"Slow Flowers":Blumensträuße mit gutem Gewissen

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Alles so schön bunt hier: ein Strauß von "Blumen Goldbeck", gepflückt in der Region. (Foto: Bernd Borchardt)

Edelrosen aus Afrika? Bitte nicht! In die Vase kommen jetzt Blumen von Wiesen aus der Region. Dieser Trend heißt "Slow Flowers" und hilft CO₂ zu sparen.

Von Anne Goebel

Der Klatschmohn, botanischer Name Papaver rhoeas, ist die Blume des Jahres 2017. Das ist gut, weil die Stiftung der famosen Loki Schmidt damit ein besonders schönes Gewächs vor dem Schwund bewahren will. Mit der roten Knitterblüte, dem filigranen Stängel haftet Mohn am Feldsaum etwas Nostalgisches an, als hielte er der ständig beschleunigten Gegenwart tapfer stand.

Das macht die Wahl auch im symbolischen Sinne ideal: Auf immer mehr digitale Unübersichtlichkeit reagieren wir ja gerade mit immer mehr Sehnsucht nach Verwurzelung. Die Frühstücksbutter kommt bitte vom Bauernmarkt, das Fahrrad als Sonderanfertigung aus der Werkstatt um die Ecke. Und jetzt sind die Blumen dran. "Slow flowers" heißt der Trend zum regionalen Wiesenblumenstrauß. Eibisch statt Edelrose.

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Blumen wie aus einem Wyoming-Pferdefilm

Die Bewegung kommt aus den USA, wo die Pflanzenfreundin und mittlerweile sehr erfolgreiche Buchautorin Debra Prinzing vor einigen Jahren "american grown flowers" zu propagieren begann. Mit überspanntem Chauvinismus hatte das nichts zu tun, sondern mit der Idee, die auch lokalen Lebensmitteln zugrunde liegt: Kürzere Transportwege bedeuten weniger CO₂-Ausstoß und ein besseres Gewissen. Inzwischen bekommen die Großstädter in New York oder San Francisco ganz bequem beim "Slow"-Floristen zartgrün gefiederte Wiesensträuße, die aussehen wie aus einem Wyoming-Pferdefilm.

Im deutschsprachigen Raum gehörte Margrit de Colle zu einer der Ersten, die auf Blumen im Zeichen der gemächlichen Schnecke setzte. "Der Erfolg von Slowfood bringt die Bewegung endlich auch hierzulande voran", sagt die Österreicherin. In der Steiermark bewirtschaftet sie ihren Hof "Vom Hügel" nach ökologischen Richtlinien, verkauft die Schnittblumen auf regionalen Märkten, stattet Hochzeiten aus und veranstaltet Seminare.

"Farm to Table" - auch eines dieser Schlagworte im Schlepptau der schick gewordenen Nachhaltigkeit - ist de Colles Devise. Frisch geerntet hielten sich Blüten einfach länger frisch, sagt sie. Ihre Webseite, ein Bilderreigen aus Kornblumenblau und Ackerkrume, richtet sich an Kunden mit Sinn für Ästhetik und Bodenhaftung. Einen Strauß Pfingstrosen oder Löwenmäulchen vom Hügel lassen die sich gern etwas mehr kosten. Regional, das bedeute aber auch Verzicht, erklärt die 41-Jährige. Die Ware wird eben nicht aus anderen Klimazonen herbeigeschafft. Sonnenblumen im Dezember "gibt es bei Slow Flowers nicht".

Margrit de Colle, Autorin von Pflanzenbüchern und eigentlich studierte Soziologin, glaubt, das werde irgendwann auch bei breiteren Kundenschichten ankommen. "Dass Erdbeeren zu Weihnachten nicht sein müssen, wissen inzwischen auch viele."

Und die Kunden sind entzückt über kleine Schnecken oder Käfer

In Berlin hält Lilli Erasin mit ihrem Geschäftspartner im Laden "Blumen Goldbeck" das Sortiment regional und saisonal. Von Mai bis September beziehen sie ihre Ware von einem biologisch wirtschaftenden Zulieferer aus dem Naturpark Hoher Fläming in Brandenburg. Nur in den kalten Monaten gibt es Blumen aus Italien oder Holland. Aber Exotisches, Rosen im Winter aus Afrika? "Geht gar nicht. Dort sterben die Leute auf den Pflanzenfeldern an Pestizidvergiftung", sagt Erasin. "Und selbst wir haben das Zeug hier noch in der Atemluft und an den Händen." Dass die überzüchtete Massenware samt Frischhalte-Substanz im Beutelchen länger ansehnlich bleibt als eine Blume vom Feld, sei ein Gerücht. "Dahlie oder Ranunkeln halten Bombe", sagt Lilli Erasin. Im Übrigen gehöre das Aufblühen und Vergehen eben zum Kreislauf der Natur.

Bei Goldbeck lassen sich die Berliner alte Blumensorten mit so schönen Namen wie Blaudolde, Jungfer im Grünen oder Katzenminze zu Sträußen binden. Die sehen dann auf dem Tisch aus roher Eiche im Kreuzberger Loft sehr edel aus. Naturschützern gefällt der Trend, weil er Lieferstrecken kurz hält und die Artenvielfalt durch die Förderung lokaler Sorten erhält. Und die Kunden, sagt Erasin, sind entzückt über kleine Schnecken oder Käfer, die in den Blüten sitzen.

© SZ vom 29.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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