeutische hinzu: Man strickt, um zu entschleunigen und den Stress wegzukuscheln. Skoda hatte mit ihrer Strickmaschine von Anfang an, ab 1973, viel Schärferes im Sinn. Der Beruf Strickdesignerin war zu Punk- und Wave-Zeiten zwar irgendwie irre, aber ihre halbtransparenten Kleider waren auf Zack. Und passten dann doch bestens in eine Zeit, in der die Subkultur immer spitzer wurde: Gel-Frisuren, Nieten, Sicherheitsnadeln. Das Geklacker der Strickmaschine kann doch auch gut piksen, im Ohr.

David Bowie trug seine Skoda-Strickhose im "Ashes to Ashes"-Video

"Für mich war Strick einfach ein Medium, in das ich mich vertieft habe, um Mode zu machen", sagt Skoda, heute 78 Jahre alt. Bevor sie mit Strick für selbstbewusste Frauen anfing, hatte sie - ohne Abitur und Studium - acht Jahre lang als Literaturlektorin für einen Westberliner Lehrbuch-Verlag gearbeitet. Der Job kam ihr nach einem Open-Air-Wochenende im Harz aber wahnsinnig langweilig vor, sie entschied einfach montags morgens, nie wieder ins Büro zu gehen. Als die Achtzigerjahre dämmerten, trug dann David Bowie in seinem "Ashes to Ashes"-Musikvideo eine schwarze Skoda-Strickhose mit Nieten, und überhaupt war Skoda damals in den wichtigen Kreisen so omnipräsent, dass die Band Ideal in ihrem NDW-Hit "Blaue Augen" schon cool genervt davon sein konnte: "Auf Skoda oder Fiorucci / Flieg ich nicht mehr ein / Da bleib ich kühl / Kein Gefühl", heißt es in dem Song. Fiorucci war 1980 das andere coolste Modelabel. "Damals wussten die Leute, dass mit Skoda kein Auto gemeint ist", sagt Skoda und lacht.

Dass ihrem Schaffen nun im Berliner Kulturforum am Potsdamer Platz eine sehr schöne Ausstellung gewidmet wird, "Claudia Skoda: Dressed To Thrill" (bis 18. Juli), war überfällig. Beziehungsweise ist die Ausstellung aufgrund der Corona-Notbremse nun geschlossen, nachdem die Eröffnung im vergangenen Jahr schon einige Male verschoben wurde. "Ich bin da mittlerweile ganz entspannt", sagt Skoda mit leicht bemühtem Lächeln. Immerhin gibt es im Netz, bei Google Arts & Culture, eine digitale Version zu sehen. Sie verdeutlicht ebenfalls, wie Skoda sich ins Strickhandwerk vertiefte, ins Forschen an Garnen, Techniken und Formen.

Sie selbst trägt zum Interview einen Pullover, der aussieht, als wäre eine dicke, karamellfarbene Wollspirale von einer Schulter aus asymmetrisch über einen schwarzen Schlauch gerutscht. "Ich hatte immer den Anspruch, etwas Avantgardistisches oder Experimentelles umzuwandeln in eine Klassik. Deswegen habe ich, glaube ich, auch so viele Galeristen, Künstler, Maler und Musiker als Kunden. Es waren schon immer spezielle Menschen, die das annehmen", sagt sie.

Immer dabei damals: Wolfgang Kippenberger

Der perfekte Moment, um auf die Stars zurückzukommen. Zum Beispiel gibt es ein herrliches Foto, das Martin Kippenberger von Skoda gemacht hat - wie sie 1976 oder 1977 (die Subkultur-Geschichtsschreibung ist nicht immer so genau) im U-Bahnhof Kottbusser Tor im Tunnel steht, mit strengem Blick, Gel-Frisur, Männerjackett und hochhackigen Stiefeletten. Wie ein New-Wave-Star sieht sie da aus. Das blitzende Instrument, das sie in der Hand hält, ist kein Synthesizer, keine merkwürdig geformte E-Gitarre: Es ist ihre Strickmaschine. Kennengelernt hatten sich die beiden 1975 auf Ibiza, wo Skoda mit ihrer Frauenclique - immer mit dabei: die ikonische Jenny Capitain, Model, Muse, Moderedakteurin - das Leben genoss und Kleider am Strand verkaufte.

Kippenberger folgte den Frauen zurück nach Westberlin, wo er, wie Skoda sagt, zum "neidischen Beobachter der Szene" wurde. "Er wollte unbedingt dazugehören. Man hat ihn aber auch gelassen, weil er so witzig war und immer die richtigen Kommentare parat hatte." Kippenberger zog also in die "Fabrikneu" ein, die Kreuzberger Kommune beziehungsweise Kreativzentrale, in der Skoda lebte, strickte und ihre Fashion-Happenings organisierte. Die Fabrikneu war eine Dach-Etage in einem Fabrikgebäude in der Zossener Straße mit Lastenaufzug und extra eingebauten "skylights" - damit man von der Badewanne aus die Sterne gucken konnte. Wenn Skoda hier ihre Mode zeigte, mit Musik-Performances und Kunst, drängten sich 400 Zuschauer in das Loft.

David Bowie und Iggy Pop lebten zu der Zeit auch in Westberlin, sie wurden quasi automatisch in die Fabrikneu gesaugt. "Ich hab ihn überhaupt nicht als Star wahrgenommen, er war sehr normal, sehr aufmerksam, interessiert an allem", sagt Skoda über Bowie. "Ich hatte eigentlich mehr Augen für Iggy Pop, der war wilder, auch in dem, was er von sich gab." Und in dem, was er sich gab: Während Bowie den Vorsatz, in Berlin von den Drogen runterzukommen, offenbar ernster nahm, kramte Iggy Pop auf Besuch in der Fabrikneu den Badezimmerschrank durch und futterte die Antibabypillen auf. Vielleicht haben sie ja gut geknallt.

Dass David Bowie es war, der ihr damals nahelegte, sie solle nach New York gehen, weil ihre Mode doch "ein bisschen größer" sei als Westberlin, das mag Skoda noch bestätigen. Dann sagt sie aber: "Ich möchte gar nicht so viel über Bowie reden." 1982 zog sie nach New York, eröffnete einen Laden in der Thompson Street in Soho. Ihre Kleider zeigte sie in Clubs, etwa bei den "Berlin Nights" 1983 in der Danceteria. Sie ließ dafür Gast-DJs aus Berlin einfliegen, unter anderem den damals blutjungen DJ Fetisch, der sonst im legendären Dschungel auflegte und später, im wiedervereinigten Nachwende-Berlin, als Teil des Electro-Trios Terranova bekannt wurde. Die Danceteria war auch der Club, in dem Madonna ihre ersten Auftritte hatte. Hat sie Madonna damals getroffen? "Na ja, die lief jeden Tag an meinem Laden vorbei, weil ihr Tanzlehrer nebenan sein Studio hatte", sagt Skoda, als wäre die Frage ein bisschen unter ihrem Niveau.

Ohne es an die große Glocke zu hängen, entwarf Skoda damals auch für Modefirmen auf der 7th Avenue, "und nachmittags ging ich wieder in meinen Laden". Als sie zurück in Berlin war, in den Neunzigern, arbeitete sie für Marken wie Marc Cain, Joop und Crisca, damals ein Label von Escada für die jüngere Kundschaft. Mit der Mode-Industrie ist Skoda aber nie ganz warm geworden. "Wegen der Stückzahlen und der Kommerzialität. Da ist man so eingeschränkt", sagt sie. Ihre komplizierten Muster könne man industriell nicht schneller stricken als sie selbst auf ihrer Maschine. Und vereinfachen wolle sie nichts. "Wie aus dem Kaufhaus will ich nicht aussehen", sagt sie.

Da bietet sich vielleicht eine Frage zu Wolfgang Joop an an. Er hat für den Katalog zur "Dressed to Thrill"-Ausstellung eine absolut schwärmerische Hommage auf Skoda geschrieben. Nicht nur, weil auch er gern in die Fabrikneu ging und weil er Skoda 1982 bat, in seiner ersten Modenschau als Model zu laufen - verkleidet als Mann in Stiefeln, mit schwarzem Mantel und Dreispitz "wie ein preußischer General". Sondern weil er immer "die provokante Sinnlichkeit" ihrer Kleider, diese fast durchsichtigen "Spinnengewebe aus silbernen und multicoloren Fäden" sensationell fand. "Bevor ich Claudia Skoda kennenlernte, war ihr Name für mich schon Legende!", schreibt Joop.

Stolze Subkultur im hohen Preissegment, das ist ihr Ding

Skoda schwärmt da, nun ja, etwas weniger. Sie holt einen Aldi-Prospekt hervor, der für Joops jüngste Discounter-Aktion "Looks" wirbt. Designer-Socken und Corona-Masken mit Wildtier-Print. Macht sie sich darüber lustig? "Der Wolfgang macht sich selbst darüber lustig", sagt Skoda. "Aber er hat ja auch immer gleich die philosophische Erklärung dafür, warum man so etwas machen muss, ja?" Sie selbst würde so etwas nie machen. Da arbeitet sie lieber weiter in einer kleinen Werkstatt mit Showroom in Berlin-Mitte, by appointment only. Stolze Subkultur im hohen Preissegment.

Dass der Markt schwierig ist, daraus macht sie keinen Hehl. Pullis, die in Berlin handgestrickt oder per Hand maschinengestrickt werden, können nun mal nicht 45 Euro kosten, und auch kaum 450 Euro. Wenn so ein Pulli über 1000 Euro kostet? "Das kauft mir keiner ab", sagt Skoda. "Das spiegelt ja auch unsere Gesellschaft wider, dass der sogenannte Mittelstand wegbricht. Alles muss billig-billig sein, oder teuer-teuer-teuer. Dazwischen ist es sehr schwer." Dazwischen ist aber Skoda. Mit einer Qualität, die ihresgleichen sucht.

Man sieht das in der Ausstellung. Da stehen in der Mitte - zwischen Hunderten Fotos und Videos, die den wahnwitzigen Schwarz-Weiß-Glamour der Frontstadt Westberlin aufleben lassen - sechzehn Skoda-Kleider auf Figurinen. Sie sind teils über 40 Jahre alt, manche wurden von Stammkundinnen ausgeliehen, die diese Kreationen seit vielen Jahren tragen und pflegen. Die Kleider wirken wie neu. Nicht ganz so neu wirkt der Laufsteg von Martin Kippenberger, der darunter, unter Glasscheiben, ausgestellt ist. Diese Bodencollage aus 1300 Fotos ist in der jüngeren Kunstgeschichte als "Kippenberger Catwalk" bekannt. Kippenberger legte die Arbeit 1976 in die Fabrikneu hinein. Skoda ließ darauf ihre Models laufen.

Der Laufsteg sieht ziemlich mitgenommen aus, angesengt, abgetreten. Dass die Mode besser altert als die Kunst, nun, das passiert nicht allzu oft. Es spricht für Skoda.

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